von welcher sie abzustammen vorgab, verbreitete, die Wahnsinnige überdies den guten Abt von nun an einen grausamen, barbarischen und ungerechten Onkel nannte, so räumte ihr dieser in diesem ein- samen Dorfe, wo selten ein Reisender vorbei kommt, eine Wohnung ein. Er hat sie hübsch und sauber einrichten lassen, aber sie duldet nicht das geringste Geräthe darinne, wirft alles hin- aus, und behält nur das Bette, in welchem aber nicht sie, sondern der Haubenstock schläft, wel- chen sie für ihr Kind ausgiebt. Ich habe den Auftrag vom Abte, ihr täglich hinlängliche Spei- sen zu senden, sie nimmt solche allemal an, schüt- tet oder schenkt sie aber auch allemal wieder weg; sie lebt meistens vom trocknen Brode, welches sie bei den Bauern bettelt, und genießt keine Sem- mel, wenn ihr auch ein gutherziges Weib ein Stückchen schenkt. Alles Geld, was sie dann und wann von Fremden erhält, schenkt sie sogleich wieder weg, erst gestern bekam sie von einer be- nachbarten Edelfrau einen Dukaten, und ich bin überzeugt, daß sie solchen bereits weggeschenkt hat. Sie geht fast täglich nach Holz in den Wald, sucht solches in den entferntesten Gegen- den zusammen, trägt's mit größter Mühe bis in's Dorf, und wirft es dann weg. Wenn ich im Winter nicht für ihren Ofen sorgte, so würde sie sicher erfrieren.
Ich. Wie heißt denn das Schloß, welches da hinten im Thale liegt?
von welcher ſie abzuſtammen vorgab, verbreitete, die Wahnſinnige uͤberdies den guten Abt von nun an einen grauſamen, barbariſchen und ungerechten Onkel nannte, ſo raͤumte ihr dieſer in dieſem ein- ſamen Dorfe, wo ſelten ein Reiſender vorbei kommt, eine Wohnung ein. Er hat ſie huͤbſch und ſauber einrichten laſſen, aber ſie duldet nicht das geringſte Geraͤthe darinne, wirft alles hin- aus, und behaͤlt nur das Bette, in welchem aber nicht ſie, ſondern der Haubenſtock ſchlaͤft, wel- chen ſie fuͤr ihr Kind ausgiebt. Ich habe den Auftrag vom Abte, ihr taͤglich hinlaͤngliche Spei- ſen zu ſenden, ſie nimmt ſolche allemal an, ſchuͤt- tet oder ſchenkt ſie aber auch allemal wieder weg; ſie lebt meiſtens vom trocknen Brode, welches ſie bei den Bauern bettelt, und genießt keine Sem- mel, wenn ihr auch ein gutherziges Weib ein Stuͤckchen ſchenkt. Alles Geld, was ſie dann und wann von Fremden erhaͤlt, ſchenkt ſie ſogleich wieder weg, erſt geſtern bekam ſie von einer be- nachbarten Edelfrau einen Dukaten, und ich bin uͤberzeugt, daß ſie ſolchen bereits weggeſchenkt hat. Sie geht faſt taͤglich nach Holz in den Wald, ſucht ſolches in den entfernteſten Gegen- den zuſammen, traͤgt's mit groͤßter Muͤhe bis in's Dorf, und wirft es dann weg. Wenn ich im Winter nicht fuͤr ihren Ofen ſorgte, ſo wuͤrde ſie ſicher erfrieren.
Ich. Wie heißt denn das Schloß, welches da hinten im Thale liegt?
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von welcher ſie abzuſtammen vorgab, verbreitete,
die Wahnſinnige uͤberdies den guten Abt von nun
an einen grauſamen, barbariſchen und ungerechten
Onkel nannte, ſo raͤumte ihr dieſer in dieſem ein-
ſamen Dorfe, wo ſelten ein Reiſender vorbei
kommt, eine Wohnung ein. Er hat ſie huͤbſch
und ſauber einrichten laſſen, aber ſie duldet nicht
das geringſte Geraͤthe darinne, wirft alles hin-
aus, und behaͤlt nur das Bette, in welchem aber
nicht ſie, ſondern der Haubenſtock ſchlaͤft, wel-
chen ſie fuͤr ihr Kind ausgiebt. Ich habe den
Auftrag vom Abte, ihr taͤglich hinlaͤngliche Spei-
ſen zu ſenden, ſie nimmt ſolche allemal an, ſchuͤt-
tet oder ſchenkt ſie aber auch allemal wieder weg;
ſie lebt meiſtens vom trocknen Brode, welches ſie
bei den Bauern bettelt, und genießt keine Sem-
mel, wenn ihr auch ein gutherziges Weib ein
Stuͤckchen ſchenkt. Alles Geld, was ſie dann
und wann von Fremden erhaͤlt, ſchenkt ſie ſogleich
wieder weg, erſt geſtern bekam ſie von einer be-
nachbarten Edelfrau einen Dukaten, und ich bin
uͤberzeugt, daß ſie ſolchen bereits weggeſchenkt
hat. Sie geht faſt taͤglich nach Holz in den
Wald, ſucht ſolches in den entfernteſten Gegen-
den zuſammen, traͤgt's mit groͤßter Muͤhe bis
in's Dorf, und wirft es dann weg. Wenn ich
im Winter nicht fuͤr ihren Ofen ſorgte, ſo wuͤrde
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/219>, abgerufen am 16.02.2025.
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