Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

blickte, welche in Gesellschaft einiger Bauern eine
Leiche zu tragen schienen.

Sie hatte sich kaum durch Hülfe ihrer Magd
von ihrer Ohnmacht erholt, als man ihren blu-
tenden Gatten wirklich in ihr Zimmer trug. Nie-
mand unter allen, die mit ihm kamen, konnte die
Ursache seiner Verwundung angeben. Die Bauern
waren erst von den Knechten herbei gerufen wor-
den, die Knechte hatten ihn schon blutend am Bo-
den gefunden. Er selbst konnte den Thäter nicht
anzeigen, weil er ihn, seiner Aussage nach, nicht
gesehen hatte, und, indem er einen Schuß hörte,
verwundet zu Boden sank.

Natürlich wars, daß alle glaubten, der Un-
glückliche sei von einem Gränzwächter angerufen,
und weil er nicht antwortete, auch von diesem
niedergeschossen worden. Einige Umstände, wel-
che die Knechte erzählten, machten dieß noch
wahrscheinlicher, ihnen war, ehe sie ihren Herrn
fanden, ein solcher Wächter im schnellen Laufe
begegnet. Furcht vor der Strafe hatte ihn na-
türlich zur Flucht bewogen, weil das Gesetz nur
im Falle einer hartnäckigen Widersetzung den Ge-
brauch des Gewehrs erlaubte.

Marie stürzte weinend vor ihrem Gatten nie-
der, er blickte mit inniger Rührung auf sie her-
ab, da er aber den Schmerz seiner Wunde tief
fühlte, so bat er die Umstehenden wehmüthig,
nach einem Priester zu senden, damit er sich zu
seinem nahen Ende vorbereiten könne. Wie dieser

blickte, welche in Geſellſchaft einiger Bauern eine
Leiche zu tragen ſchienen.

Sie hatte ſich kaum durch Huͤlfe ihrer Magd
von ihrer Ohnmacht erholt, als man ihren blu-
tenden Gatten wirklich in ihr Zimmer trug. Nie-
mand unter allen, die mit ihm kamen, konnte die
Urſache ſeiner Verwundung angeben. Die Bauern
waren erſt von den Knechten herbei gerufen wor-
den, die Knechte hatten ihn ſchon blutend am Bo-
den gefunden. Er ſelbſt konnte den Thaͤter nicht
anzeigen, weil er ihn, ſeiner Ausſage nach, nicht
geſehen hatte, und, indem er einen Schuß hoͤrte,
verwundet zu Boden ſank.

Natuͤrlich wars, daß alle glaubten, der Un-
gluͤckliche ſei von einem Graͤnzwaͤchter angerufen,
und weil er nicht antwortete, auch von dieſem
niedergeſchoſſen worden. Einige Umſtaͤnde, wel-
che die Knechte erzaͤhlten, machten dieß noch
wahrſcheinlicher, ihnen war, ehe ſie ihren Herrn
fanden, ein ſolcher Waͤchter im ſchnellen Laufe
begegnet. Furcht vor der Strafe hatte ihn na-
tuͤrlich zur Flucht bewogen, weil das Geſetz nur
im Falle einer hartnaͤckigen Widerſetzung den Ge-
brauch des Gewehrs erlaubte.

