Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796. Karoline. Wollen, können sie mir solche geloben, wenn ich aufrichtig gestehe, daß ich sie schon lange innig und zärtlich liebte. Konrad. Auch ich! Auch ich! Karoline. Sie antworten nicht? Konrad. Was soll ich antworten? Ich hö- re den süßen Ton ihrer Stimme, ich höre sie von Liebe zu mir sprechen. Ich kann dieß große Glück nicht fassen, ich muß es für einen Traum hal- ten. O Gott, wie unglücklich werde ich seyn, wenn ich erwache, und mich betrogen fühle. Karoline. Nein, lieber Konrad, nein! Was ich ihnen sagte, ist Wahrheit, kein Traum. Fassen sie sich, so sehr mir auch ihre Freude, ihre Verwirrung angenehm seyn muß, so habe ich doch ihres Raths und Beistandes noch nöthiger. Sie erzählte ihm alles, was sich mit ihrem Vater zugetragen, wie er vor einigen Stunden sie durch seinen Ausspruch zum unglücklichsten Mäd- chen gemacht habe, und fragte Konraden am En- de: ob er sich entschließen könne, sie zu retten, mit ihr nach Deutschland zu fliehen, und dort ihr Gatte zu werden? Konrad versprach das erstere, und gelobte das letztere mit tausend Freuden, mit der Versicherung seiner ewigen, innigsten Lie- be und Treue. Gerührt durch seine kunstlosen, aber um so tiefer wirkenden Ausdrücke, sank das holde Mädchen in seine Arme, ihre Lippen be- rührten die seinigen, der Bund der Liebe ward Karoline. Wollen, koͤnnen ſie mir ſolche geloben, wenn ich aufrichtig geſtehe, daß ich ſie ſchon lange innig und zaͤrtlich liebte. Konrad. Auch ich! Auch ich! Karoline. Sie antworten nicht? Konrad. Was ſoll ich antworten? Ich hoͤ- re den ſuͤßen Ton ihrer Stimme, ich hoͤre ſie von Liebe zu mir ſprechen. Ich kann dieß große Gluͤck nicht faſſen, ich muß es fuͤr einen Traum hal- ten. O Gott, wie ungluͤcklich werde ich ſeyn, wenn ich erwache, und mich betrogen fuͤhle. Karoline. Nein, lieber Konrad, nein! Was ich ihnen ſagte, iſt Wahrheit, kein Traum. Faſſen ſie ſich, ſo ſehr mir auch ihre Freude, ihre Verwirrung angenehm ſeyn muß, ſo habe ich doch ihres Raths und Beiſtandes noch noͤthiger. Sie erzaͤhlte ihm alles, was ſich mit ihrem Vater zugetragen, wie er vor einigen Stunden ſie durch ſeinen Ausſpruch zum ungluͤcklichſten Maͤd- chen gemacht habe, und fragte Konraden am En- de: ob er ſich entſchließen koͤnne, ſie zu retten, mit ihr nach Deutſchland zu fliehen, und dort ihr Gatte zu werden? Konrad verſprach das erſtere, und gelobte das letztere mit tauſend Freuden, mit der Verſicherung ſeiner ewigen, innigſten Lie- be und Treue. Geruͤhrt durch ſeine kunſtloſen, aber um ſo tiefer wirkenden Ausdruͤcke, ſank das holde Maͤdchen in ſeine Arme, ihre Lippen be- ruͤhrten die ſeinigen, der Bund der Liebe ward <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0118" n="110"/> <sp who="#KARO"> <speaker><hi rendition="#g">Karoline</hi>.</speaker> <p>Wollen, koͤnnen ſie mir ſolche<lb/> geloben, wenn ich aufrichtig geſtehe, daß ich ſie<lb/> ſchon lange innig und zaͤrtlich liebte.</p> </sp><lb/> <sp who="KON"> <speaker><hi rendition="#g">Konrad</hi>.