Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.jetzt seine ganze Freude deckte, denn auch der Dieser fühlte, daß es unanständig sei, wenn Marie. Wenn es seinen Beifall erhält, lieber Meister, so ist mir dieß Tuch um so schätz- barer. Der Meister. So würde wohl jeder junge Pursche vergebens darum bitten? Marie. (lächelnd) Leicht möglich, denn ich habs zum Geschenke für meinen künftigen Gat- ten bestimmt. Meister. Für ihren künftigen Gatten? Marie. (seufzend) Ja! Meister. Würden sie mirs verweigern, wenn ich sie um dieß Tuch bäte? Marie. (hocherröthend) Er kanns ja versuchen. Meister. Ich wags noch einmal! Marie. (zitternd) Nun! da hat ers! Es wird mich freuen, wenn ers zu meinem An- denken trägt. jetzt ſeine ganze Freude deckte, denn auch der Dieſer fuͤhlte, daß es unanſtaͤndig ſei, wenn Marie. Wenn es ſeinen Beifall erhaͤlt, lieber Meiſter, ſo iſt mir dieß Tuch um ſo ſchaͤtz- barer. Der Meiſter. So wuͤrde wohl jeder junge Purſche vergebens darum bitten? Marie. (laͤchelnd) Leicht moͤglich, denn ich habs zum Geſchenke fuͤr meinen kuͤnftigen Gat- ten beſtimmt. Meiſter. Fuͤr ihren kuͤnftigen Gatten? Marie. (ſeufzend) Ja! Meiſter. Wuͤrden ſie mirs verweigern, wenn ich ſie um dieß Tuch baͤte? Marie. (hocherroͤthend) Er kanns ja verſuchen. Meiſter. Ich wags noch einmal! Marie. (zitternd) Nun! da hat ers! Es wird mich freuen, wenn ers zu meinem An- denken traͤgt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0172" n="164"/> jetzt ſeine ganze Freude deckte, denn auch der<lb/> Neugebohrne war am folgenden Tage der Mut-<lb/> ter gefolgt. Marie ſaͤumte eben ein ſeidnes Hals-<lb/> tuch, und ſchielte uͤber dieſes, indem ſie oft fehl<lb/> ſtach, nach dem Trauernden hin.</p><lb/> <p>Dieſer fuͤhlte, daß es unanſtaͤndig ſei, wenn<lb/> man in Gegenwart einer theilnehmenden Freundin<lb/> ſtillſchweigend da ſitze, er rang nach Stoff zum<lb/> Geſpraͤche, blickte aufwaͤrts, ſah das ſchoͤne ſeid-<lb/> ne Tuch, und lobte dieß ohne Abſicht, ohne End-<lb/> zweck.</p><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker><hi rendition="#g">Marie</hi>.</speaker> <p>Wenn es ſeinen Beifall erhaͤlt,<lb/> lieber Meiſter, ſo iſt mir dieß Tuch um ſo ſchaͤtz-<lb/> barer.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEIST"> <speaker><hi rendition="#g">Der Meiſter</hi>.</speaker> <p>So wuͤrde wohl jeder junge<lb/> Purſche vergebens darum bitten?</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker><hi rendition="#g">Marie</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">laͤchelnd</hi>)</stage> <p>Leicht moͤglich, denn<lb/> ich habs zum Geſchenke fuͤr meinen kuͤnftigen Gat-<lb/> ten beſtimmt.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEIST"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter</hi>.</speaker> <p>Fuͤr ihren kuͤnftigen Gatten?</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker><hi rendition="#g">Marie</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">ſeufzend</hi>)</stage> <p>Ja!</p> </sp><lb/> <sp who="#MEIST"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter</hi>.</speaker> <p>Wuͤrden ſie mirs verweigern, wenn<lb/> ich ſie um dieß Tuch baͤte?</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker><hi rendition="#g">Marie</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">hocherroͤthend</hi>)</stage> <p>Er kanns ja<lb/> verſuchen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEIST"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter</hi>.</speaker> <p>Ich wags noch einmal!</p> </sp><lb/> <sp who="#MARIE"> <speaker><hi rendition="#g">Marie</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">zitternd</hi>)</stage> <p>Nun! da hat ers!<lb/> Es wird mich freuen, wenn ers zu meinem An-<lb/> denken traͤgt.</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [164/0172]
jetzt ſeine ganze Freude deckte, denn auch der
Neugebohrne war am folgenden Tage der Mut-
ter gefolgt. Marie ſaͤumte eben ein ſeidnes Hals-
tuch, und ſchielte uͤber dieſes, indem ſie oft fehl
ſtach, nach dem Trauernden hin.
Dieſer fuͤhlte, daß es unanſtaͤndig ſei, wenn
man in Gegenwart einer theilnehmenden Freundin
ſtillſchweigend da ſitze, er rang nach Stoff zum
Geſpraͤche, blickte aufwaͤrts, ſah das ſchoͤne ſeid-
ne Tuch, und lobte dieß ohne Abſicht, ohne End-
zweck.
Marie. Wenn es ſeinen Beifall erhaͤlt,
lieber Meiſter, ſo iſt mir dieß Tuch um ſo ſchaͤtz-
barer.
Der Meiſter. So wuͤrde wohl jeder junge
Purſche vergebens darum bitten?
Marie. (laͤchelnd) Leicht moͤglich, denn
ich habs zum Geſchenke fuͤr meinen kuͤnftigen Gat-
ten beſtimmt.
Meiſter. Fuͤr ihren kuͤnftigen Gatten?
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verſuchen.
Meiſter. Ich wags noch einmal!
Marie. (zitternd) Nun! da hat ers!
Es wird mich freuen, wenn ers zu meinem An-
denken traͤgt.
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