Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.arme, elende Wahnsinnige, diesen Ring nie von Sie sandte schon am andern Tage einen alten und
arme, elende Wahnſinnige, dieſen Ring nie von Sie ſandte ſchon am andern Tage einen alten und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="64"/> arme, elende Wahnſinnige, dieſen Ring nie von<lb/> ſich geben, und mit in ihr Grab nehmen wolle.</p><lb/> <p>Sie ſandte ſchon am andern Tage einen alten<lb/> Haushofmeiſter, welcher Karolinen ehemals geſe-<lb/> hen hatte, nach Boͤhmen ab, trug ihm auf, nach-<lb/> zuforſchen: ob die Ungluͤckliche noch lebe, und bei<lb/> dem Abte anzufragen: ob man ſolche freiwillig<lb/> ihrer Verſorgung uͤberlaſſen wolle? Der Haus-<lb/> hofmeiſter vollzog den Befehl ſeiner Gebieterin<lb/> aufs genauſte, er war derjenige, welcher nach der<lb/> Ausſage des Pfarrers mit der Alten in einer frem-<lb/> den Sprache redete. Er fragte ſie: ob ſie ſich<lb/> der Fuͤrſtin nicht mehr erinnere? ob ſie nicht mit<lb/> ihm dahin reiſen wolle? Aber, ihr Wahnſinn gab<lb/> ihm ſehr verwirrte Antworten, er mußte, ohne ih-<lb/> ren Entſchluß zu erfahren, abreiſen, doch brachte<lb/> er der Fuͤrſtin die Verſicherung des Abtes, daß<lb/> man ſie ohne die geringſte Hinderniß ihrer Vor-<lb/> ſorge uͤberlaſſen werde. Dieſe ſandte dann in der<lb/> Folge einen eignen Wagen dahin ab, und Karoli-<lb/> ne wurde ſogleich ausgeliefert. Damals machte<lb/> man im Kloſter verſchiedene Gloſſen: wer die Alte<lb/> wohl ſeyn muͤſſe, da eine Fuͤrſtin ſich ihrer an-<lb/> nehme, ſie in einem Wagen mit vier Pferden ab-<lb/> holen laſſe? Aber, bald erfuhr man durch einen<lb/> fremden Geiſtlichen, dem man dieß alles erzaͤhlte,<lb/> Karolinens wahre und aͤchte Geſchichte. Briefe,<lb/> welche nachher mit dem entfernten Nonnenkloſter<lb/> gewechſelt wurden, ſetzten ſolche außer Zweifel,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0072]
arme, elende Wahnſinnige, dieſen Ring nie von
ſich geben, und mit in ihr Grab nehmen wolle.
Sie ſandte ſchon am andern Tage einen alten
Haushofmeiſter, welcher Karolinen ehemals geſe-
hen hatte, nach Boͤhmen ab, trug ihm auf, nach-
zuforſchen: ob die Ungluͤckliche noch lebe, und bei
dem Abte anzufragen: ob man ſolche freiwillig
ihrer Verſorgung uͤberlaſſen wolle? Der Haus-
hofmeiſter vollzog den Befehl ſeiner Gebieterin
aufs genauſte, er war derjenige, welcher nach der
Ausſage des Pfarrers mit der Alten in einer frem-
den Sprache redete. Er fragte ſie: ob ſie ſich
der Fuͤrſtin nicht mehr erinnere? ob ſie nicht mit
ihm dahin reiſen wolle? Aber, ihr Wahnſinn gab
ihm ſehr verwirrte Antworten, er mußte, ohne ih-
ren Entſchluß zu erfahren, abreiſen, doch brachte
er der Fuͤrſtin die Verſicherung des Abtes, daß
man ſie ohne die geringſte Hinderniß ihrer Vor-
ſorge uͤberlaſſen werde. Dieſe ſandte dann in der
Folge einen eignen Wagen dahin ab, und Karoli-
ne wurde ſogleich ausgeliefert. Damals machte
man im Kloſter verſchiedene Gloſſen: wer die Alte
wohl ſeyn muͤſſe, da eine Fuͤrſtin ſich ihrer an-
nehme, ſie in einem Wagen mit vier Pferden ab-
holen laſſe? Aber, bald erfuhr man durch einen
fremden Geiſtlichen, dem man dieß alles erzaͤhlte,
Karolinens wahre und aͤchte Geſchichte. Briefe,
welche nachher mit dem entfernten Nonnenkloſter
gewechſelt wurden, ſetzten ſolche außer Zweifel,
und
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