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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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Bericht, man erinnerte sich seiner Verdienste, er
ward wieder bei seinem Regimente angestellt. Alle,
welche ihn damals kennen lernten, versichern ein-
stimmig, daß er der angenehmste, lebhafteste Ge-
sellschafter war, gerne mit Frauenzimmern scherz-
te, und sie oft zu necken suchte. Daß er Karoli-
nen ganz vergessen hatte, sich ihrer wirklich nicht
mehr erinnerte, bewieß er in der Folge oft und
vielmals, weil er alle versicherte, daß er in seinem
Leben noch nicht geliebt habe, aber nun wohl ein-
sehe, daß ohne Liebe das Leben nicht glücklich
seyn könne.

Einige seiner Freunde, welche von seiner un-
glücklichen Geschichte unterrichtet waren, wagten
es sogar, einst in seiner Gegenwart von Stras-
burg zu sprechen, aber Konrad ward dadurch
nicht zum Nachdenken bewegt, er versicherte zwar,
daß er einige Jahre dort gelebt habe, und die
Stadt eben nicht schön finde, aber er gedachte
seiner Liebe mit keinem Worte. Nur eine einzige
kleine Erinnerung schien er von dieser noch zu ha-
ben, weil ihm der Name Karoline in jedem Falle
äusserst zuwider war. Er las gerne Bücher, vor-
züglich Romane, aber er warf solche sogleich weg,
wenn er diesen Namen darinne fand; er tadelte oft
Frauenzimmer, welche andere schön und geistreich
fanden, und daher die Ursache seines Tadels zu
wissen verlangten. Sie kann schön und geistreich
seyn, antwortete er dann immer, aber mir bleibt
sie unausstehlich, denn sie nennt sich Karoline,

Bericht, man erinnerte ſich ſeiner Verdienſte, er
ward wieder bei ſeinem Regimente angeſtellt. Alle,
welche ihn damals kennen lernten, verſichern ein-
ſtimmig, daß er der angenehmſte, lebhafteſte Ge-
ſellſchafter war, gerne mit Frauenzimmern ſcherz-
te, und ſie oft zu necken ſuchte. Daß er Karoli-
nen ganz vergeſſen hatte, ſich ihrer wirklich nicht
mehr erinnerte, bewieß er in der Folge oft und
vielmals, weil er alle verſicherte, daß er in ſeinem
Leben noch nicht geliebt habe, aber nun wohl ein-
ſehe, daß ohne Liebe das Leben nicht gluͤcklich
ſeyn koͤnne.

Einige ſeiner Freunde, welche von ſeiner un-
gluͤcklichen Geſchichte unterrichtet waren, wagten
es ſogar, einſt in ſeiner Gegenwart von Stras-
burg zu ſprechen, aber Konrad ward dadurch
nicht zum Nachdenken bewegt, er verſicherte zwar,
daß er einige Jahre dort gelebt habe, und die
Stadt eben nicht ſchoͤn finde, aber er gedachte
ſeiner Liebe mit keinem Worte. Nur eine einzige
kleine Erinnerung ſchien er von dieſer noch zu ha-
ben, weil ihm der Name Karoline in jedem Falle
aͤuſſerſt zuwider war. Er las gerne Buͤcher, vor-
zuͤglich Romane, aber er warf ſolche ſogleich weg,
wenn er dieſen Namen darinne fand; er tadelte oft
Frauenzimmer, welche andere ſchoͤn und geiſtreich
fanden, und daher die Urſache ſeines Tadels zu
wiſſen verlangten. Sie kann ſchoͤn und geiſtreich
ſeyn, antwortete er dann immer, aber mir bleibt
ſie unausſtehlich, denn ſie nennt ſich Karoline,

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[156/0164] Bericht, man erinnerte ſich ſeiner Verdienſte, er ward wieder bei ſeinem Regimente angeſtellt. Alle, welche ihn damals kennen lernten, verſichern ein- ſtimmig, daß er der angenehmſte, lebhafteſte Ge- ſellſchafter war, gerne mit Frauenzimmern ſcherz- te, und ſie oft zu necken ſuchte. Daß er Karoli- nen ganz vergeſſen hatte, ſich ihrer wirklich nicht mehr erinnerte, bewieß er in der Folge oft und vielmals, weil er alle verſicherte, daß er in ſeinem Leben noch nicht geliebt habe, aber nun wohl ein- ſehe, daß ohne Liebe das Leben nicht gluͤcklich ſeyn koͤnne. Einige ſeiner Freunde, welche von ſeiner un- gluͤcklichen Geſchichte unterrichtet waren, wagten es ſogar, einſt in ſeiner Gegenwart von Stras- burg zu ſprechen, aber Konrad ward dadurch nicht zum Nachdenken bewegt, er verſicherte zwar, daß er einige Jahre dort gelebt habe, und die Stadt eben nicht ſchoͤn finde, aber er gedachte ſeiner Liebe mit keinem Worte. Nur eine einzige kleine Erinnerung ſchien er von dieſer noch zu ha- ben, weil ihm der Name Karoline in jedem Falle aͤuſſerſt zuwider war. Er las gerne Buͤcher, vor- zuͤglich Romane, aber er warf ſolche ſogleich weg, wenn er dieſen Namen darinne fand; er tadelte oft Frauenzimmer, welche andere ſchoͤn und geiſtreich fanden, und daher die Urſache ſeines Tadels zu wiſſen verlangten. Sie kann ſchoͤn und geiſtreich ſeyn, antwortete er dann immer, aber mir bleibt ſie unausſtehlich, denn ſie nennt ſich Karoline,

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/164>, abgerufen am 22.11.2024.