Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen Seligkeit raubt, so bist du unglücklicher
als wir, und verdienst unsern Dank, denn du
giebst uns, was du dir so muthwillig raubst.
Großer Lohn muß unsrer jenseits harren, sonst ist
Gottes Gerechtigkeit ein Unding, schreckliche Stra-
fe muß dir dort einst werden, sonst ist Gott un-
billiger, als die Richter dieser Erde! -- -- Er
wollte noch mehr sprechen, aber das Gericht gebot
Stillschweigen, und der unglückliche Friedrich
mußte als überwiesener Verbrecher mit seiner gan-
zen Familie in tiefe und finstre Kerker wandern.
Da sie jetzt nicht mehr mit einander verhört wur-
den, so sahen sie sich auch nicht mehr, und
schmachteten einsam in ihrem Kerker.

Wie Friedrich am andern Tage im letzten gü-
tigen Verhöre ungeachtet aller Ueberzeugung doch
fest auf seiner Unschuld bestand, und nichts geste-
hen wollte, beschloß das Gericht, mit Strenge
gegen ihn, sein Weib und den ältesten Sohn zu
verfahren, weil eben diese am meisten des Ver-
brechens verdächtig waren, und das Gesetz selbst
das Bekenntniß von den übrigen Kindern nicht
forderte, wenn sie nur, was sehr wahrscheinlich zu
vermuthen war, bloße Kenntniß vom Diebstahle,
aber keine Theilnahme daran hatten. Friedrich
bekam durch drei Tage mehr als hundert Stock-
streiche, welche seine Hartnäckigkeit bezwingen,
und offnes Geständniß von ihm erpressen sollten.

Erst. Bändch. I

Menſchen Seligkeit raubt, ſo biſt du ungluͤcklicher
als wir, und verdienſt unſern Dank, denn du
giebſt uns, was du dir ſo muthwillig raubſt.
Großer Lohn muß unſrer jenſeits harren, ſonſt iſt
Gottes Gerechtigkeit ein Unding, ſchreckliche Stra-
fe muß dir dort einſt werden, ſonſt iſt Gott un-
billiger, als die Richter dieſer Erde! — — Er
wollte noch mehr ſprechen, aber das Gericht gebot
Stillſchweigen, und der ungluͤckliche Friedrich
mußte als uͤberwieſener Verbrecher mit ſeiner gan-
zen Familie in tiefe und finſtre Kerker wandern.
Da ſie jetzt nicht mehr mit einander verhoͤrt wur-
den, ſo ſahen ſie ſich auch nicht mehr, und
ſchmachteten einſam in ihrem Kerker.

Wie Friedrich am andern Tage im letzten guͤ-
tigen Verhoͤre ungeachtet aller Ueberzeugung doch
feſt auf ſeiner Unſchuld beſtand, und nichts geſte-
hen wollte, beſchloß das Gericht, mit Strenge
gegen ihn, ſein Weib und den aͤlteſten Sohn zu
verfahren, weil eben dieſe am meiſten des Ver-
brechens verdaͤchtig waren, und das Geſetz ſelbſt
das Bekenntniß von den uͤbrigen Kindern nicht
forderte, wenn ſie nur, was ſehr wahrſcheinlich zu
vermuthen war, bloße Kenntniß vom Diebſtahle,
aber keine Theilnahme daran hatten. Friedrich
bekam durch drei Tage mehr als hundert Stock-
ſtreiche, welche ſeine Hartnaͤckigkeit bezwingen,
und offnes Geſtaͤndniß von ihm erpreſſen ſollten.

