Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.nigen, welche mit mir simpathisiren, und verdie- Mein Hochzeittag war der wonnevollste Tag nigen, welche mit mir ſimpathiſiren, und verdie- Mein Hochzeittag war der wonnevollſte Tag <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0204" n="190"/> nigen, welche mit mir ſimpathiſiren, und verdie-<lb/> nen daher mein ganzes Vertrauen: Ich will Sie<lb/> nicht laͤnger mit der Schilderung unſrer Liebe un-<lb/> terhalten, ſie war groß und innig, ſie ſchien mit<lb/> jedem Tage ſich zu mehren. Vier Wochen nach-<lb/> her war ich Karls Frau, die huldreiche Monar-<lb/> chin hatte mich großjaͤhrig ſprechen laſſen, ich<lb/> konnte nach Gefallen mit meinem großen Vermoͤ-<lb/> gen ſchalten, und verſchrieb es meinem Karl<lb/> ganz, wenn ich ohne maͤnnliche Erben ſterben<lb/> ſollte.</p><lb/> <p>Mein Hochzeittag war der wonnevollſte Tag<lb/> meines Lebens, aber meine unnatuͤrliche Mutter<lb/> truͤbte ihn maͤchtig. Kurz zuvor, ehe wir nach<lb/> der Kirche fahren wollten, erhielt ich einen Brief<lb/> von ihr, welcher die ſchrecklichſten Fluͤche uͤber<lb/> mich enthielt. Sie habe mich, ſchrieb ſie, zwar<lb/> in Gegenwart der Monarchin geſegnet, aber ſie<lb/> nehme nun dieſen Segen zuruͤck, und wandle ihn<lb/> in Fluch um, weil ich mich auf die hinterliſtigſte<lb/> Art ihrer Vormundſchaft entzogen, und mein Ver-<lb/> moͤgen, das ſie ihren Anverwandten zugedacht<lb/> habe, an einen Fremden verſchrieben haͤtte.<lb/> Nun folgte eine Reihe der ſchrecklichſten Fluͤche,<lb/> deren Erinnerung mir jetzt noch Schauder erregt.<lb/> Dein Vermoͤgen, ſchrieb ſie, ſoll ſchwinden, wie<lb/> Waſſer im loͤchrichten Siebe, du ſollſt wahnſin-<lb/> nige Kinder gebaͤhren, am Ende deiner Tage bet-<lb/> teln gehen, und den letzten derſelben in Verzweif-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [190/0204]
nigen, welche mit mir ſimpathiſiren, und verdie-
nen daher mein ganzes Vertrauen: Ich will Sie
nicht laͤnger mit der Schilderung unſrer Liebe un-
terhalten, ſie war groß und innig, ſie ſchien mit
jedem Tage ſich zu mehren. Vier Wochen nach-
her war ich Karls Frau, die huldreiche Monar-
chin hatte mich großjaͤhrig ſprechen laſſen, ich
konnte nach Gefallen mit meinem großen Vermoͤ-
gen ſchalten, und verſchrieb es meinem Karl
ganz, wenn ich ohne maͤnnliche Erben ſterben
ſollte.
Mein Hochzeittag war der wonnevollſte Tag
meines Lebens, aber meine unnatuͤrliche Mutter
truͤbte ihn maͤchtig. Kurz zuvor, ehe wir nach
der Kirche fahren wollten, erhielt ich einen Brief
von ihr, welcher die ſchrecklichſten Fluͤche uͤber
mich enthielt. Sie habe mich, ſchrieb ſie, zwar
in Gegenwart der Monarchin geſegnet, aber ſie
nehme nun dieſen Segen zuruͤck, und wandle ihn
in Fluch um, weil ich mich auf die hinterliſtigſte
Art ihrer Vormundſchaft entzogen, und mein Ver-
moͤgen, das ſie ihren Anverwandten zugedacht
habe, an einen Fremden verſchrieben haͤtte.
Nun folgte eine Reihe der ſchrecklichſten Fluͤche,
deren Erinnerung mir jetzt noch Schauder erregt.
Dein Vermoͤgen, ſchrieb ſie, ſoll ſchwinden, wie
Waſſer im loͤchrichten Siebe, du ſollſt wahnſin-
nige Kinder gebaͤhren, am Ende deiner Tage bet-
teln gehen, und den letzten derſelben in Verzweif-
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