Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

unglückliche Vergolder wahrscheinlich ganz unschul-
dig sei. In ihrer Nachbarschaft, erzählten sie
nun, wohne ein Schlosser, von welchem es allge-
mein bekannt, daß er zwar äußerst geschickt, aber
eben auch so lüderlich und daher sehr arm sei.
Ehe der bekannte Diebstahl verübt wurde, war er,
ihrer Aussache nach, beträchtlich schuldig, hatte
oft keinen Pfennig im Hause, und gieng mit sei-
nem Weibe in der schlechtesten und oft zerrißnen
Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren sie fort,
hat er alle seine Schulden bezahlt, er und sein
Weib gehen gut und wohlgekleidet einher, die letz-
tere trägt goldne Hauben und Granaten um den
Hals, welche wenigstens sechzig Gulden werth
sind, in ihrem Hause wird täglich gesotten und
gebraten, aber nie gearbeitet. Er und sein Ge-
selle sind täglich im Wirthshause zu finden, sie
verzehren dort oft an einem Abende eine Sum-
me, welche sie eine ganze Woche hindurch nicht
zu verdienen im Stande sind. Wir wollen, en-
deten die Gutgesinnten, sie nicht geradezu des
Diebstahls beschuldigen, nicht durch unsere Aus-
sage in's Unglück stürzen; wir fordern nur, daß
sie untersucht und genau befragt werden: woher
sie das viele Geld erhalten haben, womit sie jetzt
so verschwenderisch umgehen, und jeden Recht-
schafnen zum Argwohne berechtigen?

Der Rath sandte auf diese Anzeige sogleich ein
Mitglied und Gerichtsdiener in die Wohnung des

ungluͤckliche Vergolder wahrſcheinlich ganz unſchul-
dig ſei. In ihrer Nachbarſchaft, erzaͤhlten ſie
nun, wohne ein Schloſſer, von welchem es allge-
mein bekannt, daß er zwar aͤußerſt geſchickt, aber
eben auch ſo luͤderlich und daher ſehr arm ſei.
Ehe der bekannte Diebſtahl veruͤbt wurde, war er,
ihrer Ausſache nach, betraͤchtlich ſchuldig, hatte
oft keinen Pfennig im Hauſe, und gieng mit ſei-
nem Weibe in der ſchlechteſten und oft zerrißnen
Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren ſie fort,
hat er alle ſeine Schulden bezahlt, er und ſein
Weib gehen gut und wohlgekleidet einher, die letz-
tere traͤgt goldne Hauben und Granaten um den
Hals, welche wenigſtens ſechzig Gulden werth
ſind, in ihrem Hauſe wird taͤglich geſotten und
gebraten, aber nie gearbeitet. Er und ſein Ge-
ſelle ſind taͤglich im Wirthshauſe zu finden, ſie
verzehren dort oft an einem Abende eine Sum-
me, welche ſie eine ganze Woche hindurch nicht
zu verdienen im Stande ſind. Wir wollen, en-
deten die Gutgeſinnten, ſie nicht geradezu des
Diebſtahls beſchuldigen, nicht durch unſere Aus-
ſage in's Ungluͤck ſtuͤrzen; wir fordern nur, daß
ſie unterſucht und genau befragt werden: woher
ſie das viele Geld erhalten haben, womit ſie jetzt
ſo verſchwenderiſch umgehen, und jeden Recht-
ſchafnen zum Argwohne berechtigen?

