ihren Tod. Alle Jünglinge und Mädchen trugen ihrem Andenken zu Ehren Trauerkleider, und be- traten unter dieser Zeit nie den Tanzboden. Der Pfarrer zierte ihre Ruhestätte mit einem weißen, einfachen Steine, worauf die Worte stehen: Himmel und Hölle trennte, aber der Tod vereinigt sie! -- -- Wenn man jetzt diese Schrift lesen will, so muß man sich durch eine dichte Rosenhecke hindurch drängen, welche die Jungfrauen des Dorfs dahin pflanzten, und immer noch mit gleicher Sorgfalt pflegen.
Wilhelmine, die Frucht ihrer unglücklichen Liebe, ward von dem Pfarrer des Orts, welcher nie heirathete, zu seinem Kinde angenommen, und mit einer Sorgfalt erzogen, die sein Anden- ken noch im Grabe ehrt. Ich sah sie vor unge- fähr zehn Jahren, sie war damals schon lange die Gattin eines Gerichtsverwalters, der sie innig und zärtlich zu lieben schien. Ihre vielen und herrlichen Kenntnisse, ihr sanfter, liebenswürdiger Karakter hatten ihr die Bewunderung und Hoch- achtung der ganzen Gegend erworben. Sie war noch sehr schön, aber auf ihrer Stirne ruhten Kennzeichen innerer Schwermuth, welche das sanfte Lächeln ihres Mundes nicht wegzuwischen vermochte. Ihr Gatte versicherte mich, daß er sehr glücklich mit ihr lebe, sich aber hüten müsse, sie nur mit unbedeutenden Worten zu kränken
ihren Tod. Alle Juͤnglinge und Maͤdchen trugen ihrem Andenken zu Ehren Trauerkleider, und be- traten unter dieſer Zeit nie den Tanzboden. Der Pfarrer zierte ihre Ruheſtaͤtte mit einem weißen, einfachen Steine, worauf die Worte ſtehen: Himmel und Hoͤlle trennte, aber der Tod vereinigt ſie! — — Wenn man jetzt dieſe Schrift leſen will, ſo muß man ſich durch eine dichte Roſenhecke hindurch draͤngen, welche die Jungfrauen des Dorfs dahin pflanzten, und immer noch mit gleicher Sorgfalt pflegen.
Wilhelmine, die Frucht ihrer ungluͤcklichen Liebe, ward von dem Pfarrer des Orts, welcher nie heirathete, zu ſeinem Kinde angenommen, und mit einer Sorgfalt erzogen, die ſein Anden- ken noch im Grabe ehrt. Ich ſah ſie vor unge- faͤhr zehn Jahren, ſie war damals ſchon lange die Gattin eines Gerichtsverwalters, der ſie innig und zaͤrtlich zu lieben ſchien. Ihre vielen und herrlichen Kenntniſſe, ihr ſanfter, liebenswuͤrdiger Karakter hatten ihr die Bewunderung und Hoch- achtung der ganzen Gegend erworben. Sie war noch ſehr ſchoͤn, aber auf ihrer Stirne ruhten Kennzeichen innerer Schwermuth, welche das ſanfte Laͤcheln ihres Mundes nicht wegzuwiſchen vermochte. Ihr Gatte verſicherte mich, daß er ſehr gluͤcklich mit ihr lebe, ſich aber huͤten muͤſſe, ſie nur mit unbedeutenden Worten zu kraͤnken
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ihren Tod. Alle Juͤnglinge und Maͤdchen trugen
ihrem Andenken zu Ehren Trauerkleider, und be-
traten unter dieſer Zeit nie den Tanzboden. Der
Pfarrer zierte ihre Ruheſtaͤtte mit einem weißen,
einfachen Steine, worauf die Worte ſtehen:
Himmel und Hoͤlle trennte, aber der
Tod vereinigt ſie! — — Wenn man jetzt
dieſe Schrift leſen will, ſo muß man ſich durch
eine dichte Roſenhecke hindurch draͤngen, welche
die Jungfrauen des Dorfs dahin pflanzten, und
immer noch mit gleicher Sorgfalt pflegen.
Wilhelmine, die Frucht ihrer ungluͤcklichen
Liebe, ward von dem Pfarrer des Orts, welcher
nie heirathete, zu ſeinem Kinde angenommen,
und mit einer Sorgfalt erzogen, die ſein Anden-
ken noch im Grabe ehrt. Ich ſah ſie vor unge-
faͤhr zehn Jahren, ſie war damals ſchon lange
die Gattin eines Gerichtsverwalters, der ſie innig
und zaͤrtlich zu lieben ſchien. Ihre vielen und
herrlichen Kenntniſſe, ihr ſanfter, liebenswuͤrdiger
Karakter hatten ihr die Bewunderung und Hoch-
achtung der ganzen Gegend erworben. Sie war
noch ſehr ſchoͤn, aber auf ihrer Stirne ruhten
Kennzeichen innerer Schwermuth, welche das
ſanfte Laͤcheln ihres Mundes nicht wegzuwiſchen
vermochte. Ihr Gatte verſicherte mich, daß er
ſehr gluͤcklich mit ihr lebe, ſich aber huͤten muͤſſe,
ſie nur mit unbedeutenden Worten zu kraͤnken
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/114>, abgerufen am 22.07.2024.
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