mit einem freundlichen Grusse von dannen. Ich gieng nach dem Wirthshause, sprach mit dem Wir- the von der seltnen Alten, und erfuhr durch ihn, daß mir der Pfarrer die strengste Wahrheit erzählt habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur meinte er, daß ihr Wahnsinn wohl nur Verstel- lung seyn könne, weil sie oft äußerst vernünftig spräche, und über die wichtigsten Dinge ein so ge- lehrtes Urtheil fälle, daß selbst die Professores im Kloster darüber erstaunen müßten.
Ohne meine äußerst geweckte Neugierde nur im geringsten weiter befriedigen zu können, mußte ich endlich abreisen, und da mich der Weg einige Jahre nicht in die Gegend führte, so blieb mir die Geschichte der Alten immer ein unauflößliches Räthsel.
Vor zwei Jahren, als ich wieder in diese Ge- gend kam, und die Hütte der Alten durch den Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß sie bald nach meiner Abreise zur Nachtszeit in einer schönen Kutsche mit vier Pferden bespannt, a[ - 2 Zeichen fehlen] dem Dorfe sei abgeholt worden. Niemand, sel[b][ - 2 Zeichen fehlen] der Pfar- rer konnte oder wollte mir mehr erzählen. Erst vor kurzem erfuhr ich durch einen besondern Zu- fall die höchst merkwürdige, und wahre Geschichte der Alten. Ich würde sie meinen Lesern sogleich mittheilen, wenn nicht noch einige besondere Be- gebenheiten nähere Aufklärung erforderten. Ich will diese wunderbare Geschichte gerne ohne den ge- ringsten Zusatz mit der strengsten Wahrheitsliebe erzählen, und müßte unwahrscheinlich werden, wenn ich die Aufklärung verschiedener dunkler Um- stände nicht abwarten wollte. In dem zweiten Bändchen wird also die Vollendung dieser Ge- schichte folgen.
Ende des ersten Bändchens.
mit einem freundlichen Gruſſe von dannen. Ich gieng nach dem Wirthshauſe, ſprach mit dem Wir- the von der ſeltnen Alten, und erfuhr durch ihn, daß mir der Pfarrer die ſtrengſte Wahrheit erzaͤhlt habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur meinte er, daß ihr Wahnſinn wohl nur Verſtel- lung ſeyn koͤnne, weil ſie oft aͤußerſt vernuͤnftig ſpraͤche, und uͤber die wichtigſten Dinge ein ſo ge- lehrtes Urtheil faͤlle, daß ſelbſt die Profeſſores im Kloſter daruͤber erſtaunen muͤßten.
Ohne meine aͤußerſt geweckte Neugierde nur im geringſten weiter befriedigen zu koͤnnen, mußte ich endlich abreiſen, und da mich der Weg einige Jahre nicht in die Gegend fuͤhrte, ſo blieb mir die Geſchichte der Alten immer ein unaufloͤßliches Raͤthſel.
Vor zwei Jahren, als ich wieder in dieſe Ge- gend kam, und die Huͤtte der Alten durch den Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß ſie bald nach meiner Abreiſe zur Nachtszeit in einer ſchoͤnen Kutſche mit vier Pferden beſpannt, a[ – 2 Zeichen fehlen] dem Dorfe ſei abgeholt worden. Niemand, ſel[b][ – 2 Zeichen fehlen] der Pfar- rer konnte oder wollte mir mehr erzaͤhlen. Erſt vor kurzem erfuhr ich durch einen beſondern Zu- fall die hoͤchſt merkwuͤrdige, und wahre Geſchichte der Alten. Ich wuͤrde ſie meinen Leſern ſogleich mittheilen, wenn nicht noch einige beſondere Be- gebenheiten naͤhere Aufklaͤrung erforderten. Ich will dieſe wunderbare Geſchichte gerne ohne den ge- ringſten Zuſatz mit der ſtrengſten Wahrheitsliebe erzaͤhlen, und muͤßte unwahrſcheinlich werden, wenn ich die Aufklaͤrung verſchiedener dunkler Um- ſtaͤnde nicht abwarten wollte. In dem zweiten Baͤndchen wird alſo die Vollendung dieſer Ge- ſchichte folgen.
Ende des erſten Baͤndchens.
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mit einem freundlichen Gruſſe von dannen. Ich
gieng nach dem Wirthshauſe, ſprach mit dem Wir-
the von der ſeltnen Alten, und erfuhr durch ihn,
daß mir der Pfarrer die ſtrengſte Wahrheit erzaͤhlt
habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur
meinte er, daß ihr Wahnſinn wohl nur Verſtel-
lung ſeyn koͤnne, weil ſie oft aͤußerſt vernuͤnftig
ſpraͤche, und uͤber die wichtigſten Dinge ein ſo ge-
lehrtes Urtheil faͤlle, daß ſelbſt die Profeſſores im
Kloſter daruͤber erſtaunen muͤßten.
Ohne meine aͤußerſt geweckte Neugierde nur
im geringſten weiter befriedigen zu koͤnnen, mußte
ich endlich abreiſen, und da mich der Weg einige
Jahre nicht in die Gegend fuͤhrte, ſo blieb mir
die Geſchichte der Alten immer ein unaufloͤßliches
Raͤthſel.
Vor zwei Jahren, als ich wieder in dieſe Ge-
gend kam, und die Huͤtte der Alten durch den
Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß ſie bald
nach meiner Abreiſe zur Nachtszeit in einer ſchoͤnen
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rer konnte oder wollte mir mehr erzaͤhlen. Erſt
vor kurzem erfuhr ich durch einen beſondern Zu-
fall die hoͤchſt merkwuͤrdige, und wahre Geſchichte
der Alten. Ich wuͤrde ſie meinen Leſern ſogleich
mittheilen, wenn nicht noch einige beſondere Be-
gebenheiten naͤhere Aufklaͤrung erforderten. Ich
will dieſe wunderbare Geſchichte gerne ohne den ge-
ringſten Zuſatz mit der ſtrengſten Wahrheitsliebe
erzaͤhlen, und muͤßte unwahrſcheinlich werden,
wenn ich die Aufklaͤrung verſchiedener dunkler Um-
ſtaͤnde nicht abwarten wollte. In dem zweiten
Baͤndchen wird alſo die Vollendung dieſer Ge-
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Ende des erſten Baͤndchens.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/222>, abgerufen am 16.02.2025.
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