Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Grafen haben vergebens darum gebuhlt, wie wol-
len Sie -- -- Sie sich nur entfernte Hofnung
machen?

Ich. (mit immer steigendem Er-
staunen
) Aber um's Himmels willen, ich habe
ja nicht daran gedacht, ich -- --

Die Alte. Was? Sie wollen es jetzt
läugnen? wollen mich Lügen strafen? Die Ver-
messenheit geht immer weiter! (läuft zum
Kutscher, der unsern von uns mit dem
Wagen hielt
) Er wird Zeuge seyn, und die
Kühnheit seines Herrn bestätigen!

Der Kutscher. (im pflegmatischen
Tone
) Ich habe nichts gehört! Ich weiß
nichts!

Die Alte. (im sanften Tone) Sieht
er! das gefällt mir! Er ist seinem Herrn treu,
und dies verdient Belohnung. Da hat er einen
Dukaten, vertrink er ihn auf meine Gesundheit!
(sich mit einem tiefen Komplimente ge-
gen mich kehrend
) Mit Ihnen, mein Herr,
kann ich nun nicht länger reisen. Ihre Gesell-
schaft ist mir zu gefährlich, und Möglichkeit der
Vereinigung läßt sich nicht hoffen. Erlauben Sie,
daß ich meinen Koffer abpacken lasse, mein Wa-
gen wird gleich nachkommen.

Sie gieng nun hinter den Wagen, zog ihre
Holzbürde herab, legte sie auf ihre Schultern
und gieng, gebückt unter ihrer Last, stillschwei-

Grafen haben vergebens darum gebuhlt, wie wol-
len Sie — — Sie ſich nur entfernte Hofnung
machen?

Ich. (mit immer ſteigendem Er-
ſtaunen
) Aber um's Himmels willen, ich habe
ja nicht daran gedacht, ich — —

Die Alte. Was? Sie wollen es jetzt
laͤugnen? wollen mich Luͤgen ſtrafen? Die Ver-
meſſenheit geht immer weiter! (laͤuft zum
Kutſcher, der unſern von uns mit dem
Wagen hielt
) Er wird Zeuge ſeyn, und die
Kuͤhnheit ſeines Herrn beſtaͤtigen!

Der Kutſcher. (im pflegmatiſchen
Tone
) Ich habe nichts gehoͤrt! Ich weiß
nichts!

Die Alte. (im ſanften Tone) Sieht
er! das gefaͤllt mir! Er iſt ſeinem Herrn treu,
und dies verdient Belohnung. Da hat er einen
Dukaten, vertrink er ihn auf meine Geſundheit!
(ſich mit einem tiefen Komplimente ge-
gen mich kehrend
) Mit Ihnen, mein Herr,
kann ich nun nicht laͤnger reiſen. Ihre Geſell-
ſchaft iſt mir zu gefaͤhrlich, und Moͤglichkeit der
Vereinigung laͤßt ſich nicht hoffen. Erlauben Sie,
daß ich meinen Koffer abpacken laſſe, mein Wa-
gen wird gleich nachkommen.

Sie gieng nun hinter den Wagen, zog ihre
Holzbuͤrde herab, legte ſie auf ihre Schultern
und gieng, gebuͤckt unter ihrer Laſt, ſtillſchwei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="185"/>
Grafen haben vergebens                     darum gebuhlt, wie wol-<lb/>
len Sie &#x2014; &#x2014; Sie &#x017F;ich nur entfernte                     Hofnung<lb/>
machen?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. (<hi rendition="#g">mit immer &#x017F;teigendem                         Er-<lb/>
&#x017F;taunen</hi>) Aber um's Himmels willen, ich habe<lb/>
ja nicht daran                     gedacht, ich &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die Alte</hi>. Was? Sie wollen es jetzt<lb/>
la&#x0364;ugnen? wollen                     mich Lu&#x0364;gen &#x017F;trafen? Die Ver-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;enheit geht immer weiter! (<hi rendition="#g">la&#x0364;uft zum<lb/>
Kut&#x017F;cher, der un&#x017F;ern von uns mit dem<lb/>
Wagen                         hielt</hi>) Er wird Zeuge &#x017F;eyn, und die<lb/>
Ku&#x0364;hnheit &#x017F;eines Herrn                     be&#x017F;ta&#x0364;tigen!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Der Kut&#x017F;cher</hi>. (<hi rendition="#g">im                         pflegmati&#x017F;chen<lb/>
Tone</hi>) Ich habe nichts geho&#x0364;rt! Ich                     weiß<lb/>
nichts!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die Alte</hi>. (<hi rendition="#g">im &#x017F;anften Tone</hi>)                     Sieht<lb/>
er! das gefa&#x0364;llt mir! Er i&#x017F;t &#x017F;einem Herrn treu,<lb/>
und dies verdient                     Belohnung. Da hat er einen<lb/>
Dukaten, vertrink er ihn auf meine                         Ge&#x017F;undheit!<lb/>
(<hi rendition="#g">&#x017F;ich mit einem tiefen Komplimente                         ge-<lb/>
gen mich kehrend</hi>) Mit Ihnen, mein Herr,<lb/>
kann ich nun nicht                     la&#x0364;nger rei&#x017F;en. Ihre Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft i&#x017F;t mir zu gefa&#x0364;hrlich, und Mo&#x0364;glichkeit                     der<lb/>
Vereinigung la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht hoffen. Erlauben Sie,<lb/>
daß ich meinen                     Koffer abpacken la&#x017F;&#x017F;e, mein Wa-<lb/>
gen wird gleich nachkommen.</p><lb/>
        <p>Sie gieng nun hinter den Wagen, zog ihre<lb/>
Holzbu&#x0364;rde herab, legte &#x017F;ie auf ihre                     Schultern<lb/>
und gieng, gebu&#x0364;ckt unter ihrer La&#x017F;t, &#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0199] Grafen haben vergebens darum gebuhlt, wie wol- len Sie — — Sie ſich nur entfernte Hofnung machen? Ich. (mit immer ſteigendem Er- ſtaunen) Aber um's Himmels willen, ich habe ja nicht daran gedacht, ich — — Die Alte. Was? Sie wollen es jetzt laͤugnen? wollen mich Luͤgen ſtrafen? Die Ver- meſſenheit geht immer weiter! (laͤuft zum Kutſcher, der unſern von uns mit dem Wagen hielt) Er wird Zeuge ſeyn, und die Kuͤhnheit ſeines Herrn beſtaͤtigen! Der Kutſcher. (im pflegmatiſchen Tone) Ich habe nichts gehoͤrt! Ich weiß nichts! Die Alte. (im ſanften Tone) Sieht er! das gefaͤllt mir! Er iſt ſeinem Herrn treu, und dies verdient Belohnung. Da hat er einen Dukaten, vertrink er ihn auf meine Geſundheit! (ſich mit einem tiefen Komplimente ge- gen mich kehrend) Mit Ihnen, mein Herr, kann ich nun nicht laͤnger reiſen. Ihre Geſell- ſchaft iſt mir zu gefaͤhrlich, und Moͤglichkeit der Vereinigung laͤßt ſich nicht hoffen. Erlauben Sie, daß ich meinen Koffer abpacken laſſe, mein Wa- gen wird gleich nachkommen. Sie gieng nun hinter den Wagen, zog ihre Holzbuͤrde herab, legte ſie auf ihre Schultern und gieng, gebuͤckt unter ihrer Laſt, ſtillſchwei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/199
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/199>, abgerufen am 25.04.2024.