Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

sagen, was sie wollte. Und Anna-Maria ließ es an
Worten, ja selbst an Thränen nicht fehlen. Vergebens,
daß sie Helenen's Trotz, Helenen's unkindliches Be¬
nehmen in der eben stattgehabten Unterredung mit
den schwärzesten Farben schilderte, vergebens daß sie
dem alten Mann mit dem Aeußersten drohte, ihm
drohte, daß er nur zu wählen habe zwischen seiner
treuen Gattin und seiner ungehorsamen Tochter, daß
sie in ihrem eigenen Hause nicht die Schmach erleben
wolle, ihr eigen Kind über sich triumphiren zu sehen
-- der alte Herr behauptete die einmal eingenommene
Position mit einer zähen Hartnäckigkeit: Helene sei
nicht schlecht, sie habe sich in ihrer Heftigkeit vergessen
können, aber sie sei nicht schlecht; sie werde die Mutter
um Verzeihung bitten, wenn sie dieselbe beleidigt habe;
aber gesetzt, sie sei nicht so gut, wie er glaube, ge¬
setzt, sie habe sich gegen ihre Mutter vergangen, so
sei das doch immer kein Grund, sie in eine ihr ver¬
haßte Ehe zu zwingen. -- Alles, was die Baronin
erlangen konnte, war, daß, wenn Helene sich nicht
nachgiebig zeigen sollte, sie das elterliche Haus auf
einige Zeit verlassen müsse. Der Baron willigte dar¬
ein, weil er diese Trennung für das beste Mittel
hielt, Mutter und Tochter wieder zusammen zu brin¬
gen, wenn sich die Leidenscheft nur erst auf beiden

ſagen, was ſie wollte. Und Anna-Maria ließ es an
Worten, ja ſelbſt an Thränen nicht fehlen. Vergebens,
daß ſie Helenen's Trotz, Helenen's unkindliches Be¬
nehmen in der eben ſtattgehabten Unterredung mit
den ſchwärzeſten Farben ſchilderte, vergebens daß ſie
dem alten Mann mit dem Aeußerſten drohte, ihm
drohte, daß er nur zu wählen habe zwiſchen ſeiner
treuen Gattin und ſeiner ungehorſamen Tochter, daß
ſie in ihrem eigenen Hauſe nicht die Schmach erleben
wolle, ihr eigen Kind über ſich triumphiren zu ſehen
— der alte Herr behauptete die einmal eingenommene
Poſition mit einer zähen Hartnäckigkeit: Helene ſei
nicht ſchlecht, ſie habe ſich in ihrer Heftigkeit vergeſſen
können, aber ſie ſei nicht ſchlecht; ſie werde die Mutter
um Verzeihung bitten, wenn ſie dieſelbe beleidigt habe;
aber geſetzt, ſie ſei nicht ſo gut, wie er glaube, ge¬
ſetzt, ſie habe ſich gegen ihre Mutter vergangen, ſo
ſei das doch immer kein Grund, ſie in eine ihr ver¬
haßte Ehe zu zwingen. — Alles, was die Baronin
erlangen konnte, war, daß, wenn Helene ſich nicht
nachgiebig zeigen ſollte, ſie das elterliche Haus auf
einige Zeit verlaſſen müſſe. Der Baron willigte dar¬
ein, weil er dieſe Trennung für das beſte Mittel
hielt, Mutter und Tochter wieder zuſammen zu brin¬
gen, wenn ſich die Leidenſcheft nur erſt auf beiden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="219"/>
&#x017F;agen, was &#x017F;ie wollte. Und Anna-Maria ließ es an<lb/>
Worten, ja &#x017F;elb&#x017F;t an Thränen nicht fehlen. Vergebens,<lb/>
daß &#x017F;ie Helenen's Trotz, Helenen's unkindliches Be¬<lb/>
