Diesen gerechten Wunsch zu erfüllen, nahm Wilhelm Urlaub, reiste nach Lübeck, um dort das Geld erheben, und dann unge- hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu können. Amalie schied ungerne von ihm, nur der Gedanke, daß die Reise der Frucht ihrer Liebe schaden könne, bewog sie, ihn ruhig daheim zu erwarten, sonst hätte sie nichts abgehalten, mit ihm zu reisen. Seine Brie- fe, welche sie immer richtig erhielt, tröste- ten sie anfangs, waren aber bald der Stof zu großem Kummer, als er ihr berichtete, daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber wegen gefahrvollen Winden und üblem Wetter die Rückreise zu Lande unternehmen müsse.
Erst nach langen drei Monaten kehrte er in ihre Arme zurück, fand sie jammernd und weinend. Ihre Hausfrau, welche sie freilich nur für die Maitresse eines Offiziers nahm, aber doch wegen ihres sanften, stillen Ka-
Dieſen gerechten Wunſch zu erfuͤllen, nahm Wilhelm Urlaub, reiſte nach Luͤbeck, um dort das Geld erheben, und dann unge- hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu koͤnnen. Amalie ſchied ungerne von ihm, nur der Gedanke, daß die Reiſe der Frucht ihrer Liebe ſchaden koͤnne, bewog ſie, ihn ruhig daheim zu erwarten, ſonſt haͤtte ſie nichts abgehalten, mit ihm zu reiſen. Seine Brie- fe, welche ſie immer richtig erhielt, troͤſte- ten ſie anfangs, waren aber bald der Stof zu großem Kummer, als er ihr berichtete, daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber wegen gefahrvollen Winden und uͤblem Wetter die Ruͤckreiſe zu Lande unternehmen muͤſſe.
Erſt nach langen drei Monaten kehrte er in ihre Arme zuruͤck, fand ſie jammernd und weinend. Ihre Hausfrau, welche ſie freilich nur fuͤr die Maitreſſe eines Offiziers nahm, aber doch wegen ihres ſanften, ſtillen Ka-
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Dieſen gerechten Wunſch zu erfuͤllen,
nahm Wilhelm Urlaub, reiſte nach Luͤbeck,
um dort das Geld erheben, und dann unge-
hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu
koͤnnen. Amalie ſchied ungerne von ihm, nur
der Gedanke, daß die Reiſe der Frucht ihrer
Liebe ſchaden koͤnne, bewog ſie, ihn ruhig
daheim zu erwarten, ſonſt haͤtte ſie nichts
abgehalten, mit ihm zu reiſen. Seine Brie-
fe, welche ſie immer richtig erhielt, troͤſte-
ten ſie anfangs, waren aber bald der Stof
zu großem Kummer, als er ihr berichtete,
daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber
wegen gefahrvollen Winden und uͤblem Wetter
die Ruͤckreiſe zu Lande unternehmen muͤſſe.
Erſt nach langen drei Monaten kehrte er
in ihre Arme zuruͤck, fand ſie jammernd und
weinend. Ihre Hausfrau, welche ſie freilich
nur fuͤr die Maitreſſe eines Offiziers nahm,
aber doch wegen ihres ſanften, ſtillen Ka-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/136>, abgerufen am 21.11.2024.
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