Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

nach Augsburg abreisen, er hatte den ernsten
Auftrag: Karolinen in Güte oder mit Gewalt
zur Rückreise zu bewegen; wenn er sie nicht mehr
träfe, ihrer fernern Spur rastlos zu folgen, wenn
aber, was alle befürchteten, die Aussage des
Schusters falsch sei, mit eben so schneller Eile
rückzukehren, um alsdenn mit Schärfe gegen Kon-
raden handeln zu können. Man übergab indeß
den letztern in gerichtliche Verwahrung, und harr-
te mit Ungeduld des rückkehrenden Buchhalters.
Dieser erschien schon am sechsten Tage, sein Ge-
sicht, welches sichtbar trauerte, verkündigte dem
fragenden Vater im Voraus eine Schreckenspost.
Er brachte die Nachricht mit sich, daß laut der
Aussage, welche der Wirth des Gasthofes vor
Gerichte geleistet hatte, es zwar vollkommen rich-
tig sei, daß Karoline nebst dem Schuster Konrad,
unter den Namen Spangenberg, ein und einen
halben Tag bei ihm gewohnt habe, seit dieser
Zeit aber verschwunden, und wahrscheinlich von
ihrem Begleiter sei ermordet worden. Die Grün-
de, welche den Wirth zu dieser schrecklichen Ver-
muthung berechtigten, waren folgende: Um
zwölf Uhr des nemlichen Tages, an welchem Kon-
rad durch den Wechsler war verhaftet worden,
hatte Konrad mit Karolinen auf dem Zimmer ge-
speist, sie waren gegen ein Uhr Arm in Arm bei
ihm vorüber gegangen, Konrad hatte, indem er
den Wirth grüßte, deutlich gesagt, daß sie spa-
zieren gehen, und erst gegen Abend heim kommen

nach Augsburg abreiſen, er hatte den ernſten
Auftrag: Karolinen in Guͤte oder mit Gewalt
zur Ruͤckreiſe zu bewegen; wenn er ſie nicht mehr
traͤfe, ihrer fernern Spur raſtlos zu folgen, wenn
aber, was alle befuͤrchteten, die Ausſage des
Schuſters falſch ſei, mit eben ſo ſchneller Eile
ruͤckzukehren, um alsdenn mit Schaͤrfe gegen Kon-
raden handeln zu koͤnnen. Man uͤbergab indeß
den letztern in gerichtliche Verwahrung, und harr-
te mit Ungeduld des ruͤckkehrenden Buchhalters.
Dieſer erſchien ſchon am ſechſten Tage, ſein Ge-
ſicht, welches ſichtbar trauerte, verkuͤndigte dem
fragenden Vater im Voraus eine Schreckenspoſt.
Er brachte die Nachricht mit ſich, daß laut der
Ausſage, welche der Wirth des Gaſthofes vor
Gerichte geleiſtet hatte, es zwar vollkommen rich-
tig ſei, daß Karoline nebſt dem Schuſter Konrad,
unter den Namen Spangenberg, ein und einen
halben Tag bei ihm gewohnt habe, ſeit dieſer
Zeit aber verſchwunden, und wahrſcheinlich von
ihrem Begleiter ſei ermordet worden. Die Gruͤn-
de, welche den Wirth zu dieſer ſchrecklichen Ver-
muthung berechtigten, waren folgende: Um
zwoͤlf Uhr des nemlichen Tages, an welchem Kon-
rad durch den Wechsler war verhaftet worden,
hatte Konrad mit Karolinen auf dem Zimmer ge-
ſpeiſt, ſie waren gegen ein Uhr Arm in Arm bei
ihm voruͤber gegangen, Konrad hatte, indem er
den Wirth gruͤßte, deutlich geſagt, daß ſie ſpa-
zieren gehen, und erſt gegen Abend heim kommen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="120"/>
nach Augsburg abrei&#x017F;en, er hatte den ern&#x017F;ten<lb/>
Auftrag: Karolinen in Gu&#x0364;te oder mit Gewalt<lb/>
zur Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e zu bewegen; wenn er &#x017F;ie nicht mehr<lb/>
tra&#x0364;fe, ihrer fernern Spur ra&#x017F;tlos zu folgen, wenn<lb/>
