Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

mit einem freundlichen Grusse von dannen. Ich
gieng nach dem Wirthshause, sprach mit dem Wir-
the von der seltnen Alten, und erfuhr durch ihn,
daß mir der Pfarrer die strengste Wahrheit erzählt
habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur
meinte er, daß ihr Wahnsinn wohl nur Verstel-
lung seyn könne, weil sie oft äußerst vernünftig
spräche, und über die wichtigsten Dinge ein so ge-
lehrtes Urtheil fälle, daß selbst die Professores im
Kloster darüber erstaunen müßten.

Ohne meine äußerst geweckte Neugierde nur
im geringsten weiter befriedigen zu können, mußte
ich endlich abreisen, und da mich der Weg einige
Jahre nicht in die Gegend führte, so blieb mir
die Geschichte der Alten immer ein unauflößliches
Räthsel.

Vor zwei Jahren, als ich wieder in diese Ge-
gend kam, und die Hütte der Alten durch den
Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß sie bald
nach meiner Abreise zur Nachtszeit in einer schönen
Kutsche mit vier Pferden bespannt, a[ - 2 Zeichen fehlen] dem Dorfe
sei abgeholt worden. Niemand, sel[b][ - 2 Zeichen fehlen] der Pfar-
rer konnte oder wollte mir mehr erzählen. Erst
vor kurzem erfuhr ich durch einen besondern Zu-
fall die höchst merkwürdige, und wahre Geschichte
der Alten. Ich würde sie meinen Lesern sogleich
mittheilen, wenn nicht noch einige besondere Be-
gebenheiten nähere Aufklärung erforderten. Ich
will diese wunderbare Geschichte gerne ohne den ge-
ringsten Zusatz mit der strengsten Wahrheitsliebe
erzählen, und müßte unwahrscheinlich werden,
wenn ich die Aufklärung verschiedener dunkler Um-
stände nicht abwarten wollte. In dem zweiten
Bändchen wird also die Vollendung dieser Ge-
schichte folgen.

Ende des ersten Bändchens.


mit einem freundlichen Gruſſe von dannen. Ich
gieng nach dem Wirthshauſe, ſprach mit dem Wir-
the von der ſeltnen Alten, und erfuhr durch ihn,
daß mir der Pfarrer die ſtrengſte Wahrheit erzaͤhlt
habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur
meinte er, daß ihr Wahnſinn wohl nur Verſtel-
lung ſeyn koͤnne, weil ſie oft aͤußerſt vernuͤnftig
ſpraͤche, und uͤber die wichtigſten Dinge ein ſo ge-
lehrtes Urtheil faͤlle, daß ſelbſt die Profeſſores im
Kloſter daruͤber erſtaunen muͤßten.

Ohne meine aͤußerſt geweckte Neugierde nur
im geringſten weiter befriedigen zu koͤnnen, mußte
ich endlich abreiſen, und da mich der Weg einige
Jahre nicht in die Gegend fuͤhrte, ſo blieb mir
die Geſchichte der Alten immer ein unaufloͤßliches
Raͤthſel.

Vor zwei Jahren, als ich wieder in dieſe Ge-
gend kam, und die Huͤtte der Alten durch den
Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß ſie bald
nach meiner Abreiſe zur Nachtszeit in einer ſchoͤnen
Kutſche mit vier Pferden beſpannt, a[ – 2 Zeichen fehlen] dem Dorfe
ſei abgeholt worden. Niemand, ſel[b][ – 2 Zeichen fehlen] der Pfar-
rer konnte oder wollte mir mehr erzaͤhlen. Erſt
vor kurzem erfuhr ich durch einen beſondern Zu-
fall die hoͤchſt merkwuͤrdige, und wahre Geſchichte
der Alten. Ich wuͤrde ſie meinen Leſern ſogleich
mittheilen, wenn nicht noch einige beſondere Be-
gebenheiten naͤhere Aufklaͤrung erforderten. Ich
will dieſe wunderbare Geſchichte gerne ohne den ge-
ringſten Zuſatz mit der ſtrengſten Wahrheitsliebe
erzaͤhlen, und muͤßte unwahrſcheinlich werden,
wenn ich die Aufklaͤrung verſchiedener dunkler Um-
ſtaͤnde nicht abwarten wollte. In dem zweiten
Baͤndchen wird alſo die Vollendung dieſer Ge-
ſchichte folgen.