</speaker> <p>Auch ich! Auch ich!</p> </sp><lb/> <sp who="#KARO"> <speaker><hi rendition="#g">Karoline</hi>.</speaker> <p>Sie antworten nicht?</p> </sp><lb/> <sp who="KON"> <speaker><hi rendition="#g">Konrad</hi>.</speaker> <p>Was ſoll ich antworten? Ich hoͤ-<lb/> re den ſuͤßen Ton ihrer Stimme, ich hoͤre ſie von<lb/> Liebe zu mir ſprechen. Ich kann dieß große Gluͤck<lb/> nicht faſſen, ich muß es fuͤr einen Traum hal-<lb/> ten. O Gott, wie ungluͤcklich werde ich ſeyn,<lb/> wenn ich erwache, und mich betrogen fuͤhle.</p> </sp><lb/> <sp who="#KARO"> <speaker><hi rendition="#g">Karoline</hi>.</speaker> <p>Nein, lieber Konrad, nein!<lb/> Was ich ihnen ſagte, iſt Wahrheit, kein Traum.<lb/> Faſſen ſie ſich, ſo ſehr mir auch ihre Freude,<lb/> ihre Verwirrung angenehm ſeyn muß, ſo habe ich<lb/> doch ihres Raths und Beiſtandes noch noͤthiger.</p><lb/> <p>Sie erzaͤhlte ihm alles, was ſich mit ihrem<lb/> Vater zugetragen, wie er vor einigen Stunden ſie<lb/> durch ſeinen Ausſpruch zum ungluͤcklichſten Maͤd-<lb/> chen gemacht habe, und fragte Konraden am En-<lb/> de: ob er ſich entſchließen koͤnne, ſie zu retten,<lb/> mit ihr nach Deutſchland zu fliehen, und dort ihr<lb/> Gatte zu werden? Konrad verſprach das erſtere,<lb/> und gelobte das letztere mit tauſend Freuden,<lb/> mit der Verſicherung ſeiner ewigen, innigſten Lie-<lb/> be und Treue. Geruͤhrt durch ſeine kunſtloſen,<lb/> aber um ſo tiefer wirkenden Ausdruͤcke, ſank das<lb/> holde Maͤdchen in ſeine Arme, ihre Lippen be-<lb/> ruͤhrten die ſeinigen, der Bund der Liebe ward<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [110/0118]
Karoline. Wollen, koͤnnen ſie mir ſolche
geloben, wenn ich aufrichtig geſtehe, daß ich ſie
ſchon lange innig und zaͤrtlich liebte.
Konrad. Auch ich! Auch ich!
Karoline. Sie antworten nicht?
Konrad. Was ſoll ich antworten? Ich hoͤ-
re den ſuͤßen Ton ihrer Stimme, ich hoͤre ſie von
Liebe zu mir ſprechen. Ich kann dieß große Gluͤck
nicht faſſen, ich muß es fuͤr einen Traum hal-
ten. O Gott, wie ungluͤcklich werde ich ſeyn,
wenn ich erwache, und mich betrogen fuͤhle.
Karoline. Nein, lieber Konrad, nein!
Was ich ihnen ſagte, iſt Wahrheit, kein Traum.
Faſſen ſie ſich, ſo ſehr mir auch ihre Freude,
ihre Verwirrung angenehm ſeyn muß, ſo habe ich
doch ihres Raths und Beiſtandes noch noͤthiger.
Sie erzaͤhlte ihm alles, was ſich mit ihrem
Vater zugetragen, wie er vor einigen Stunden ſie
durch ſeinen Ausſpruch zum ungluͤcklichſten Maͤd-
chen gemacht habe, und fragte Konraden am En-
de: ob er ſich entſchließen koͤnne, ſie zu retten,
mit ihr nach Deutſchland zu fliehen, und dort ihr
Gatte zu werden? Konrad verſprach das erſtere,
und gelobte das letztere mit tauſend Freuden,
mit der Verſicherung ſeiner ewigen, innigſten Lie-
be und Treue. Geruͤhrt durch ſeine kunſtloſen,
aber um ſo tiefer wirkenden Ausdruͤcke, ſank das
holde Maͤdchen in ſeine Arme, ihre Lippen be-
ruͤhrten die ſeinigen, der Bund der Liebe ward
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