Diese letzte Scene hatten zwei Männer beobachtet, die in demselben Augenblick, als Melitta und Olden¬ burg den Kirchhof verließen, durch die zweite Thür, welche auf die Dorfstraße führte, eingetreten waren und auf ein frisches Grab, in der Nähe der Thür, auf der adligen Seite, und auf ein etwas älteres, auf der andern Seite, Kränze gelegt hatten. Es waren Oswald und Doctor Braun; beide in Reisekleidern. Sie standen, Arm in Arm, auf der Treppe der Kirche und sahen der Abschiedsscene zwischen Oldenburg und Melitta zu. Als der Baron Melitta's Hand küßte, flog ein ironisches Lächeln über Oswald's bleiches und verfallenes Gesicht.
"Können wir gehen?" sagte er; "Mir ist, als brennte mir der Boden unter den Füßen."
"Ich bin bereit," sagte der Doctor. "Wenn es nach meinem Willen gegangen wäre, hätten Sie diese Gegend schon längst verlassen, und wenn es nach meinem Willen geht, kommen Sie nie wieder hierher zurück. Die Reise, die wir vorhaben, wird Sie wieder zu sich selbst bringen. Sie haben viel verloren, aber nichts, was sich nicht wieder gewinnen ließe. Sie haben Vernunft und Wissenschaft, des Menschen aller¬ höchste Kraft, verachtet; und doch ist für Sie nur
Dieſe letzte Scene hatten zwei Männer beobachtet, die in demſelben Augenblick, als Melitta und Olden¬ burg den Kirchhof verließen, durch die zweite Thür, welche auf die Dorfſtraße führte, eingetreten waren und auf ein friſches Grab, in der Nähe der Thür, auf der adligen Seite, und auf ein etwas älteres, auf der andern Seite, Kränze gelegt hatten. Es waren Oswald und Doctor Braun; beide in Reiſekleidern. Sie ſtanden, Arm in Arm, auf der Treppe der Kirche und ſahen der Abſchiedsſcene zwiſchen Oldenburg und Melitta zu. Als der Baron Melitta's Hand küßte, flog ein ironiſches Lächeln über Oswald's bleiches und verfallenes Geſicht.
„Können wir gehen?“ ſagte er; „Mir iſt, als brennte mir der Boden unter den Füßen.“
„Ich bin bereit,“ ſagte der Doctor. „Wenn es nach meinem Willen gegangen wäre, hätten Sie dieſe Gegend ſchon längſt verlaſſen, und wenn es nach meinem Willen geht, kommen Sie nie wieder hierher zurück. Die Reiſe, die wir vorhaben, wird Sie wieder zu ſich ſelbſt bringen. Sie haben viel verloren, aber nichts, was ſich nicht wieder gewinnen ließe. Sie haben Vernunft und Wiſſenſchaft, des Menſchen aller¬ höchſte Kraft, verachtet; und doch iſt für Sie nur
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Dieſe letzte Scene hatten zwei Männer beobachtet,
die in demſelben Augenblick, als Melitta und Olden¬
burg den Kirchhof verließen, durch die zweite Thür,
welche auf die Dorfſtraße führte, eingetreten waren
und auf ein friſches Grab, in der Nähe der Thür,
auf der adligen Seite, und auf ein etwas älteres,
auf der andern Seite, Kränze gelegt hatten. Es waren
Oswald und Doctor Braun; beide in Reiſekleidern.
Sie ſtanden, Arm in Arm, auf der Treppe der Kirche
und ſahen der Abſchiedsſcene zwiſchen Oldenburg und
Melitta zu. Als der Baron Melitta's Hand küßte,
flog ein ironiſches Lächeln über Oswald's bleiches
und verfallenes Geſicht.
„Können wir gehen?“ ſagte er; „Mir iſt, als
brennte mir der Boden unter den Füßen.“
„Ich bin bereit,“ ſagte der Doctor. „Wenn es
nach meinem Willen gegangen wäre, hätten Sie dieſe
Gegend ſchon längſt verlaſſen, und wenn es nach
meinem Willen geht, kommen Sie nie wieder hierher
zurück. Die Reiſe, die wir vorhaben, wird Sie wieder
zu ſich ſelbſt bringen. Sie haben viel verloren, aber
nichts, was ſich nicht wieder gewinnen ließe. Sie
haben Vernunft und Wiſſenſchaft, des Menſchen aller¬
höchſte Kraft, verachtet; und doch iſt für Sie nur
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/304>, abgerufen am 22.12.2024.
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