das Alles heißt?" "Das Alles heißt, daß Oswald Tante Berkow sehr lieb hat und daß er nicht mag, wenn über sie gesprochen wird; eben so wenig wie ich es mag, wenn Tante und Felix über Dich sprechen." "Ach, Du weißt ja nicht, was Du redest." "Natür¬ lich, das ist immer das Ende vom Liede; ich weiß nichts; ich bin ein dummer Junge; heisa, heisa, hopsasa! ich habe keine Ohren, zu hören, keine Augen, zu sehen? warum? weil ich erst sechszehn Jahre alt bin und mein Bart noch einiges zu wünschen übrig läßt."
Wie Helene diese Mittheilung aufnahm? ob sie im Stillen nicht doch eine Art von Enttäuschung em¬ pfand? ob sie die Melancholie in Oswald's großen blauen Augen nicht doch anders erklärt hatte? viel¬ leicht hätte sie selbst sich darüber keine Rechenschaft zu geben vermocht; auf jeden Fall aber wurde das Interesse, welches sie seit dem Abend am Strande für Oswald zu empfinden begonnen hatte, noch be¬ deutend erhöht. Sie fing an, ihn noch genauer als vorher zu beobachten; sie war aufmerksam auf jedes seiner Worte; sie sang und spielte vorzugsweise gern die Lieder und Musikstücke, die seinen Beifall hatten; sie freute sich, als er wieder, wie früher, des Mor¬ gens in den Garten kam, und empfand es mit einiger
das Alles heißt?“ „Das Alles heißt, daß Oswald Tante Berkow ſehr lieb hat und daß er nicht mag, wenn über ſie geſprochen wird; eben ſo wenig wie ich es mag, wenn Tante und Felix über Dich ſprechen.“ „Ach, Du weißt ja nicht, was Du redeſt.“ „Natür¬ lich, das iſt immer das Ende vom Liede; ich weiß nichts; ich bin ein dummer Junge; heiſa, heiſa, hopſaſa! ich habe keine Ohren, zu hören, keine Augen, zu ſehen? warum? weil ich erſt ſechszehn Jahre alt bin und mein Bart noch einiges zu wünſchen übrig läßt.“
Wie Helene dieſe Mittheilung aufnahm? ob ſie im Stillen nicht doch eine Art von Enttäuſchung em¬ pfand? ob ſie die Melancholie in Oswald's großen blauen Augen nicht doch anders erklärt hatte? viel¬ leicht hätte ſie ſelbſt ſich darüber keine Rechenſchaft zu geben vermocht; auf jeden Fall aber wurde das Intereſſe, welches ſie ſeit dem Abend am Strande für Oswald zu empfinden begonnen hatte, noch be¬ deutend erhöht. Sie fing an, ihn noch genauer als vorher zu beobachten; ſie war aufmerkſam auf jedes ſeiner Worte; ſie ſang und ſpielte vorzugsweiſe gern die Lieder und Muſikſtücke, die ſeinen Beifall hatten; ſie freute ſich, als er wieder, wie früher, des Mor¬ gens in den Garten kam, und empfand es mit einiger
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das Alles heißt?“ „Das Alles heißt, daß Oswald
Tante Berkow ſehr lieb hat und daß er nicht mag,
wenn über ſie geſprochen wird; eben ſo wenig wie
ich es mag, wenn Tante und Felix über Dich ſprechen.“
„Ach, Du weißt ja nicht, was Du redeſt.“ „Natür¬
lich, das iſt immer das Ende vom Liede; ich weiß
nichts; ich bin ein dummer Junge; heiſa, heiſa,
hopſaſa! ich habe keine Ohren, zu hören, keine Augen,
zu ſehen? warum? weil ich erſt ſechszehn Jahre alt
bin und mein Bart noch einiges zu wünſchen übrig
läßt.“
Wie Helene dieſe Mittheilung aufnahm? ob ſie
im Stillen nicht doch eine Art von Enttäuſchung em¬
pfand? ob ſie die Melancholie in Oswald's großen
blauen Augen nicht doch anders erklärt hatte? viel¬
leicht hätte ſie ſelbſt ſich darüber keine Rechenſchaft
zu geben vermocht; auf jeden Fall aber wurde das
Intereſſe, welches ſie ſeit dem Abend am Strande
für Oswald zu empfinden begonnen hatte, noch be¬
deutend erhöht. Sie fing an, ihn noch genauer als
vorher zu beobachten; ſie war aufmerkſam auf jedes
ſeiner Worte; ſie ſang und ſpielte vorzugsweiſe gern
die Lieder und Muſikſtücke, die ſeinen Beifall hatten;
ſie freute ſich, als er wieder, wie früher, des Mor¬
gens in den Garten kam, und empfand es mit einiger
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/56>, abgerufen am 22.12.2024.
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