Ende des erſten Baͤndchens.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0222" n="208"/>
mit einem freundlichen Gru&#x017F;&#x017F;e von                     dannen. Ich<lb/>
gieng nach dem Wirthshau&#x017F;e, &#x017F;prach mit dem Wir-<lb/>
the von der                     &#x017F;eltnen Alten, und erfuhr durch ihn,<lb/>
daß mir der Pfarrer die &#x017F;treng&#x017F;te                     Wahrheit erza&#x0364;hlt<lb/>
habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur<lb/>
meinte                     er, daß ihr Wahn&#x017F;inn wohl nur Ver&#x017F;tel-<lb/>
lung &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, weil &#x017F;ie oft                     a&#x0364;ußer&#x017F;t vernu&#x0364;nftig<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;che, und u&#x0364;ber die wichtig&#x017F;ten Dinge ein &#x017F;o                     ge-<lb/>
lehrtes Urtheil fa&#x0364;lle, daß &#x017F;elb&#x017F;t die Profe&#x017F;&#x017F;ores im<lb/>
Klo&#x017F;ter                     daru&#x0364;ber er&#x017F;taunen mu&#x0364;ßten.</p><lb/>
        <p>Ohne meine a&#x0364;ußer&#x017F;t geweckte Neugierde nur<lb/>
im gering&#x017F;ten weiter befriedigen                     zu ko&#x0364;nnen, mußte<lb/>
ich endlich abrei&#x017F;en, und da mich der Weg einige<lb/>
Jahre                     nicht in die Gegend fu&#x0364;hrte, &#x017F;o blieb mir<lb/>
die Ge&#x017F;chichte der Alten immer ein                     unauflo&#x0364;ßliches<lb/>
Ra&#x0364;th&#x017F;el.</p><lb/>
        <p>Vor zwei Jahren, als ich wieder in die&#x017F;e Ge-<lb/>
gend kam, und die Hu&#x0364;tte der                     Alten durch den<lb/>
Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß &#x017F;ie bald<lb/>
nach                     meiner Abrei&#x017F;e zur Nachtszeit in einer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Kut&#x017F;che mit vier Pferden                     be&#x017F;pannt, a<gap unit="chars" quantity="2"/> dem Dorfe<lb/>
&#x017F;ei abgeholt worden.                     Niemand, &#x017F;el<supplied>b</supplied><gap unit="chars" quantity="2"/> der                     Pfar-<lb/>
rer konnte oder wollte mir mehr erza&#x0364;hlen. Er&#x017F;t<lb/>
vor kurzem erfuhr                     ich durch einen be&#x017F;ondern Zu-<lb/>
fall die ho&#x0364;ch&#x017F;t merkwu&#x0364;rdige, und wahre                     Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Alten. Ich wu&#x0364;rde &#x017F;ie meinen Le&#x017F;ern &#x017F;ogleich<lb/>
mittheilen,                     wenn nicht noch einige be&#x017F;ondere Be-<lb/>
gebenheiten na&#x0364;here Aufkla&#x0364;rung                     erforderten. Ich<lb/>
will die&#x017F;e wunderbare Ge&#x017F;chichte gerne ohne den                     ge-<lb/>
ring&#x017F;ten Zu&#x017F;atz mit der &#x017F;treng&#x017F;ten Wahrheitsliebe<lb/>
erza&#x0364;hlen, und                     mu&#x0364;ßte unwahr&#x017F;cheinlich werden,<lb/>
wenn ich die Aufkla&#x0364;rung ver&#x017F;chiedener                     dunkler Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde nicht abwarten wollte. In dem zweiten<lb/>
Ba&#x0364;ndchen wird                     al&#x017F;o die Vollendung die&#x017F;er Ge-<lb/>
&#x017F;chichte folgen.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#c">Ende des er&#x017F;ten Ba&#x0364;ndchens.</hi> </hi> </hi> </p>
      </div><lb/>
    </body>
    <back>
</back>
  </text>
</TEI>
[208/0222] mit einem freundlichen Gruſſe von dannen. Ich gieng nach dem Wirthshauſe, ſprach mit dem Wir- the von der ſeltnen Alten, und erfuhr durch ihn, daß mir der Pfarrer die ſtrengſte Wahrheit erzaͤhlt habe, mehr wußte er aber ebenfalls nicht, nur meinte er, daß ihr Wahnſinn wohl nur Verſtel- lung ſeyn koͤnne, weil ſie oft aͤußerſt vernuͤnftig ſpraͤche, und uͤber die wichtigſten Dinge ein ſo ge- lehrtes Urtheil faͤlle, daß ſelbſt die Profeſſores im Kloſter daruͤber erſtaunen muͤßten. Ohne meine aͤußerſt geweckte Neugierde nur im geringſten weiter befriedigen zu koͤnnen, mußte ich endlich abreiſen, und da mich der Weg einige Jahre nicht in die Gegend fuͤhrte, ſo blieb mir die Geſchichte der Alten immer ein unaufloͤßliches Raͤthſel. Vor zwei Jahren, als ich wieder in dieſe Ge- gend kam, und die Huͤtte der Alten durch den Dorfhirten bewohnt fand, erfuhr ich, daß ſie bald nach meiner Abreiſe zur Nachtszeit in einer ſchoͤnen Kutſche mit vier Pferden beſpannt, a__ dem Dorfe ſei abgeholt worden. Niemand, ſelb__ der Pfar- rer konnte oder wollte mir mehr erzaͤhlen. Erſt vor kurzem erfuhr ich durch einen beſondern Zu- fall die hoͤchſt merkwuͤrdige, und wahre Geſchichte der Alten. Ich wuͤrde ſie meinen Leſern ſogleich mittheilen, wenn nicht noch einige beſondere Be- gebenheiten naͤhere Aufklaͤrung erforderten. Ich will dieſe wunderbare Geſchichte gerne ohne den ge- ringſten Zuſatz mit der ſtrengſten Wahrheitsliebe erzaͤhlen, und muͤßte unwahrſcheinlich werden, wenn ich die Aufklaͤrung verſchiedener dunkler Um- ſtaͤnde nicht abwarten wollte. In dem zweiten Baͤndchen wird alſo die Vollendung dieſer Ge- ſchichte folgen. Ende des erſten Baͤndchens.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/222
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/222>, abgerufen am 27.04.2024.