Marie ſtuͤrzte weinend vor ihrem Gatten nie-
der, er blickte mit inniger Ruͤhrung auf ſie her-
ab, da er aber den Schmerz ſeiner Wunde tief
fuͤhlte, ſo bat er die Umſtehenden wehmuͤthig,
nach einem Prieſter zu ſenden, damit er ſich zu
ſeinem nahen Ende vorbereiten koͤnne. Wie dieſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="170"/>
blickte, welche in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft einiger Bauern eine<lb/>
Leiche zu tragen &#x017F;chienen.</p><lb/>
        <p>Sie hatte &#x017F;ich kaum durch Hu&#x0364;lfe ihrer Magd<lb/>
von ihrer Ohnmacht erholt, als man ihren blu-<lb/>
tenden Gatten wirklich in ihr Zimmer trug. Nie-<lb/>
mand unter allen, die mit ihm kamen, konnte die<lb/>
Ur&#x017F;ache &#x017F;einer Verwundung angeben. Die Bauern<lb/>
waren er&#x017F;t von den Knechten herbei gerufen wor-<lb/>
den, die Knechte hatten ihn &#x017F;chon blutend am Bo-<lb/>
den gefunden. Er &#x017F;elb&#x017F;t konnte den Tha&#x0364;ter nicht<lb/>
anzeigen, weil er ihn, &#x017F;einer Aus&#x017F;age nach, nicht<lb/>
ge&#x017F;ehen hatte, und, indem er einen Schuß ho&#x0364;rte,<lb/>
verwundet zu Boden &#x017F;ank.</p><lb/>
        <p>Natu&#x0364;rlich wars, daß alle glaubten, der Un-<lb/>
glu&#x0364;ckliche &#x017F;ei von einem Gra&#x0364;nzwa&#x0364;chter angerufen,<lb/>
und weil er nicht antwortete, auch von die&#x017F;em<lb/>
niederge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en worden. Einige Um&#x017F;ta&#x0364;nde, wel-<lb/>
che die Knechte erza&#x0364;hlten, machten dieß noch<lb/>
wahr&#x017F;cheinlicher, ihnen war, ehe &#x017F;ie ihren Herrn<lb/>
fanden, ein &#x017F;olcher Wa&#x0364;chter im &#x017F;chnellen Laufe<lb/>
begegnet. Furcht vor der Strafe hatte ihn na-<lb/>
tu&#x0364;rlich zur Flucht bewogen, weil das Ge&#x017F;etz nur<lb/>
im Falle einer hartna&#x0364;ckigen Wider&#x017F;etzung den Ge-<lb/>
brauch des Gewehrs erlaubte.</p><lb/>
        <p>Marie &#x017F;tu&#x0364;rzte weinend vor ihrem Gatten nie-<lb/>
der, er blickte mit inniger Ru&#x0364;hrung auf &#x017F;ie her-<lb/>
ab, da er aber den Schmerz &#x017F;einer Wunde tief<lb/>
fu&#x0364;hlte, &#x017F;o bat er die Um&#x017F;tehenden wehmu&#x0364;thig,<lb/>
nach einem Prie&#x017F;ter zu &#x017F;enden, damit er &#x017F;ich zu<lb/>
&#x017F;einem nahen Ende vorbereiten ko&#x0364;nne. Wie die&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0178] blickte, welche in Geſellſchaft einiger Bauern eine Leiche zu tragen ſchienen. Sie hatte ſich kaum durch Huͤlfe ihrer Magd von ihrer Ohnmacht erholt, als man ihren blu- tenden Gatten wirklich in ihr Zimmer trug. Nie- mand unter allen, die mit ihm kamen, konnte die Urſache ſeiner Verwundung angeben. Die Bauern waren erſt von den Knechten herbei gerufen wor- den, die Knechte hatten ihn ſchon blutend am Bo- den gefunden. Er ſelbſt konnte den Thaͤter nicht anzeigen, weil er ihn, ſeiner Ausſage nach, nicht geſehen hatte, und, indem er einen Schuß hoͤrte, verwundet zu Boden ſank. Natuͤrlich wars, daß alle glaubten, der Un- gluͤckliche ſei von einem Graͤnzwaͤchter angerufen, und weil er nicht antwortete, auch von dieſem niedergeſchoſſen worden. Einige Umſtaͤnde, wel- che die Knechte erzaͤhlten, machten dieß noch wahrſcheinlicher, ihnen war, ehe ſie ihren Herrn fanden, ein ſolcher Waͤchter im ſchnellen Laufe begegnet. Furcht vor der Strafe hatte ihn na- tuͤrlich zur Flucht bewogen, weil das Geſetz nur im Falle einer hartnaͤckigen Widerſetzung den Ge- brauch des Gewehrs erlaubte. Marie ſtuͤrzte weinend vor ihrem Gatten nie- der, er blickte mit inniger Ruͤhrung auf ſie her- ab, da er aber den Schmerz ſeiner Wunde tief fuͤhlte, ſo bat er die Umſtehenden wehmuͤthig, nach einem Prieſter zu ſenden, damit er ſich zu ſeinem nahen Ende vorbereiten koͤnne. Wie dieſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/178
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/178>, abgerufen am 22.11.2024.