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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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Umständen zu berichten. Ehe noch die Sonne un-
tergieng, war der lange Brief vollendet, den er
oft mit Thränen benetzt hatte. Er übergab ihn
dem Feldprediger, bat ihn dringend um richtige
Bestellung, und dieser trug ihn sogleich, um ihn
zu beruhigen, auf die Feldpost, brachte ihm zur
Bestätigung sogar ein Rezipisse, welches die rich-
tige Uebergabe des Briefs bescheinigte. Konrad
dankte dafür herzlich und innig, überließ sich die
übrige Zeit ganz der Leitung des redlichen Prie-
sters, der ihn mit Gott zu versöhnen und zu sei-
nem Ende vorzubereiten suchte.

Als die Sonne am heitern Himmel empor
stieg, trat der Unglückliche muthig und standhaft
den Weg zum Tode an. Er zagte und zitterte
nicht, er hatte schon längst das Ende seiner Lei-
den gewünscht, nur thats seinem Herzen weh,
daß er auf so schreckliche Art enden mußte.

Wie der Henker ihn übernehmen wollte,
brachte wider alles Vermuthen ein Fähndrich
Gnade. Die Frau des Obristen ward Konrads
großmüthige Retterin. Ihr Gatte liebte sie zärt-
lich und herzlich, er hatte ihr kurz zuvor geschrie-
ben, daß sie unthätig und müßig im Lager stän-
den, sie nahm dieß als einen Wink zum Besuche
an, und überraschte ihn an eben diesem Morgen
mit ihrer Ankunft. Nach eingeführtem Gebrauche
muß allemal ein Fähndrich zu Pferde, wenn ein
Deliquent zum Tode geführt wird, vor der Woh-
nung des Obristen bereit stehen, um so schnell als

Umſtaͤnden zu berichten. Ehe noch die Sonne un-
tergieng, war der lange Brief vollendet, den er
oft mit Thraͤnen benetzt hatte. Er uͤbergab ihn
dem Feldprediger, bat ihn dringend um richtige
Beſtellung, und dieſer trug ihn ſogleich, um ihn
zu beruhigen, auf die Feldpoſt, brachte ihm zur
Beſtaͤtigung ſogar ein Rezipiſſe, welches die rich-
tige Uebergabe des Briefs beſcheinigte. Konrad
dankte dafuͤr herzlich und innig, uͤberließ ſich die
uͤbrige Zeit ganz der Leitung des redlichen Prie-
ſters, der ihn mit Gott zu verſoͤhnen und zu ſei-
nem Ende vorzubereiten ſuchte.

Als die Sonne am heitern Himmel empor
ſtieg, trat der Ungluͤckliche muthig und ſtandhaft
den Weg zum Tode an. Er zagte und zitterte
nicht, er hatte ſchon laͤngſt das Ende ſeiner Lei-
den gewuͤnſcht, nur thats ſeinem Herzen weh,
daß er auf ſo ſchreckliche Art enden mußte.

Wie der Henker ihn uͤbernehmen wollte,
brachte wider alles Vermuthen ein Faͤhndrich
Gnade. Die Frau des Obriſten ward Konrads
großmuͤthige Retterin. Ihr Gatte liebte ſie zaͤrt-
lich und herzlich, er hatte ihr kurz zuvor geſchrie-
ben, daß ſie unthaͤtig und muͤßig im Lager ſtaͤn-
den, ſie nahm dieß als einen Wink zum Beſuche
an, und uͤberraſchte ihn an eben dieſem Morgen
mit ihrer Ankunft. Nach eingefuͤhrtem Gebrauche
muß allemal ein Faͤhndrich zu Pferde, wenn ein
Deliquent zum Tode gefuͤhrt wird, vor der Woh-
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[142/0150] Umſtaͤnden zu berichten. Ehe noch die Sonne un- tergieng, war der lange Brief vollendet, den er oft mit Thraͤnen benetzt hatte. Er uͤbergab ihn dem Feldprediger, bat ihn dringend um richtige Beſtellung, und dieſer trug ihn ſogleich, um ihn zu beruhigen, auf die Feldpoſt, brachte ihm zur Beſtaͤtigung ſogar ein Rezipiſſe, welches die rich- tige Uebergabe des Briefs beſcheinigte. Konrad dankte dafuͤr herzlich und innig, uͤberließ ſich die uͤbrige Zeit ganz der Leitung des redlichen Prie- ſters, der ihn mit Gott zu verſoͤhnen und zu ſei- nem Ende vorzubereiten ſuchte. Als die Sonne am heitern Himmel empor ſtieg, trat der Ungluͤckliche muthig und ſtandhaft den Weg zum Tode an. Er zagte und zitterte nicht, er hatte ſchon laͤngſt das Ende ſeiner Lei- den gewuͤnſcht, nur thats ſeinem Herzen weh, daß er auf ſo ſchreckliche Art enden mußte. Wie der Henker ihn uͤbernehmen wollte, brachte wider alles Vermuthen ein Faͤhndrich Gnade. Die Frau des Obriſten ward Konrads großmuͤthige Retterin. Ihr Gatte liebte ſie zaͤrt- lich und herzlich, er hatte ihr kurz zuvor geſchrie- ben, daß ſie unthaͤtig und muͤßig im Lager ſtaͤn- den, ſie nahm dieß als einen Wink zum Beſuche an, und uͤberraſchte ihn an eben dieſem Morgen mit ihrer Ankunft. Nach eingefuͤhrtem Gebrauche muß allemal ein Faͤhndrich zu Pferde, wenn ein Deliquent zum Tode gefuͤhrt wird, vor der Woh- nung des Obriſten bereit ſtehen, um ſo ſchnell als

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/150>, abgerufen am 22.11.2024.