aber, was alle befu&#x0364;rchteten, die Aus&#x017F;age des<lb/>
Schu&#x017F;ters fal&#x017F;ch &#x017F;ei, mit eben &#x017F;o &#x017F;chneller Eile<lb/>
ru&#x0364;ckzukehren, um alsdenn mit Scha&#x0364;rfe gegen Kon-<lb/>
raden handeln zu ko&#x0364;nnen. Man u&#x0364;bergab indeß<lb/>
den letztern in gerichtliche Verwahrung, und harr-<lb/>
te mit Ungeduld des ru&#x0364;ckkehrenden Buchhalters.<lb/>
Die&#x017F;er er&#x017F;chien &#x017F;chon am &#x017F;ech&#x017F;ten Tage, &#x017F;ein Ge-<lb/>
&#x017F;icht, welches &#x017F;ichtbar trauerte, verku&#x0364;ndigte dem<lb/>
fragenden Vater im Voraus eine Schreckenspo&#x017F;t.<lb/>
Er brachte die Nachricht mit &#x017F;ich, daß laut der<lb/>
Aus&#x017F;age, welche der Wirth des Ga&#x017F;thofes vor<lb/>
Gerichte gelei&#x017F;tet hatte, es zwar vollkommen rich-<lb/>
tig &#x017F;ei, daß Karoline neb&#x017F;t dem Schu&#x017F;ter Konrad,<lb/>
unter den Namen Spangenberg, ein und einen<lb/>
halben Tag bei ihm gewohnt habe, &#x017F;eit die&#x017F;er<lb/>
Zeit aber ver&#x017F;chwunden, und wahr&#x017F;cheinlich von<lb/>
ihrem Begleiter &#x017F;ei ermordet worden. Die Gru&#x0364;n-<lb/>
de, welche den Wirth zu die&#x017F;er &#x017F;chrecklichen Ver-<lb/>
muthung berechtigten, waren folgende: Um<lb/>
zwo&#x0364;lf Uhr des nemlichen Tages, an welchem Kon-<lb/>
rad durch den Wechsler war verhaftet worden,<lb/>
hatte Konrad mit Karolinen auf dem Zimmer ge-<lb/>
&#x017F;pei&#x017F;t, &#x017F;ie waren gegen ein Uhr Arm in Arm bei<lb/>
ihm voru&#x0364;ber gegangen, Konrad hatte, indem er<lb/>
den Wirth gru&#x0364;ßte, deutlich ge&#x017F;agt, daß &#x017F;ie &#x017F;pa-<lb/>
zieren gehen, und er&#x017F;t gegen Abend heim kommen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0128] nach Augsburg abreiſen, er hatte den ernſten Auftrag: Karolinen in Guͤte oder mit Gewalt zur Ruͤckreiſe zu bewegen; wenn er ſie nicht mehr traͤfe, ihrer fernern Spur raſtlos zu folgen, wenn aber, was alle befuͤrchteten, die Ausſage des Schuſters falſch ſei, mit eben ſo ſchneller Eile ruͤckzukehren, um alsdenn mit Schaͤrfe gegen Kon- raden handeln zu koͤnnen. Man uͤbergab indeß den letztern in gerichtliche Verwahrung, und harr- te mit Ungeduld des ruͤckkehrenden Buchhalters. Dieſer erſchien ſchon am ſechſten Tage, ſein Ge- ſicht, welches ſichtbar trauerte, verkuͤndigte dem fragenden Vater im Voraus eine Schreckenspoſt. Er brachte die Nachricht mit ſich, daß laut der Ausſage, welche der Wirth des Gaſthofes vor Gerichte geleiſtet hatte, es zwar vollkommen rich- tig ſei, daß Karoline nebſt dem Schuſter Konrad, unter den Namen Spangenberg, ein und einen halben Tag bei ihm gewohnt habe, ſeit dieſer Zeit aber verſchwunden, und wahrſcheinlich von ihrem Begleiter ſei ermordet worden. Die Gruͤn- de, welche den Wirth zu dieſer ſchrecklichen Ver- muthung berechtigten, waren folgende: Um zwoͤlf Uhr des nemlichen Tages, an welchem Kon- rad durch den Wechsler war verhaftet worden, hatte Konrad mit Karolinen auf dem Zimmer ge- ſpeiſt, ſie waren gegen ein Uhr Arm in Arm bei ihm voruͤber gegangen, Konrad hatte, indem er den Wirth gruͤßte, deutlich geſagt, daß ſie ſpa- zieren gehen, und erſt gegen Abend heim kommen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/128
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/128>, abgerufen am 22.11.2024.