Erſt. Baͤndch. I
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="129"/>
Men&#x017F;chen Seligkeit raubt, &#x017F;o bi&#x017F;t du                     unglu&#x0364;cklicher<lb/>
als wir, und verdien&#x017F;t un&#x017F;ern Dank, denn du<lb/>
gieb&#x017F;t uns,                     was du dir &#x017F;o muthwillig raub&#x017F;t.<lb/>
Großer Lohn muß un&#x017F;rer jen&#x017F;eits harren,                     &#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
Gottes Gerechtigkeit ein Unding, &#x017F;chreckliche Stra-<lb/>
fe muß dir                     dort ein&#x017F;t werden, &#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t Gott un-<lb/>
billiger, als die Richter die&#x017F;er Erde!                     &#x2014; &#x2014; Er<lb/>
wollte noch mehr &#x017F;prechen, aber das Gericht gebot<lb/>
Still&#x017F;chweigen,                     und der unglu&#x0364;ckliche Friedrich<lb/>
mußte als u&#x0364;berwie&#x017F;ener Verbrecher mit                     &#x017F;einer gan-<lb/>
zen Familie in tiefe und fin&#x017F;tre Kerker wandern.<lb/>
Da &#x017F;ie                     jetzt nicht mehr mit einander verho&#x0364;rt wur-<lb/>
den, &#x017F;o &#x017F;ahen &#x017F;ie &#x017F;ich auch                     nicht mehr, und<lb/>
&#x017F;chmachteten ein&#x017F;am in ihrem Kerker.</p><lb/>
        <p>Wie Friedrich am andern Tage im letzten gu&#x0364;-<lb/>
tigen Verho&#x0364;re ungeachtet aller                     Ueberzeugung doch<lb/>
fe&#x017F;t auf &#x017F;einer Un&#x017F;chuld be&#x017F;tand, und nichts                     ge&#x017F;te-<lb/>
hen wollte, be&#x017F;chloß das Gericht, mit Strenge<lb/>
gegen ihn, &#x017F;ein                     Weib und den a&#x0364;lte&#x017F;ten Sohn zu<lb/>
verfahren, weil eben die&#x017F;e am mei&#x017F;ten des                     Ver-<lb/>
brechens verda&#x0364;chtig waren, und das Ge&#x017F;etz &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das Bekenntniß                     von den u&#x0364;brigen Kindern nicht<lb/>
forderte, wenn &#x017F;ie nur, was &#x017F;ehr                     wahr&#x017F;cheinlich zu<lb/>
vermuthen war, bloße Kenntniß vom Dieb&#x017F;tahle,<lb/>
aber                     keine Theilnahme daran hatten. Friedrich<lb/>
bekam durch drei Tage mehr als                     hundert Stock-<lb/>
&#x017F;treiche, welche &#x017F;eine Hartna&#x0364;ckigkeit bezwingen,<lb/>
und                     offnes Ge&#x017F;ta&#x0364;ndniß von ihm erpre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;t. Ba&#x0364;ndch.</hi> I</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] Menſchen Seligkeit raubt, ſo biſt du ungluͤcklicher als wir, und verdienſt unſern Dank, denn du giebſt uns, was du dir ſo muthwillig raubſt. Großer Lohn muß unſrer jenſeits harren, ſonſt iſt Gottes Gerechtigkeit ein Unding, ſchreckliche Stra- fe muß dir dort einſt werden, ſonſt iſt Gott un- billiger, als die Richter dieſer Erde! — — Er wollte noch mehr ſprechen, aber das Gericht gebot Stillſchweigen, und der ungluͤckliche Friedrich mußte als uͤberwieſener Verbrecher mit ſeiner gan- zen Familie in tiefe und finſtre Kerker wandern. Da ſie jetzt nicht mehr mit einander verhoͤrt wur- den, ſo ſahen ſie ſich auch nicht mehr, und ſchmachteten einſam in ihrem Kerker. Wie Friedrich am andern Tage im letzten guͤ- tigen Verhoͤre ungeachtet aller Ueberzeugung doch feſt auf ſeiner Unſchuld beſtand, und nichts geſte- hen wollte, beſchloß das Gericht, mit Strenge gegen ihn, ſein Weib und den aͤlteſten Sohn zu verfahren, weil eben dieſe am meiſten des Ver- brechens verdaͤchtig waren, und das Geſetz ſelbſt das Bekenntniß von den uͤbrigen Kindern nicht forderte, wenn ſie nur, was ſehr wahrſcheinlich zu vermuthen war, bloße Kenntniß vom Diebſtahle, aber keine Theilnahme daran hatten. Friedrich bekam durch drei Tage mehr als hundert Stock- ſtreiche, welche ſeine Hartnaͤckigkeit bezwingen, und offnes Geſtaͤndniß von ihm erpreſſen ſollten. Erſt. Baͤndch. I

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/143
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/143>, abgerufen am 19.04.2024.