Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.sie die Hochzeitmusik nicht hören konnte, und Ich. Ernährt sie und euch denn nicht der Die Alte. Lieber Gott, wo soll er's herneh- Ich. Aber die Aermste klagte vorhin, daß er Die Alte. Es thut dem mütterlichen Herzen ſie die Hochzeitmuſik nicht hoͤren konnte, und Ich. Ernaͤhrt ſie und euch denn nicht der Die Alte. Lieber Gott, wo ſoll er's herneh- Ich. Aber die Aermſte klagte vorhin, daß er Die Alte. Es thut dem muͤtterlichen Herzen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="22"/> ſie die Hochzeitmuſik nicht hoͤren konnte, und<lb/> daruͤber ganz raſend wurde: Von dieſer Zeit an<lb/> iſt's mit ihr ſo, wie Sie ſolche jetzt ſehen, ge-<lb/> blieben, bald ſchlimmer, bald auch etwas beſſer.<lb/> Manchmal arbeitet ſie einige Tage anhaltend und<lb/> fleißig, manche Woche auch gar nichts, und da<lb/> geht mir's ſehr hart, weil ich nicht ſo viel ver-<lb/> dienen kann, als wir zu unſerm nothwendigen<lb/> Unterhalte brauchen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Ernaͤhrt ſie und euch denn nicht der<lb/> Bruder, es iſt ja ſeine Schuldigkeit?</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte</hi>. Lieber Gott, wo ſoll er's herneh-<lb/> men, wenn er's auch thun wollte. Das Hand-<lb/> werk geht jetzt ſehr ſchlecht, er hat vollauf zu<lb/> ſtreiten, um ſein Weib und ſeine zwei kleine Kin-<lb/> der zu ernaͤhren, er kann uns mit nichts unter-<lb/> ſtuͤtzen. Bekaͤme ich nicht als eine arme Buͤr-<lb/> gersfrau alle Wochen einige Groſchen aus dem<lb/> Spitale, ſo muͤßten wir oft hungrig ſchlafen<lb/> gehen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Aber die Aermſte klagte vorhin, daß er<lb/> ſie unbarmherzig peitſchte, dies ſollte er doch<lb/> nicht thun, und ihr eben ſo wenig zulaſſen.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Alte</hi>. Es thut dem muͤtterlichen Herzen<lb/> ſehr weh, wenn es zu dieſem letzten Mittel ſchrei-<lb/> ten muß. Aber, lieber Herr, Hunger thut auch<lb/> weh! Wenn ſie ſo eine ganze Woche im Bette<lb/> liegt, oder umher ſchlendert, ſtaͤrker als mancher<lb/> Holzhauer ißt, und doch nichts arbeiten will, da<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0036]
ſie die Hochzeitmuſik nicht hoͤren konnte, und
daruͤber ganz raſend wurde: Von dieſer Zeit an
iſt's mit ihr ſo, wie Sie ſolche jetzt ſehen, ge-
blieben, bald ſchlimmer, bald auch etwas beſſer.
Manchmal arbeitet ſie einige Tage anhaltend und
fleißig, manche Woche auch gar nichts, und da
geht mir's ſehr hart, weil ich nicht ſo viel ver-
dienen kann, als wir zu unſerm nothwendigen
Unterhalte brauchen.
Ich. Ernaͤhrt ſie und euch denn nicht der
Bruder, es iſt ja ſeine Schuldigkeit?
Die Alte. Lieber Gott, wo ſoll er's herneh-
men, wenn er's auch thun wollte. Das Hand-
werk geht jetzt ſehr ſchlecht, er hat vollauf zu
ſtreiten, um ſein Weib und ſeine zwei kleine Kin-
der zu ernaͤhren, er kann uns mit nichts unter-
ſtuͤtzen. Bekaͤme ich nicht als eine arme Buͤr-
gersfrau alle Wochen einige Groſchen aus dem
Spitale, ſo muͤßten wir oft hungrig ſchlafen
gehen.
Ich. Aber die Aermſte klagte vorhin, daß er
ſie unbarmherzig peitſchte, dies ſollte er doch
nicht thun, und ihr eben ſo wenig zulaſſen.
Die Alte. Es thut dem muͤtterlichen Herzen
ſehr weh, wenn es zu dieſem letzten Mittel ſchrei-
ten muß. Aber, lieber Herr, Hunger thut auch
weh! Wenn ſie ſo eine ganze Woche im Bette
liegt, oder umher ſchlendert, ſtaͤrker als mancher
Holzhauer ißt, und doch nichts arbeiten will, da
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