Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.und man unterdrückte absichtlich die ganze Bege- Diese erhabne Edle genoß die Früchte ihrer Die Unglückliche ward nach einem halben Jah- Zweit. Bändch. E
und man unterdruͤckte abſichtlich die ganze Bege- Dieſe erhabne Edle genoß die Fruͤchte ihrer Die Ungluͤckliche ward nach einem halben Jah- Zweit. Baͤndch. E
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="65"/> und man unterdruͤckte abſichtlich die ganze Bege-<lb/> benheit, weil man ſich Vorwuͤrfe machte, daß<lb/> man eine Nonne an eine proteſtantiſche Fuͤrſtin<lb/> ausgeliefert habe.</p><lb/> <p>Dieſe erhabne Edle genoß die Fruͤchte ihrer<lb/> Wohlthaten nicht, die ungluͤckliche Wahnſinnige<lb/> nahm ſie fuͤr ihre Mutter, welche ſich ihre Ein-<lb/> bildungskraft zwar einſt todt, aber jetzt wieder<lb/> lebend dachte. Sie machte der Großmuͤthigen die<lb/> heftigſten Vorwuͤrfe, forderte im Namen ihres<lb/> Kindes die Guͤter zuruͤck, welche ſie ihr einſt ent-<lb/> riſſen haͤtte, und behauptete kuͤhn, daß der Fuͤrſtin<lb/> Schloß dieſem gehoͤre. Die Fuͤrſtin beweinte die<lb/> Ungluͤckliche noch oft, ſie raͤumte ihr ein ſchoͤnes<lb/> Haus zu ihrer Wohnung ein, ließ ſie anſtaͤndig<lb/> bedienen, und ſorgfaͤltig verpflegen. Sie verwei-<lb/> gerte ſie ſchlechterdings den Nonnen, welche, durch<lb/> die Moͤnche von ihrem Leben und Aufenthalte un-<lb/> terrichtet, um ihre Auslieferung anſuchten.</p><lb/> <p>Die Ungluͤckliche ward nach einem halben Jah-<lb/> re krank, und eine heftige Lungenentzuͤndung ende-<lb/> te ihr Leben. Zwei Tage vor ihrem Tode kehrte<lb/> ihr Verſtand vollkommen zuruͤck, man meldete es<lb/> der Fuͤrſtin, ſie eilte herbei, und die Kranke dank-<lb/> te ihr jetzt mit einer Innigkeit, die allen Anwe-<lb/> ſenden Thraͤnen entlockte. Auf ausdruͤcklichen Be-<lb/> fehl der Fuͤrſtin ward der Ring und der Hauben-<lb/> ſtock, welchen ſie im Todeskampfe wieder forderte<lb/> und an ihr Herz druͤckte, mit ihr begraben. Ihr<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Zweit. Baͤndch. E</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0073]
und man unterdruͤckte abſichtlich die ganze Bege-
benheit, weil man ſich Vorwuͤrfe machte, daß
man eine Nonne an eine proteſtantiſche Fuͤrſtin
ausgeliefert habe.
Dieſe erhabne Edle genoß die Fruͤchte ihrer
Wohlthaten nicht, die ungluͤckliche Wahnſinnige
nahm ſie fuͤr ihre Mutter, welche ſich ihre Ein-
bildungskraft zwar einſt todt, aber jetzt wieder
lebend dachte. Sie machte der Großmuͤthigen die
heftigſten Vorwuͤrfe, forderte im Namen ihres
Kindes die Guͤter zuruͤck, welche ſie ihr einſt ent-
riſſen haͤtte, und behauptete kuͤhn, daß der Fuͤrſtin
Schloß dieſem gehoͤre. Die Fuͤrſtin beweinte die
Ungluͤckliche noch oft, ſie raͤumte ihr ein ſchoͤnes
Haus zu ihrer Wohnung ein, ließ ſie anſtaͤndig
bedienen, und ſorgfaͤltig verpflegen. Sie verwei-
gerte ſie ſchlechterdings den Nonnen, welche, durch
die Moͤnche von ihrem Leben und Aufenthalte un-
terrichtet, um ihre Auslieferung anſuchten.
Die Ungluͤckliche ward nach einem halben Jah-
re krank, und eine heftige Lungenentzuͤndung ende-
te ihr Leben. Zwei Tage vor ihrem Tode kehrte
ihr Verſtand vollkommen zuruͤck, man meldete es
der Fuͤrſtin, ſie eilte herbei, und die Kranke dank-
te ihr jetzt mit einer Innigkeit, die allen Anwe-
ſenden Thraͤnen entlockte. Auf ausdruͤcklichen Be-
fehl der Fuͤrſtin ward der Ring und der Hauben-
ſtock, welchen ſie im Todeskampfe wieder forderte
und an ihr Herz druͤckte, mit ihr begraben. Ihr
Zweit. Baͤndch. E
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