Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.es ihm morgen vielleicht besser gelingen würde, Alle Versuche, die Wilhelm und seine Freunde es ihm morgen vielleicht beſſer gelingen wuͤrde, Alle Verſuche, die Wilhelm und ſeine Freunde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="94"/> es ihm morgen vielleicht beſſer gelingen wuͤrde,<lb/> folgte er endlich ſeinen Begleitern nach dem<lb/> Pfarrhofe, Lottchen oͤffnete ſogleich ihr Fenſter,<lb/> und blickte ihm unverwandt nach. Sie ſtand am<lb/> andern Tage fruͤher als gewoͤhnlich auf, ſie putzte<lb/> ſich und ihr Kind mit auffallendem Fleiße, und<lb/> trat mit ihm an's Fenſter; als bald darauf der<lb/> ungluͤckliche Wilhelm vom Pfarrhofe herabeilte,<lb/> aͤuſſerte ſie die groͤßte Freude, wie er ſich ihr<lb/> aber ganz nahen wollte, da begann ihr Jammer-<lb/> geſchrei von neuem.</p><lb/> <p>Alle Verſuche, die Wilhelm und ſeine Freunde<lb/> in der Folge anwandten, um Lottchen von ihrem<lb/> Irrwahne zu uͤberzeugen, waren vergebens, die<lb/> Idee, daß er ſie aus dem Himmel entfuͤhren wol-<lb/> le, war zu tief in ihrer Seele eingewurzelt, ſie<lb/> nahm jeden Verſuch als eine Folge derſelben, und<lb/> ward daher immer mehr darinne beſtaͤrkt. Sie<lb/> weinte, wenn Wilhelm nicht um die gewoͤhnliche<lb/> Zeit erſchien, ſie ſprach oft vom Fenſter herab<lb/> freundlich und lange mit ihm, erinnerte ihn an<lb/> vergangene Dinge, erzaͤhlte, wie ſie ſich in ſeinen<lb/> Armen gluͤcklich geduͤnkt haͤtte, nun aber im Him-<lb/> mel noch weit gluͤcklicher ſei, ſie ermahnte ihn zur<lb/> Nachfolge, und verſprach, ihn mit offnen Armen<lb/> zu empfangen. Dieſe Verſicherung bewog den<lb/> Pfarrer zu einer Liſt; er uͤberredete Wilhelmen,<lb/> einige Tage nicht an Lottchen's Fenſter zu erſchei-<lb/> nen, und brachte dieſer die Nachricht, daß er ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0108]
es ihm morgen vielleicht beſſer gelingen wuͤrde,
folgte er endlich ſeinen Begleitern nach dem
Pfarrhofe, Lottchen oͤffnete ſogleich ihr Fenſter,
und blickte ihm unverwandt nach. Sie ſtand am
andern Tage fruͤher als gewoͤhnlich auf, ſie putzte
ſich und ihr Kind mit auffallendem Fleiße, und
trat mit ihm an's Fenſter; als bald darauf der
ungluͤckliche Wilhelm vom Pfarrhofe herabeilte,
aͤuſſerte ſie die groͤßte Freude, wie er ſich ihr
aber ganz nahen wollte, da begann ihr Jammer-
geſchrei von neuem.
Alle Verſuche, die Wilhelm und ſeine Freunde
in der Folge anwandten, um Lottchen von ihrem
Irrwahne zu uͤberzeugen, waren vergebens, die
Idee, daß er ſie aus dem Himmel entfuͤhren wol-
le, war zu tief in ihrer Seele eingewurzelt, ſie
nahm jeden Verſuch als eine Folge derſelben, und
ward daher immer mehr darinne beſtaͤrkt. Sie
weinte, wenn Wilhelm nicht um die gewoͤhnliche
Zeit erſchien, ſie ſprach oft vom Fenſter herab
freundlich und lange mit ihm, erinnerte ihn an
vergangene Dinge, erzaͤhlte, wie ſie ſich in ſeinen
Armen gluͤcklich geduͤnkt haͤtte, nun aber im Him-
mel noch weit gluͤcklicher ſei, ſie ermahnte ihn zur
Nachfolge, und verſprach, ihn mit offnen Armen
zu empfangen. Dieſe Verſicherung bewog den
Pfarrer zu einer Liſt; er uͤberredete Wilhelmen,
einige Tage nicht an Lottchen's Fenſter zu erſchei-
nen, und brachte dieſer die Nachricht, daß er ge-
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