Der Rath ſandte auf dieſe Anzeige ſogleich ein
Mitglied und Gerichtsdiener in die Wohnung des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="132"/>
unglu&#x0364;ckliche Vergolder wahr&#x017F;cheinlich ganz un&#x017F;chul-<lb/>
dig &#x017F;ei. In ihrer                     Nachbar&#x017F;chaft, erza&#x0364;hlten &#x017F;ie<lb/>
nun, wohne ein Schlo&#x017F;&#x017F;er, von welchem es                     allge-<lb/>
mein bekannt, daß er zwar a&#x0364;ußer&#x017F;t ge&#x017F;chickt, aber<lb/>
eben auch &#x017F;o                     lu&#x0364;derlich und daher &#x017F;ehr arm &#x017F;ei.<lb/>
Ehe der bekannte Dieb&#x017F;tahl veru&#x0364;bt wurde,                     war er,<lb/>
ihrer Aus&#x017F;ache nach, betra&#x0364;chtlich &#x017F;chuldig, hatte<lb/>
oft keinen                     Pfennig im Hau&#x017F;e, und gieng mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Weibe in der &#x017F;chlechte&#x017F;ten und oft                     zerrißnen<lb/>
Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren &#x017F;ie fort,<lb/>
hat er alle                     &#x017F;eine Schulden bezahlt, er und &#x017F;ein<lb/>
Weib gehen gut und wohlgekleidet einher,                     die letz-<lb/>
tere tra&#x0364;gt goldne Hauben und Granaten um den<lb/>
Hals, welche                     wenig&#x017F;tens &#x017F;echzig Gulden werth<lb/>
&#x017F;ind, in ihrem Hau&#x017F;e wird ta&#x0364;glich ge&#x017F;otten                     und<lb/>
gebraten, aber nie gearbeitet. Er und &#x017F;ein Ge-<lb/>
&#x017F;elle &#x017F;ind ta&#x0364;glich                     im Wirthshau&#x017F;e zu finden, &#x017F;ie<lb/>
verzehren dort oft an einem Abende eine                     Sum-<lb/>
me, welche &#x017F;ie eine ganze Woche hindurch nicht<lb/>
zu verdienen im                     Stande &#x017F;ind. Wir wollen, en-<lb/>
deten die Gutge&#x017F;innten, &#x017F;ie nicht geradezu                     des<lb/>
Dieb&#x017F;tahls be&#x017F;chuldigen, nicht durch un&#x017F;ere Aus-<lb/>
&#x017F;age in's Unglu&#x0364;ck                     &#x017F;tu&#x0364;rzen; wir fordern nur, daß<lb/>
&#x017F;ie unter&#x017F;ucht und genau befragt werden:                     woher<lb/>
&#x017F;ie das viele Geld erhalten haben, womit &#x017F;ie jetzt<lb/>
&#x017F;o                     ver&#x017F;chwenderi&#x017F;ch umgehen, und jeden Recht-<lb/>
&#x017F;chafnen zum Argwohne                     berechtigen?</p><lb/>
        <p>Der Rath &#x017F;andte auf die&#x017F;e Anzeige &#x017F;ogleich ein<lb/>
Mitglied und Gerichtsdiener in                     die Wohnung des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0146] ungluͤckliche Vergolder wahrſcheinlich ganz unſchul- dig ſei. In ihrer Nachbarſchaft, erzaͤhlten ſie nun, wohne ein Schloſſer, von welchem es allge- mein bekannt, daß er zwar aͤußerſt geſchickt, aber eben auch ſo luͤderlich und daher ſehr arm ſei. Ehe der bekannte Diebſtahl veruͤbt wurde, war er, ihrer Ausſache nach, betraͤchtlich ſchuldig, hatte oft keinen Pfennig im Hauſe, und gieng mit ſei- nem Weibe in der ſchlechteſten und oft zerrißnen Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren ſie fort, hat er alle ſeine Schulden bezahlt, er und ſein Weib gehen gut und wohlgekleidet einher, die letz- tere traͤgt goldne Hauben und Granaten um den Hals, welche wenigſtens ſechzig Gulden werth ſind, in ihrem Hauſe wird taͤglich geſotten und gebraten, aber nie gearbeitet. Er und ſein Ge- ſelle ſind taͤglich im Wirthshauſe zu finden, ſie verzehren dort oft an einem Abende eine Sum- me, welche ſie eine ganze Woche hindurch nicht zu verdienen im Stande ſind. Wir wollen, en- deten die Gutgeſinnten, ſie nicht geradezu des Diebſtahls beſchuldigen, nicht durch unſere Aus- ſage in's Ungluͤck ſtuͤrzen; wir fordern nur, daß ſie unterſucht und genau befragt werden: woher ſie das viele Geld erhalten haben, womit ſie jetzt ſo verſchwenderiſch umgehen, und jeden Recht- ſchafnen zum Argwohne berechtigen? Der Rath ſandte auf dieſe Anzeige ſogleich ein Mitglied und Gerichtsdiener in die Wohnung des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/146
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/146>, abgerufen am 26.04.2024.