gebeten habe, Berger besuchen zu dürfen; daß ihm diese Erlaubniß gegeben sei, und daß er seitdem jeden Tag viele Stunden bei dem Kranken zugebracht habe, der seine Gesellschaft jeder andern vorziehe. Berger spreche größtentheils vollkommen vernünftig, nur komme er bei der geringsten Veranlassung auf seine fixe Idee des Nichts zurück. Er finde es ganz in der Ord¬ nung, daß man ihn in eine Irrenanstalt gebracht habe, denn sage er, "der Unterschied zwischen den Leuten draußen und denen drinnen bestehe nur darin, daß jene das werden könnten und respective werden würden und eigentlich werden müßten, was diese schon seien. Wenn z. B. Dr. Birkenhain nur gefälligst einmal seinen Kopf auseinander nehmen wollte, so würde er die absolute Hohlheit desselben mit eigenen Augen wahrnehmen und sich in seinem Hause ein behagliches, sonniges Zimmer anweisen lassen, um in aller Stille über das große Ur-Nichts nachzudenken." Bemperlein schrieb, daß Dr. Birkenhain Berger's Wahnsinn nur für temporär halte und die bestimmte Hoffnung habe, den ausgezeichneten Mann in kurzer Zeit seinen Freun¬ den und Schülern geheilt zurückzusenden.
"Was uns selbst angeht," schloß Bemperlein, "so wird Ihnen die gnädige Frau ja wol Alles der Ord¬ nung gemäß berichtet haben. Ich füge nur noch hinzu,
gebeten habe, Berger beſuchen zu dürfen; daß ihm dieſe Erlaubniß gegeben ſei, und daß er ſeitdem jeden Tag viele Stunden bei dem Kranken zugebracht habe, der ſeine Geſellſchaft jeder andern vorziehe. Berger ſpreche größtentheils vollkommen vernünftig, nur komme er bei der geringſten Veranlaſſung auf ſeine fixe Idee des Nichts zurück. Er finde es ganz in der Ord¬ nung, daß man ihn in eine Irrenanſtalt gebracht habe, denn ſage er, „der Unterſchied zwiſchen den Leuten draußen und denen drinnen beſtehe nur darin, daß jene das werden könnten und reſpective werden würden und eigentlich werden müßten, was dieſe ſchon ſeien. Wenn z. B. Dr. Birkenhain nur gefälligſt einmal ſeinen Kopf auseinander nehmen wollte, ſo würde er die abſolute Hohlheit deſſelben mit eigenen Augen wahrnehmen und ſich in ſeinem Hauſe ein behagliches, ſonniges Zimmer anweiſen laſſen, um in aller Stille über das große Ur-Nichts nachzudenken.“ Bemperlein ſchrieb, daß Dr. Birkenhain Berger's Wahnſinn nur für temporär halte und die beſtimmte Hoffnung habe, den ausgezeichneten Mann in kurzer Zeit ſeinen Freun¬ den und Schülern geheilt zurückzuſenden.
„Was uns ſelbſt angeht,“ ſchloß Bemperlein, „ſo wird Ihnen die gnädige Frau ja wol Alles der Ord¬ nung gemäß berichtet haben. Ich füge nur noch hinzu,
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gebeten habe, Berger beſuchen zu dürfen; daß ihm
dieſe Erlaubniß gegeben ſei, und daß er ſeitdem jeden
Tag viele Stunden bei dem Kranken zugebracht habe,
der ſeine Geſellſchaft jeder andern vorziehe. Berger
ſpreche größtentheils vollkommen vernünftig, nur komme
er bei der geringſten Veranlaſſung auf ſeine fixe Idee
des Nichts zurück. Er finde es ganz in der Ord¬
nung, daß man ihn in eine Irrenanſtalt gebracht habe,
denn ſage er, „der Unterſchied zwiſchen den Leuten
draußen und denen drinnen beſtehe nur darin, daß jene
das werden könnten und reſpective werden würden
und eigentlich werden müßten, was dieſe ſchon ſeien.
Wenn z. B. Dr. Birkenhain nur gefälligſt einmal
ſeinen Kopf auseinander nehmen wollte, ſo würde er
die abſolute Hohlheit deſſelben mit eigenen Augen
wahrnehmen und ſich in ſeinem Hauſe ein behagliches,
ſonniges Zimmer anweiſen laſſen, um in aller Stille
über das große Ur-Nichts nachzudenken.“ Bemperlein
ſchrieb, daß Dr. Birkenhain Berger's Wahnſinn nur
für temporär halte und die beſtimmte Hoffnung habe,
den ausgezeichneten Mann in kurzer Zeit ſeinen Freun¬
den und Schülern geheilt zurückzuſenden.
„Was uns ſelbſt angeht,“ ſchloß Bemperlein, „ſo
wird Ihnen die gnädige Frau ja wol Alles der Ord¬
nung gemäß berichtet haben. Ich füge nur noch hinzu,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/89>, abgerufen am 22.12.2024.
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