genommen. Ich ersuche Ew. E., wenn es anders diese Wechsel bei ihnen produziren sollte, solches sogleich anzuhalten, und es mir sammt den Wech- seln auf meine Unkosten nach Strasburg in größ- ter Eile und unter der besten Aufsicht zurückzu- schicken. Ich bin Vater, es ist mein einziges Kind, ich bitte daher Ew. E. es zwar mit Vor- sicht, aber auch mit möglicher Schonung zu be- handeln, und es nicht etwann dem Gerichte zu übergeben."
Meine Leser werden es nun leicht begreifen können, wie es kam, daß der Augsburger Freund ohne weitere Untersuchung Konraden für den ent- flohnen Sohn seines Korrespondenten ansah, ihn sogleich durch einige Vertraute nach Strasburg rücksandte. Karolinens Vater, welcher diesen Irrthum aus seines Freundes Briefe erkannte, aber eben so wenig glaubte, daß er selbst die ver- anlassende Ursache dazu sei, wunderte sich daher über die Nachlässigkeit seines sonst so pünktlichen Freundes sehr, doch tröstete ihn die Versicherung, daß der gegenwärtige Fremde der Ueberbringer der Wechsel war, und folglich als ihr Abgesandter, ihren verborgnen Aufenthalt kennen müsse.
Ehe er ihn noch darüber befragte, betheuerte Karolinens Mädchen hoch und theuer, daß dieser so schön gekleidete Fremde ein armer Schusterge- selle sei, welcher noch vor einigen Wochen bei dem im Hause wohnenden Meister gearbeitet ha- be, da dieser Aussage mehrere Hausleute beitra-
genommen. Ich erſuche Ew. E., wenn es anders dieſe Wechſel bei ihnen produziren ſollte, ſolches ſogleich anzuhalten, und es mir ſammt den Wech- ſeln auf meine Unkoſten nach Strasburg in groͤß- ter Eile und unter der beſten Aufſicht zuruͤckzu- ſchicken. Ich bin Vater, es iſt mein einziges Kind, ich bitte daher Ew. E. es zwar mit Vor- ſicht, aber auch mit moͤglicher Schonung zu be- handeln, und es nicht etwann dem Gerichte zu uͤbergeben.“
Meine Leſer werden es nun leicht begreifen koͤnnen, wie es kam, daß der Augsburger Freund ohne weitere Unterſuchung Konraden fuͤr den ent- flohnen Sohn ſeines Korreſpondenten anſah, ihn ſogleich durch einige Vertraute nach Strasburg ruͤckſandte. Karolinens Vater, welcher dieſen Irrthum aus ſeines Freundes Briefe erkannte, aber eben ſo wenig glaubte, daß er ſelbſt die ver- anlaſſende Urſache dazu ſei, wunderte ſich daher uͤber die Nachlaͤſſigkeit ſeines ſonſt ſo puͤnktlichen Freundes ſehr, doch troͤſtete ihn die Verſicherung, daß der gegenwaͤrtige Fremde der Ueberbringer der Wechſel war, und folglich als ihr Abgeſandter, ihren verborgnen Aufenthalt kennen muͤſſe.
Ehe er ihn noch daruͤber befragte, betheuerte Karolinens Maͤdchen hoch und theuer, daß dieſer ſo ſchoͤn gekleidete Fremde ein armer Schuſterge- ſelle ſei, welcher noch vor einigen Wochen bei dem im Hauſe wohnenden Meiſter gearbeitet ha- be, da dieſer Ausſage mehrere Hausleute beitra-
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genommen. Ich erſuche Ew. E., wenn es anders
dieſe Wechſel bei ihnen produziren ſollte, ſolches
ſogleich anzuhalten, und es mir ſammt den Wech-
ſeln auf meine Unkoſten nach Strasburg in groͤß-
ter Eile und unter der beſten Aufſicht zuruͤckzu-
ſchicken. Ich bin Vater, es iſt mein einziges
Kind, ich bitte daher Ew. E. es zwar mit Vor-
ſicht, aber auch mit moͤglicher Schonung zu be-
handeln, und es nicht etwann dem Gerichte zu
uͤbergeben.“
Meine Leſer werden es nun leicht begreifen
koͤnnen, wie es kam, daß der Augsburger Freund
ohne weitere Unterſuchung Konraden fuͤr den ent-
flohnen Sohn ſeines Korreſpondenten anſah, ihn
ſogleich durch einige Vertraute nach Strasburg
ruͤckſandte. Karolinens Vater, welcher dieſen
Irrthum aus ſeines Freundes Briefe erkannte,
aber eben ſo wenig glaubte, daß er ſelbſt die ver-
anlaſſende Urſache dazu ſei, wunderte ſich daher
uͤber die Nachlaͤſſigkeit ſeines ſonſt ſo puͤnktlichen
Freundes ſehr, doch troͤſtete ihn die Verſicherung,
daß der gegenwaͤrtige Fremde der Ueberbringer
der Wechſel war, und folglich als ihr Abgeſandter,
ihren verborgnen Aufenthalt kennen muͤſſe.
Ehe er ihn noch daruͤber befragte, betheuerte
Karolinens Maͤdchen hoch und theuer, daß dieſer
ſo ſchoͤn gekleidete Fremde ein armer Schuſterge-
ſelle ſei, welcher noch vor einigen Wochen bei
dem im Hauſe wohnenden Meiſter gearbeitet ha-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/126>, abgerufen am 26.06.2024.
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