das in ansehnlichen Kapitalien bestand, meinem Onkel vermacht. Schon aus dieser Rücksicht hätte er mich besser behandeln sollen, aber er empfieng mich mit dem empfindlichsten Spotte, schimpfte weidlich über die hohe Landesstelle, welche ihn zwingen wollte, eine Bettlerin auf seinen Gütern zu ernähren. Er schwur, daß er mich nicht in seinem Schlosse dulden werde, und sandte mich nach diesem entlegnen Dorfe, wo mir ein elendes Hirtenhaus zu meiner Wohnung angewiesen wur- de. Seiner Anweisung zufolge, soll ich monat- lich in seinem Rentamte zehn Gulden erheben, aber ich bin schon einige Jahre hier, und habe von ihm noch keinen Pfennig angenommen, ich schäme mich nicht, zu betteln, aber ich würde mich schämen, von dem Urheber meines Unglücks Wohlthaten anzunehmen. Denn dies war sein Werk, er hat -- wie ich später erfuhr -- in Ge- sellschaft meiner Mutter alle meine Schuldbriefe eingelößt, um mit einmal sie alle aufkündigen, und auf Bezahlung dringen zu können. Er hat meinen Verwalter bestochen, durch seine Hülfe wurden die Güter im niedrigsten Preise abgeschätzt, und dadurch fremde Käufer abgeschreckt, mehr da- für zu bieten. Er hat es sogar dahin gebracht, daß die Herrschaft nicht wie gewöhnlich sequestrirt, sondern sogleich verkauft wurde. Sagen Sie selbst: ob ich nicht Ursache habe, diesen Mann zu hassen? Ob's möglich ist, daß ich eine elende Summe von ihm als Wohlthat annehmen kann,
das in anſehnlichen Kapitalien beſtand, meinem Onkel vermacht. Schon aus dieſer Ruͤckſicht haͤtte er mich beſſer behandeln ſollen, aber er empfieng mich mit dem empfindlichſten Spotte, ſchimpfte weidlich uͤber die hohe Landesſtelle, welche ihn zwingen wollte, eine Bettlerin auf ſeinen Guͤtern zu ernaͤhren. Er ſchwur, daß er mich nicht in ſeinem Schloſſe dulden werde, und ſandte mich nach dieſem entlegnen Dorfe, wo mir ein elendes Hirtenhaus zu meiner Wohnung angewieſen wur- de. Seiner Anweiſung zufolge, ſoll ich monat- lich in ſeinem Rentamte zehn Gulden erheben, aber ich bin ſchon einige Jahre hier, und habe von ihm noch keinen Pfennig angenommen, ich ſchaͤme mich nicht, zu betteln, aber ich wuͤrde mich ſchaͤmen, von dem Urheber meines Ungluͤcks Wohlthaten anzunehmen. Denn dies war ſein Werk, er hat — wie ich ſpaͤter erfuhr — in Ge- ſellſchaft meiner Mutter alle meine Schuldbriefe eingeloͤßt, um mit einmal ſie alle aufkuͤndigen, und auf Bezahlung dringen zu koͤnnen. Er hat meinen Verwalter beſtochen, durch ſeine Huͤlfe wurden die Guͤter im niedrigſten Preiſe abgeſchaͤtzt, und dadurch fremde Kaͤufer abgeſchreckt, mehr da- fuͤr zu bieten. Er hat es ſogar dahin gebracht, daß die Herrſchaft nicht wie gewoͤhnlich ſequeſtrirt, ſondern ſogleich verkauft wurde. Sagen Sie ſelbſt: ob ich nicht Urſache habe, dieſen Mann zu haſſen? Ob's moͤglich iſt, daß ich eine elende Summe von ihm als Wohlthat annehmen kann,
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das in anſehnlichen Kapitalien beſtand, meinem
Onkel vermacht. Schon aus dieſer Ruͤckſicht haͤtte
er mich beſſer behandeln ſollen, aber er empfieng
mich mit dem empfindlichſten Spotte, ſchimpfte
weidlich uͤber die hohe Landesſtelle, welche ihn
zwingen wollte, eine Bettlerin auf ſeinen Guͤtern
zu ernaͤhren. Er ſchwur, daß er mich nicht in
ſeinem Schloſſe dulden werde, und ſandte mich
nach dieſem entlegnen Dorfe, wo mir ein elendes
Hirtenhaus zu meiner Wohnung angewieſen wur-
de. Seiner Anweiſung zufolge, ſoll ich monat-
lich in ſeinem Rentamte zehn Gulden erheben,
aber ich bin ſchon einige Jahre hier, und habe
von ihm noch keinen Pfennig angenommen, ich
ſchaͤme mich nicht, zu betteln, aber ich wuͤrde
mich ſchaͤmen, von dem Urheber meines Ungluͤcks
Wohlthaten anzunehmen. Denn dies war ſein
Werk, er hat — wie ich ſpaͤter erfuhr — in Ge-
ſellſchaft meiner Mutter alle meine Schuldbriefe
eingeloͤßt, um mit einmal ſie alle aufkuͤndigen,
und auf Bezahlung dringen zu koͤnnen. Er hat
meinen Verwalter beſtochen, durch ſeine Huͤlfe
wurden die Guͤter im niedrigſten Preiſe abgeſchaͤtzt,
und dadurch fremde Kaͤufer abgeſchreckt, mehr da-
fuͤr zu bieten. Er hat es ſogar dahin gebracht,
daß die Herrſchaft nicht wie gewoͤhnlich ſequeſtrirt,
ſondern ſogleich verkauft wurde. Sagen Sie
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/213>, abgerufen am 16.02.2025.
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