Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

begleitet, rasch vorüber fahren. Ich blieb starr vor
Entsetzen stehen, der Wagen hielt am nahen Rath-
hause stille, und mein Onkel gieng eilend hinein.
Ich war unfähig zu handeln und zu denken, mein
Karl faßte sich schneller, er fragte mich: ob ich
von jemanden im Hause sei gesehen worden? Da
ich's verneinte, und ihm versicherte, daß ich sei-
nen Bedienten auf der Gasse getroffen, und durch
ihn sei hergeführt worden, so führte er mich so-
gleich in den Stall hinab, wo seine Reitpferde
standen. Im Winkel desselben lag viel Stroh, ich
mußte mich darauf lagern, und er bedeckte mich
sorgfältig damit. Spät am Abende kam er wieder
zu mir, und erzählte, daß mein Onkel ihn bereits
besucht, allerhand Fragen an ihn gestellt habe,
aber, ohne die eigentliche Absicht zu entdecken,
wieder fortgegangen sei. Kurz darauf sei das
Haus ringsumher mit Wächtern umstellt worden,
welche zwar nur in der Gasse auf und abgiengen,
aber doch stets die Thüre des Hauses beobachte-
ten.

Da er auf diese Art keine nähere Untersuchung
zu fürchten hatte, und überdies fest entschlossen
war, seine Thüre niemanden zu öfnen, so führte
er mich wieder um Mitternacht in sein Zimmer.
Dort konnten wir ungehindert sprechen, und
rathschlagen; er versprach zwar, mich gegen je-
den tapfer zu vertheidigen, nicht aus seinen Ar-
men zu lassen, und öffentlicher Gewalt durch sei-

begleitet, raſch voruͤber fahren. Ich blieb ſtarr vor
Entſetzen ſtehen, der Wagen hielt am nahen Rath-
hauſe ſtille, und mein Onkel gieng eilend hinein.
Ich war unfaͤhig zu handeln und zu denken, mein
Karl faßte ſich ſchneller, er fragte mich: ob ich
von jemanden im Hauſe ſei geſehen worden? Da
ich's verneinte, und ihm verſicherte, daß ich ſei-
nen Bedienten auf der Gaſſe getroffen, und durch
ihn ſei hergefuͤhrt worden, ſo fuͤhrte er mich ſo-
gleich in den Stall hinab, wo ſeine Reitpferde
ſtanden. Im Winkel deſſelben lag viel Stroh, ich
mußte mich darauf lagern, und er bedeckte mich
ſorgfaͤltig damit. Spaͤt am Abende kam er wieder
zu mir, und erzaͤhlte, daß mein Onkel ihn bereits
beſucht, allerhand Fragen an ihn geſtellt habe,
aber, ohne die eigentliche Abſicht zu entdecken,
wieder fortgegangen ſei. Kurz darauf ſei das
Haus ringsumher mit Waͤchtern umſtellt worden,
welche zwar nur in der Gaſſe auf und abgiengen,
aber doch ſtets die Thuͤre des Hauſes beobachte-
ten.

