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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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daß unsers Verbleibens hier, Gott sei Dank, nun wol
nicht mehr lange sein wird. Herr von Berkow wird
täglich schwächer; die Schwindsucht macht reißende
Fortschritte. Birkenhain giebt ihm nur wenige Tage.
Wir bleiben auf jeden Fall, bis Alles entschieden ist.
Ich sehe diesem Augenblick mit einer Ungeduld ent¬
gegen, die ganz rein von Selbstsucht ist. Aus dem
Tode dieses Unglücklichen, der nun schon seit Jahren
kaum noch zu den Lebenden gehört, wird für zwei
Menschen ein neues Leben erblühen -- zwei Menschen,
die mir unendlich werth und theuer sind.

"Wirklich?" sagte Oswald, den Brief auf den
Schooß sinkend lassend. Bist Du dessen so gewiß,
guter Bemperlein? Freilich, was ahnt Dein reines
Herz von adligem Verrath und freiherrlicher Tücke?
-- Und doch! weshalb erwähnt auch er Oldenburg's
Anwesenheit nicht? was hat er davon, ein Factum
zu verschweigen, von dem er wissen mußte, daß es
mich interessiren würde? So ist auch er in dem Com¬
plott? Wohl; so willst du fortan dich auf Niemand
verlassen, als auf dich selbst! Unter den Wölfen muß
man heulen, und der ist ein Narr, der unter Betrü¬
gern und Lügnern den ehrlichen Mann spielen will.
Heuchelt Ihr -- ich kann es auch; spielt Ihr Komö¬
die -- ich will nicht im Parterre sitzen; lacht Ihr

daß unſers Verbleibens hier, Gott ſei Dank, nun wol
nicht mehr lange ſein wird. Herr von Berkow wird
täglich ſchwächer; die Schwindſucht macht reißende
Fortſchritte. Birkenhain giebt ihm nur wenige Tage.
Wir bleiben auf jeden Fall, bis Alles entſchieden iſt.
Ich ſehe dieſem Augenblick mit einer Ungeduld ent¬
gegen, die ganz rein von Selbſtſucht iſt. Aus dem
Tode dieſes Unglücklichen, der nun ſchon ſeit Jahren
kaum noch zu den Lebenden gehört, wird für zwei
Menſchen ein neues Leben erblühen — zwei Menſchen,
die mir unendlich werth und theuer ſind.

„Wirklich?“ ſagte Oswald, den Brief auf den
Schooß ſinkend laſſend. Biſt Du deſſen ſo gewiß,
guter Bemperlein? Freilich, was ahnt Dein reines
Herz von adligem Verrath und freiherrlicher Tücke?
Und doch! weshalb erwähnt auch er Oldenburg's
Anweſenheit nicht? was hat er davon, ein Factum
zu verſchweigen, von dem er wiſſen mußte, daß es
mich intereſſiren würde? So iſt auch er in dem Com¬
plott? Wohl; ſo willſt du fortan dich auf Niemand
verlaſſen, als auf dich ſelbſt! Unter den Wölfen muß
man heulen, und der iſt ein Narr, der unter Betrü¬
gern und Lügnern den ehrlichen Mann ſpielen will.
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[80/0090] daß unſers Verbleibens hier, Gott ſei Dank, nun wol nicht mehr lange ſein wird. Herr von Berkow wird täglich ſchwächer; die Schwindſucht macht reißende Fortſchritte. Birkenhain giebt ihm nur wenige Tage. Wir bleiben auf jeden Fall, bis Alles entſchieden iſt. Ich ſehe dieſem Augenblick mit einer Ungeduld ent¬ gegen, die ganz rein von Selbſtſucht iſt. Aus dem Tode dieſes Unglücklichen, der nun ſchon ſeit Jahren kaum noch zu den Lebenden gehört, wird für zwei Menſchen ein neues Leben erblühen — zwei Menſchen, die mir unendlich werth und theuer ſind. „Wirklich?“ ſagte Oswald, den Brief auf den Schooß ſinkend laſſend. Biſt Du deſſen ſo gewiß, guter Bemperlein? Freilich, was ahnt Dein reines Herz von adligem Verrath und freiherrlicher Tücke? — Und doch! weshalb erwähnt auch er Oldenburg's Anweſenheit nicht? was hat er davon, ein Factum zu verſchweigen, von dem er wiſſen mußte, daß es mich intereſſiren würde? So iſt auch er in dem Com¬ plott? Wohl; ſo willſt du fortan dich auf Niemand verlaſſen, als auf dich ſelbſt! Unter den Wölfen muß man heulen, und der iſt ein Narr, der unter Betrü¬ gern und Lügnern den ehrlichen Mann ſpielen will. Heuchelt Ihr — ich kann es auch; ſpielt Ihr Komö¬ die — ich will nicht im Parterre ſitzen; lacht Ihr

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/90>, abgerufen am 22.12.2024.