ein Zwang auferlegt werden," erwiederte der alte Baron, der weder die Wahrheit sagen durfte, noch lügen wollte, mit ziemlicher Verwirrung.
Helene antwortete nicht; aber der angeregte Ge¬ danke arbeitete in ihrem lebhaften Geiste weiter. Sie verglich das gestrige Gespräch, das sie auf ihrem Zimmer mit ihrer Mutter gehabt hatte, mit dem so¬ eben geführten . . . es bedurfte nicht einmal eines so scharfsinnigen Kopfes, als der ihre war, um den Zu¬ sammenhang zwischen diesen beiden Unterredungen und den Sinn der hingeworfenen Andeutungen zu entdecken. Ihr stolzes Gemüth empörte sich, wenn sie dachte, daß man, ohne sie zu fragen, ohne ihre Meinung ein¬ zuholen, im Voraus über ihr Schicksal entschieden und ihre Hand versprochen habe; daß dieser Felix, vor dem ihr reines keusches Herz sie instinctiv warnte, vielleicht schon in diesem Augenblick sie als die seine betrachtete! Diese Gedanken nahmen sie so ganz in Anspruch, daß sie nicht einmal in das bewundernde: Ah, wie schön! wie herrlich! einzustimmen vermochte, in das die übrige Gesellschaft ausbrach, als man einige Minuten später aus dem Walde auf den Rand des hohen Ufers hinaustrat.
In der That war das Schauspiel das sich den Blicken darbot, wol der Bewunderung werth. Die
ein Zwang auferlegt werden,“ erwiederte der alte Baron, der weder die Wahrheit ſagen durfte, noch lügen wollte, mit ziemlicher Verwirrung.
Helene antwortete nicht; aber der angeregte Ge¬ danke arbeitete in ihrem lebhaften Geiſte weiter. Sie verglich das geſtrige Geſpräch, das ſie auf ihrem Zimmer mit ihrer Mutter gehabt hatte, mit dem ſo¬ eben geführten . . . es bedurfte nicht einmal eines ſo ſcharfſinnigen Kopfes, als der ihre war, um den Zu¬ ſammenhang zwiſchen dieſen beiden Unterredungen und den Sinn der hingeworfenen Andeutungen zu entdecken. Ihr ſtolzes Gemüth empörte ſich, wenn ſie dachte, daß man, ohne ſie zu fragen, ohne ihre Meinung ein¬ zuholen, im Voraus über ihr Schickſal entſchieden und ihre Hand verſprochen habe; daß dieſer Felix, vor dem ihr reines keuſches Herz ſie inſtinctiv warnte, vielleicht ſchon in dieſem Augenblick ſie als die ſeine betrachtete! Dieſe Gedanken nahmen ſie ſo ganz in Anſpruch, daß ſie nicht einmal in das bewundernde: Ah, wie ſchön! wie herrlich! einzuſtimmen vermochte, in das die übrige Geſellſchaft ausbrach, als man einige Minuten ſpäter aus dem Walde auf den Rand des hohen Ufers hinaustrat.
In der That war das Schauſpiel das ſich den Blicken darbot, wol der Bewunderung werth. Die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="21"/>
ein Zwang auferlegt werden,“ erwiederte der alte<lb/>
Baron, der weder die Wahrheit ſagen durfte, noch<lb/>
lügen wollte, mit ziemlicher Verwirrung.</p><lb/><p>Helene antwortete nicht; aber der angeregte Ge¬<lb/>
danke arbeitete in ihrem lebhaften Geiſte weiter. Sie<lb/>
verglich das geſtrige Geſpräch, das ſie auf ihrem<lb/>
Zimmer mit ihrer Mutter gehabt hatte, mit dem ſo¬<lb/>
eben geführten . . . es bedurfte nicht einmal eines ſo<lb/>ſcharfſinnigen Kopfes, als der ihre war, um den Zu¬<lb/>ſammenhang zwiſchen dieſen beiden Unterredungen und<lb/>
den Sinn der hingeworfenen Andeutungen zu entdecken.<lb/>
Ihr ſtolzes Gemüth empörte ſich, wenn ſie dachte,<lb/>
daß man, ohne ſie zu fragen, ohne ihre Meinung ein¬<lb/>
zuholen, im Voraus über ihr Schickſal entſchieden<lb/>
und ihre Hand verſprochen habe; daß dieſer Felix,<lb/>
vor dem ihr reines keuſches Herz ſie inſtinctiv warnte,<lb/>
vielleicht ſchon in dieſem Augenblick ſie als die ſeine<lb/>
betrachtete! Dieſe Gedanken nahmen ſie ſo ganz in<lb/>
Anſpruch, daß ſie nicht einmal in das bewundernde:<lb/>
Ah, wie ſchön! wie herrlich! einzuſtimmen vermochte,<lb/>
in das die übrige Geſellſchaft ausbrach, als man<lb/>
einige Minuten ſpäter aus dem Walde auf den Rand<lb/>
des hohen Ufers hinaustrat.</p><lb/><p>In der That war das Schauſpiel das ſich den<lb/>
Blicken darbot, wol der Bewunderung werth. Die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[21/0031]
ein Zwang auferlegt werden,“ erwiederte der alte
Baron, der weder die Wahrheit ſagen durfte, noch
lügen wollte, mit ziemlicher Verwirrung.
Helene antwortete nicht; aber der angeregte Ge¬
danke arbeitete in ihrem lebhaften Geiſte weiter. Sie
verglich das geſtrige Geſpräch, das ſie auf ihrem
Zimmer mit ihrer Mutter gehabt hatte, mit dem ſo¬
eben geführten . . . es bedurfte nicht einmal eines ſo
ſcharfſinnigen Kopfes, als der ihre war, um den Zu¬
ſammenhang zwiſchen dieſen beiden Unterredungen und
den Sinn der hingeworfenen Andeutungen zu entdecken.
Ihr ſtolzes Gemüth empörte ſich, wenn ſie dachte,
daß man, ohne ſie zu fragen, ohne ihre Meinung ein¬
zuholen, im Voraus über ihr Schickſal entſchieden
und ihre Hand verſprochen habe; daß dieſer Felix,
vor dem ihr reines keuſches Herz ſie inſtinctiv warnte,
vielleicht ſchon in dieſem Augenblick ſie als die ſeine
betrachtete! Dieſe Gedanken nahmen ſie ſo ganz in
Anſpruch, daß ſie nicht einmal in das bewundernde:
Ah, wie ſchön! wie herrlich! einzuſtimmen vermochte,
in das die übrige Geſellſchaft ausbrach, als man
einige Minuten ſpäter aus dem Walde auf den Rand
des hohen Ufers hinaustrat.
In der That war das Schauſpiel das ſich den
Blicken darbot, wol der Bewunderung werth. Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/31>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.