So mußte also der bittre Kelch geleert werden. Felix traute seinen Ohren kaum. Er, Felix von Gren¬ witz, ausgeschlagen, zurückgewiesen, mit Verachtung behandelt in dem einen Fall, wo er wirklich ernste Absichten gehabt hatte? von einem Mädchen, das eben aus der Pension kam? und möglicherweise wem ge¬ opfert? einem obscuren Menschen, dessen ganzes Ver¬ dienst darin bestand, beinahe wie ein Gentleman aus¬ zusehen? Felix that, als ob der Untergang der Welt durch diese Zeichen verkündet sei. Und Helenen zu verlieren -- darüber würde sich Felix noch zur Noth getröstet haben; aber auch die Aussichten auf Bezah¬ lung seiner Schulden, oder genauer auf eine so we¬ sentliche Erhöhung seines Credits -- das war das Schlimmste, das, worüber ein Mann wie Felix nicht so leicht hinwegkam. Helenen's Aussteuer, die Summe, welche ihm sein Onkel vorschießen wollte, den zu Grunde gewirthschafteten Gütern wieder aufzuhelfen, -- nein! so konnte man nicht mit ihm spielen wollen. Er hatte Alles gethan, was in seinen Kräften stand, er hatte seinen Abschied genommen (nehmen müssen, wäre richtiger gewesen); er war von der Baronin autorisirt worden, vor der Gesellschaft seine Bewer¬ bung um Helene nicht zu verschweigen -- jetzt war Dienst, Braut, Ehre -- Alles verloren.
So mußte alſo der bittre Kelch geleert werden. Felix traute ſeinen Ohren kaum. Er, Felix von Gren¬ witz, ausgeſchlagen, zurückgewieſen, mit Verachtung behandelt in dem einen Fall, wo er wirklich ernſte Abſichten gehabt hatte? von einem Mädchen, das eben aus der Penſion kam? und möglicherweiſe wem ge¬ opfert? einem obſcuren Menſchen, deſſen ganzes Ver¬ dienſt darin beſtand, beinahe wie ein Gentleman aus¬ zuſehen? Felix that, als ob der Untergang der Welt durch dieſe Zeichen verkündet ſei. Und Helenen zu verlieren — darüber würde ſich Felix noch zur Noth getröſtet haben; aber auch die Ausſichten auf Bezah¬ lung ſeiner Schulden, oder genauer auf eine ſo we¬ ſentliche Erhöhung ſeines Credits — das war das Schlimmſte, das, worüber ein Mann wie Felix nicht ſo leicht hinwegkam. Helenen's Ausſteuer, die Summe, welche ihm ſein Onkel vorſchießen wollte, den zu Grunde gewirthſchafteten Gütern wieder aufzuhelfen, — nein! ſo konnte man nicht mit ihm ſpielen wollen. Er hatte Alles gethan, was in ſeinen Kräften ſtand, er hatte ſeinen Abſchied genommen (nehmen müſſen, wäre richtiger geweſen); er war von der Baronin autoriſirt worden, vor der Geſellſchaft ſeine Bewer¬ bung um Helene nicht zu verſchweigen — jetzt war Dienſt, Braut, Ehre — Alles verloren.
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So mußte alſo der bittre Kelch geleert werden.
Felix traute ſeinen Ohren kaum. Er, Felix von Gren¬
witz, ausgeſchlagen, zurückgewieſen, mit Verachtung
behandelt in dem einen Fall, wo er wirklich ernſte
Abſichten gehabt hatte? von einem Mädchen, das eben
aus der Penſion kam? und möglicherweiſe wem ge¬
opfert? einem obſcuren Menſchen, deſſen ganzes Ver¬
dienſt darin beſtand, beinahe wie ein Gentleman aus¬
zuſehen? Felix that, als ob der Untergang der Welt
durch dieſe Zeichen verkündet ſei. Und Helenen zu
verlieren — darüber würde ſich Felix noch zur Noth
getröſtet haben; aber auch die Ausſichten auf Bezah¬
lung ſeiner Schulden, oder genauer auf eine ſo we¬
ſentliche Erhöhung ſeines Credits — das war das
Schlimmſte, das, worüber ein Mann wie Felix nicht
ſo leicht hinwegkam. Helenen's Ausſteuer, die Summe,
welche ihm ſein Onkel vorſchießen wollte, den zu
Grunde gewirthſchafteten Gütern wieder aufzuhelfen,
— nein! ſo konnte man nicht mit ihm ſpielen wollen.
Er hatte Alles gethan, was in ſeinen Kräften ſtand,
er hatte ſeinen Abſchied genommen (nehmen müſſen,
wäre richtiger geweſen); er war von der Baronin
autoriſirt worden, vor der Geſellſchaft ſeine Bewer¬
bung um Helene nicht zu verſchweigen — jetzt war
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/233>, abgerufen am 22.12.2024.
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