Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.strömte, vermißte man Wilhelm und Lottchen an Wahrscheinlich hatte die Sehnsucht, welche Alle angewandte Hülfe war vergebens, keine G 2
ſtroͤmte, vermißte man Wilhelm und Lottchen an Wahrſcheinlich hatte die Sehnſucht, welche Alle angewandte Huͤlfe war vergebens, keine G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="99"/> ſtroͤmte, vermißte man Wilhelm und Lottchen an<lb/> einem Tage. Alle Bewohner irrten ſuchend herum,<lb/> und konnten ſie nicht finden. Einige Voruͤberge-<lb/> hende hatten beide noch vor kurzem an dem Bache<lb/> ſtehend geſehen, beide blickten, nach ihrer Ver-<lb/> ſicherung, ſich ſehnſuchtsvoll an, und winkten ein-<lb/> ander unaufhoͤrlich. Erſt als der Bach am drit-<lb/> ten Tage in ſeine Ufer zuruͤcktrat, fand man die<lb/> Ungluͤcklichen auf einer uͤberſchwemmten Wieſe, ſie<lb/> hielten einander feſt umſchlungen, und ſchienen<lb/> auch noch im Tode die Wonne der Wiedervereini-<lb/> gung zu fuͤhlen, denn ſie laͤchelten beide, und<lb/> widerlegten den Satz, daß der Tod bitter<lb/> ſchmecke.</p><lb/> <p>Wahrſcheinlich hatte die Sehnſucht, welche<lb/> beide ſo oft nach einer Umarmung aͤuſſerten, die<lb/> Wirkung ihres Wahnſinns uͤberwunden, wahr-<lb/> ſcheinlich waren ſie, vom innern Gefuͤhle hinge-<lb/> riſſen, einander durch's Waſſer entgegengeeilt,<lb/> und durch die Gewalt deſſelben fortgeriſſen wor-<lb/> den. Zum groͤßten Gluͤcke hatte Lottchen ihr Kind<lb/> nicht mit ſich genommen, es lag eben an den<lb/> Blattern krank, ſonſt wuͤrde dies wahrſcheinlich<lb/> auch ein Opfer des Todes geworden ſeyn.</p><lb/> <p>Alle angewandte Huͤlfe war vergebens, keine<lb/> Arzenei konnte ſie wieder erwecken. Sie wurden<lb/> an einem Tage, und in einem Grabe beerdigt,<lb/> das ganze Dorf folgte ihrer Leiche, und beweinte<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0113]
ſtroͤmte, vermißte man Wilhelm und Lottchen an
einem Tage. Alle Bewohner irrten ſuchend herum,
und konnten ſie nicht finden. Einige Voruͤberge-
hende hatten beide noch vor kurzem an dem Bache
ſtehend geſehen, beide blickten, nach ihrer Ver-
ſicherung, ſich ſehnſuchtsvoll an, und winkten ein-
ander unaufhoͤrlich. Erſt als der Bach am drit-
ten Tage in ſeine Ufer zuruͤcktrat, fand man die
Ungluͤcklichen auf einer uͤberſchwemmten Wieſe, ſie
hielten einander feſt umſchlungen, und ſchienen
auch noch im Tode die Wonne der Wiedervereini-
gung zu fuͤhlen, denn ſie laͤchelten beide, und
widerlegten den Satz, daß der Tod bitter
ſchmecke.
Wahrſcheinlich hatte die Sehnſucht, welche
beide ſo oft nach einer Umarmung aͤuſſerten, die
Wirkung ihres Wahnſinns uͤberwunden, wahr-
ſcheinlich waren ſie, vom innern Gefuͤhle hinge-
riſſen, einander durch's Waſſer entgegengeeilt,
und durch die Gewalt deſſelben fortgeriſſen wor-
den. Zum groͤßten Gluͤcke hatte Lottchen ihr Kind
nicht mit ſich genommen, es lag eben an den
Blattern krank, ſonſt wuͤrde dies wahrſcheinlich
auch ein Opfer des Todes geworden ſeyn.
Alle angewandte Huͤlfe war vergebens, keine
Arzenei konnte ſie wieder erwecken. Sie wurden
an einem Tage, und in einem Grabe beerdigt,
das ganze Dorf folgte ihrer Leiche, und beweinte
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