Da er auf dieſe Art keine naͤhere Unterſuchung
zu fuͤrchten hatte, und uͤberdies feſt entſchloſſen
war, ſeine Thuͤre niemanden zu oͤfnen, ſo fuͤhrte
er mich wieder um Mitternacht in ſein Zimmer.
Dort konnten wir ungehindert ſprechen, und
rathſchlagen; er verſprach zwar, mich gegen je-
den tapfer zu vertheidigen, nicht aus ſeinen Ar-
men zu laſſen, und oͤffentlicher Gewalt durch ſei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="171"/>
begleitet, ra&#x017F;ch voru&#x0364;ber fahren. Ich                     blieb &#x017F;tarr vor<lb/>
Ent&#x017F;etzen &#x017F;tehen, der Wagen hielt am nahen Rath-<lb/>
hau&#x017F;e                     &#x017F;tille, und mein Onkel gieng eilend hinein.<lb/>
Ich war unfa&#x0364;hig zu handeln und                     zu denken, mein<lb/>
Karl faßte &#x017F;ich &#x017F;chneller, er fragte mich: ob ich<lb/>
von                     jemanden im Hau&#x017F;e &#x017F;ei ge&#x017F;ehen worden? Da<lb/>
ich's verneinte, und ihm                     ver&#x017F;icherte, daß ich &#x017F;ei-<lb/>
nen Bedienten auf der Ga&#x017F;&#x017F;e getroffen, und                     durch<lb/>
ihn &#x017F;ei hergefu&#x0364;hrt worden, &#x017F;o fu&#x0364;hrte er mich &#x017F;o-<lb/>
gleich in den                     Stall hinab, wo &#x017F;eine Reitpferde<lb/>
&#x017F;tanden. Im Winkel de&#x017F;&#x017F;elben lag viel                     Stroh, ich<lb/>
mußte mich darauf lagern, und er bedeckte mich<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltig                     damit. Spa&#x0364;t am Abende kam er wieder<lb/>
zu mir, und erza&#x0364;hlte, daß mein Onkel                     ihn bereits<lb/>
be&#x017F;ucht, allerhand Fragen an ihn ge&#x017F;tellt habe,<lb/>
aber, ohne                     die eigentliche Ab&#x017F;icht zu entdecken,<lb/>
wieder fortgegangen &#x017F;ei. Kurz darauf                     &#x017F;ei das<lb/>
Haus ringsumher mit Wa&#x0364;chtern um&#x017F;tellt worden,<lb/>
welche zwar nur                     in der Ga&#x017F;&#x017F;e auf und abgiengen,<lb/>
aber doch &#x017F;tets die Thu&#x0364;re des Hau&#x017F;es                     beobachte-<lb/>
ten.</p><lb/>
        <p>Da er auf die&#x017F;e Art keine na&#x0364;here Unter&#x017F;uchung<lb/>
zu fu&#x0364;rchten hatte, und                     u&#x0364;berdies fe&#x017F;t ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
war, &#x017F;eine Thu&#x0364;re niemanden zu o&#x0364;fnen, &#x017F;o                     fu&#x0364;hrte<lb/>
er mich wieder um Mitternacht in &#x017F;ein Zimmer.<lb/>
Dort konnten wir                     ungehindert &#x017F;prechen, und<lb/>
rath&#x017F;chlagen; er ver&#x017F;prach zwar, mich gegen                     je-<lb/>
den tapfer zu vertheidigen, nicht aus &#x017F;einen Ar-<lb/>
men zu la&#x017F;&#x017F;en, und                     o&#x0364;ffentlicher Gewalt durch &#x017F;ei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0185] begleitet, raſch voruͤber fahren. Ich blieb ſtarr vor Entſetzen ſtehen, der Wagen hielt am nahen Rath- hauſe ſtille, und mein Onkel gieng eilend hinein. Ich war unfaͤhig zu handeln und zu denken, mein Karl faßte ſich ſchneller, er fragte mich: ob ich von jemanden im Hauſe ſei geſehen worden? Da ich's verneinte, und ihm verſicherte, daß ich ſei- nen Bedienten auf der Gaſſe getroffen, und durch ihn ſei hergefuͤhrt worden, ſo fuͤhrte er mich ſo- gleich in den Stall hinab, wo ſeine Reitpferde ſtanden. Im Winkel deſſelben lag viel Stroh, ich mußte mich darauf lagern, und er bedeckte mich ſorgfaͤltig damit. Spaͤt am Abende kam er wieder zu mir, und erzaͤhlte, daß mein Onkel ihn bereits beſucht, allerhand Fragen an ihn geſtellt habe, aber, ohne die eigentliche Abſicht zu entdecken, wieder fortgegangen ſei. Kurz darauf ſei das Haus ringsumher mit Waͤchtern umſtellt worden, welche zwar nur in der Gaſſe auf und abgiengen, aber doch ſtets die Thuͤre des Hauſes beobachte- ten. Da er auf dieſe Art keine naͤhere Unterſuchung zu fuͤrchten hatte, und uͤberdies feſt entſchloſſen war, ſeine Thuͤre niemanden zu oͤfnen, ſo fuͤhrte er mich wieder um Mitternacht in ſein Zimmer. Dort konnten wir ungehindert ſprechen, und rathſchlagen; er verſprach zwar, mich gegen je- den tapfer zu vertheidigen, nicht aus ſeinen Ar- men zu laſſen, und oͤffentlicher Gewalt durch ſei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/185
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/185>, abgerufen am 18.04.2024.