Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

freiherrlichen Scherz mit Dir getrieben? Aber das
ist ja nicht möglich! nicht möglich? warum denn nicht?
ist die Welt, in der sich diese Menschen bewegen,
nicht durch und durch verfault und verrottet? ist ihr
ganzes Leben nicht eine gemeine Intrigue? betrügt
hier nicht die Gattin den Gatten? und dieser jene?
verkauft nicht der Vater seine Tochter? verkuppelt
nicht die Mutter ihr eigen Fleisch und Blut? verräth
nicht der Freund den Freund? plaudert eine Kokette
nicht die Geheimnisse der andern aus? weshalb wähnst
Du denn, sie würden mit Dir, dem Plebejer, dem
Arbeiter für Lohn und Brot, besser verfahren? Und
doch, und doch! es ist entsetzlich! Das Weib, das
Du angebetet, wie eine Gottheit, die Maitresse eines
Anderen, ihn betrügend, Dich betrügend, um von ihm
wieder betrogen zu werden! Und Du, gutmüthiger
Narr, kämpfst wie ein Wahnsinniger mit Deiner Lei¬
denschaft für das holde, herrliche Geschöpf, die einzig
Reine in diesem Hexensabbath! denn sie ist rein und
gut, oder es giebt nichts Reines auf dieser Welt.
Nein, nein! und wenn Alles um Dich her Lug und
Trug ist, und schwarzer, tückischer Verrath -- auf
diesen einen hohen Stern willst Du Dein Auge hef¬
ten -- es ist Dein Stern! denn nur das unerreichbar
Hohe ist Deiner Liebe werth! um die Irrlichter, die

freiherrlichen Scherz mit Dir getrieben? Aber das
iſt ja nicht möglich! nicht möglich? warum denn nicht?
iſt die Welt, in der ſich dieſe Menſchen bewegen,
nicht durch und durch verfault und verrottet? iſt ihr
ganzes Leben nicht eine gemeine Intrigue? betrügt
hier nicht die Gattin den Gatten? und dieſer jene?
verkauft nicht der Vater ſeine Tochter? verkuppelt
nicht die Mutter ihr eigen Fleiſch und Blut? verräth
nicht der Freund den Freund? plaudert eine Kokette
nicht die Geheimniſſe der andern aus? weshalb wähnſt
Du denn, ſie würden mit Dir, dem Plebejer, dem
Arbeiter für Lohn und Brot, beſſer verfahren? Und
doch, und doch! es iſt entſetzlich! Das Weib, das
Du angebetet, wie eine Gottheit, die Maitreſſe eines
Anderen, ihn betrügend, Dich betrügend, um von ihm
wieder betrogen zu werden! Und Du, gutmüthiger
Narr, kämpfſt wie ein Wahnſinniger mit Deiner Lei¬
denſchaft für das holde, herrliche Geſchöpf, die einzig
Reine in dieſem Hexenſabbath! denn ſie iſt rein und
gut, oder es giebt nichts Reines auf dieſer Welt.
Nein, nein! und wenn Alles um Dich her Lug und
Trug iſt, und ſchwarzer, tückiſcher Verrath — auf
dieſen einen hohen Stern willſt Du Dein Auge hef¬
ten — es iſt Dein Stern! denn nur das unerreichbar
Hohe iſt Deiner Liebe werth! um die Irrlichter, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="66"/>
freiherrlichen Scherz mit Dir getrieben? Aber das<lb/>
i&#x017F;t ja nicht möglich! nicht möglich? warum denn nicht?<lb/>
i&#x017F;t die Welt, in der &#x017F;ich die&#x017F;e Men&#x017F;chen bewegen,<lb/>
nicht durch und durch verfault und verrottet? i&#x017F;t ihr<lb/>
ganzes Leben nicht eine gemeine Intrigue? betrügt<lb/>
hier nicht die Gattin den Gatten? und die&#x017F;er jene?<lb/>
verkauft nicht der Vater &#x017F;eine Tochter? verkuppelt<lb/>
nicht die Mutter ihr eigen Flei&#x017F;ch und Blut? verräth<lb/>
nicht der Freund den Freund? plaudert eine Kokette<lb/>
nicht die Geheimni&#x017F;&#x017F;e der andern aus? weshalb wähn&#x017F;t<lb/>
Du denn, &#x017F;ie würden mit Dir, dem Plebejer, dem<lb/>
Arbeiter für Lohn und Brot, be&#x017F;&#x017F;er verfahren? Und<lb/>
doch, und doch! es i&#x017F;t ent&#x017F;etzlich! Das Weib, das<lb/>
Du angebetet, wie eine Gottheit, die Maitre&#x017F;&#x017F;e eines<lb/>
Anderen, ihn betrügend, Dich betrügend, um von ihm<lb/>
wieder betrogen zu werden! Und Du, gutmüthiger<lb/>
Narr, kämpf&#x017F;t wie ein Wahn&#x017F;inniger mit Deiner Lei¬<lb/>
den&#x017F;chaft für das holde, herrliche Ge&#x017F;chöpf, die einzig<lb/>
Reine in die&#x017F;em Hexen&#x017F;abbath! denn &#x017F;ie i&#x017F;t rein und<lb/>
gut, oder es giebt nichts Reines auf die&#x017F;er Welt.<lb/>
Nein, nein! und wenn Alles um Dich her Lug und<lb/>
Trug i&#x017F;t, und &#x017F;chwarzer, tücki&#x017F;cher Verrath &#x2014; auf<lb/>
die&#x017F;en einen hohen Stern will&#x017F;t Du Dein Auge hef¬<lb/>
ten &#x2014; es i&#x017F;t Dein Stern! denn nur das unerreichbar<lb/>
Hohe i&#x017F;t Deiner Liebe werth! um die Irrlichter, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0076] freiherrlichen Scherz mit Dir getrieben? Aber das iſt ja nicht möglich! nicht möglich? warum denn nicht? iſt die Welt, in der ſich dieſe Menſchen bewegen, nicht durch und durch verfault und verrottet? iſt ihr ganzes Leben nicht eine gemeine Intrigue? betrügt hier nicht die Gattin den Gatten? und dieſer jene? verkauft nicht der Vater ſeine Tochter? verkuppelt nicht die Mutter ihr eigen Fleiſch und Blut? verräth nicht der Freund den Freund? plaudert eine Kokette nicht die Geheimniſſe der andern aus? weshalb wähnſt Du denn, ſie würden mit Dir, dem Plebejer, dem Arbeiter für Lohn und Brot, beſſer verfahren? Und doch, und doch! es iſt entſetzlich! Das Weib, das Du angebetet, wie eine Gottheit, die Maitreſſe eines Anderen, ihn betrügend, Dich betrügend, um von ihm wieder betrogen zu werden! Und Du, gutmüthiger Narr, kämpfſt wie ein Wahnſinniger mit Deiner Lei¬ denſchaft für das holde, herrliche Geſchöpf, die einzig Reine in dieſem Hexenſabbath! denn ſie iſt rein und gut, oder es giebt nichts Reines auf dieſer Welt. Nein, nein! und wenn Alles um Dich her Lug und Trug iſt, und ſchwarzer, tückiſcher Verrath — auf dieſen einen hohen Stern willſt Du Dein Auge hef¬ ten — es iſt Dein Stern! denn nur das unerreichbar Hohe iſt Deiner Liebe werth! um die Irrlichter, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/76
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/76>, abgerufen am 22.12.2024.