Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Diesen gerechten Wunsch zu erfüllen,
nahm Wilhelm Urlaub, reiste nach Lübeck,
um dort das Geld erheben, und dann unge-
hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu
können. Amalie schied ungerne von ihm, nur
der Gedanke, daß die Reise der Frucht ihrer
Liebe schaden könne, bewog sie, ihn ruhig
daheim zu erwarten, sonst hätte sie nichts
abgehalten, mit ihm zu reisen. Seine Brie-
fe, welche sie immer richtig erhielt, tröste-
ten sie anfangs, waren aber bald der Stof
zu großem Kummer, als er ihr berichtete,
daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber
wegen gefahrvollen Winden und üblem Wetter
die Rückreise zu Lande unternehmen müsse.

Erst nach langen drei Monaten kehrte er
in ihre Arme zurück, fand sie jammernd und
weinend. Ihre Hausfrau, welche sie freilich
nur für die Maitresse eines Offiziers nahm,
aber doch wegen ihres sanften, stillen Ka-

Dieſen gerechten Wunſch zu erfuͤllen,
nahm Wilhelm Urlaub, reiſte nach Luͤbeck,
um dort das Geld erheben, und dann unge-
hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu
koͤnnen. Amalie ſchied ungerne von ihm, nur
der Gedanke, daß die Reiſe der Frucht ihrer
Liebe ſchaden koͤnne, bewog ſie, ihn ruhig
daheim zu erwarten, ſonſt haͤtte ſie nichts
abgehalten, mit ihm zu reiſen. Seine Brie-
fe, welche ſie immer richtig erhielt, troͤſte-
ten ſie anfangs, waren aber bald der Stof
zu großem Kummer, als er ihr berichtete,
daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber
wegen gefahrvollen Winden und uͤblem Wetter
die Ruͤckreiſe zu Lande unternehmen muͤſſe.

Erſt nach langen drei Monaten kehrte er
in ihre Arme zuruͤck, fand ſie jammernd und
weinend. Ihre Hausfrau, welche ſie freilich
nur fuͤr die Maitreſſe eines Offiziers nahm,
aber doch wegen ihres ſanften, ſtillen Ka-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0136" n="122"/>
        <p>Die&#x017F;en gerechten Wun&#x017F;ch zu erfu&#x0364;llen,<lb/>
nahm Wilhelm Urlaub, rei&#x017F;te nach Lu&#x0364;beck,<lb/>
um dort das Geld erheben, und dann unge-<lb/>
hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu<lb/>
ko&#x0364;nnen. Amalie &#x017F;chied ungerne von ihm, nur<lb/>
der Gedanke, daß die Rei&#x017F;e der Frucht ihrer<lb/>
Liebe &#x017F;chaden ko&#x0364;nne, bewog &#x017F;ie, ihn ruhig<lb/>
daheim zu erwarten, &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte &#x017F;ie nichts<lb/>
abgehalten, mit ihm zu rei&#x017F;en. Seine Brie-<lb/>
fe, welche &#x017F;ie immer richtig erhielt, tro&#x0364;&#x017F;te-<lb/>
ten &#x017F;ie anfangs, waren aber bald der Stof<lb/>
zu großem Kummer, als er ihr berichtete,<lb/>
daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber<lb/>
wegen gefahrvollen Winden und u&#x0364;blem Wetter<lb/>
die Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e zu Lande unternehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;t nach langen drei Monaten kehrte er<lb/>
in ihre Arme zuru&#x0364;ck, fand &#x017F;ie jammernd und<lb/>
weinend. Ihre Hausfrau, welche &#x017F;ie freilich<lb/>
nur fu&#x0364;r die Maitre&#x017F;&#x017F;e eines Offiziers nahm,<lb/>
aber doch wegen ihres &#x017F;anften, &#x017F;tillen Ka-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0136] Dieſen gerechten Wunſch zu erfuͤllen, nahm Wilhelm Urlaub, reiſte nach Luͤbeck, um dort das Geld erheben, und dann unge- hindert der Monarchin Erlaubniß fordern zu koͤnnen. Amalie ſchied ungerne von ihm, nur der Gedanke, daß die Reiſe der Frucht ihrer Liebe ſchaden koͤnne, bewog ſie, ihn ruhig daheim zu erwarten, ſonſt haͤtte ſie nichts abgehalten, mit ihm zu reiſen. Seine Brie- fe, welche ſie immer richtig erhielt, troͤſte- ten ſie anfangs, waren aber bald der Stof zu großem Kummer, als er ihr berichtete, daß er zwar das Geld richtig erhoben, aber wegen gefahrvollen Winden und uͤblem Wetter die Ruͤckreiſe zu Lande unternehmen muͤſſe. Erſt nach langen drei Monaten kehrte er in ihre Arme zuruͤck, fand ſie jammernd und weinend. Ihre Hausfrau, welche ſie freilich nur fuͤr die Maitreſſe eines Offiziers nahm, aber doch wegen ihres ſanften, ſtillen Ka-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/136
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/136>, abgerufen am 06.05.2024.