nehmen in der eben &#x017F;tattgehabten Unterredung mit<lb/>
den &#x017F;chwärze&#x017F;ten Farben &#x017F;childerte, vergebens daß &#x017F;ie<lb/>
dem alten Mann mit dem Aeußer&#x017F;ten drohte, ihm<lb/>
drohte, daß er nur zu wählen habe zwi&#x017F;chen &#x017F;einer<lb/>
treuen Gattin und &#x017F;einer ungehor&#x017F;amen Tochter, daß<lb/>
&#x017F;ie in ihrem eigenen Hau&#x017F;e nicht die Schmach erleben<lb/>
wolle, ihr eigen Kind über &#x017F;ich triumphiren zu &#x017F;ehen<lb/>
&#x2014; der alte Herr behauptete die einmal eingenommene<lb/>
Po&#x017F;ition mit einer zähen Hartnäckigkeit: Helene &#x017F;ei<lb/>
nicht &#x017F;chlecht, &#x017F;ie habe &#x017F;ich in ihrer Heftigkeit verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
können, aber &#x017F;ie &#x017F;ei nicht &#x017F;chlecht; &#x017F;ie werde die Mutter<lb/>
um Verzeihung bitten, wenn &#x017F;ie die&#x017F;elbe beleidigt habe;<lb/>
aber ge&#x017F;etzt, &#x017F;ie &#x017F;ei nicht &#x017F;o gut, wie er glaube, ge¬<lb/>
&#x017F;etzt, &#x017F;ie habe &#x017F;ich gegen ihre Mutter vergangen, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ei das doch immer kein Grund, &#x017F;ie in eine ihr ver¬<lb/>
haßte Ehe zu zwingen. &#x2014; Alles, was die Baronin<lb/>
erlangen konnte, war, daß, wenn Helene &#x017F;ich nicht<lb/>
nachgiebig zeigen &#x017F;ollte, &#x017F;ie das elterliche Haus auf<lb/>
einige Zeit verla&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;e. Der Baron willigte dar¬<lb/>
ein, weil er die&#x017F;e Trennung für das be&#x017F;te Mittel<lb/>
hielt, Mutter und Tochter wieder zu&#x017F;ammen zu brin¬<lb/>
gen, wenn &#x017F;ich die Leiden&#x017F;cheft nur er&#x017F;t auf beiden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0229] ſagen, was ſie wollte. Und Anna-Maria ließ es an Worten, ja ſelbſt an Thränen nicht fehlen. Vergebens, daß ſie Helenen's Trotz, Helenen's unkindliches Be¬ nehmen in der eben ſtattgehabten Unterredung mit den ſchwärzeſten Farben ſchilderte, vergebens daß ſie dem alten Mann mit dem Aeußerſten drohte, ihm drohte, daß er nur zu wählen habe zwiſchen ſeiner treuen Gattin und ſeiner ungehorſamen Tochter, daß ſie in ihrem eigenen Hauſe nicht die Schmach erleben wolle, ihr eigen Kind über ſich triumphiren zu ſehen — der alte Herr behauptete die einmal eingenommene Poſition mit einer zähen Hartnäckigkeit: Helene ſei nicht ſchlecht, ſie habe ſich in ihrer Heftigkeit vergeſſen können, aber ſie ſei nicht ſchlecht; ſie werde die Mutter um Verzeihung bitten, wenn ſie dieſelbe beleidigt habe; aber geſetzt, ſie ſei nicht ſo gut, wie er glaube, ge¬ ſetzt, ſie habe ſich gegen ihre Mutter vergangen, ſo ſei das doch immer kein Grund, ſie in eine ihr ver¬ haßte Ehe zu zwingen. — Alles, was die Baronin erlangen konnte, war, daß, wenn Helene ſich nicht nachgiebig zeigen ſollte, ſie das elterliche Haus auf einige Zeit verlaſſen müſſe. Der Baron willigte dar¬ ein, weil er dieſe Trennung für das beſte Mittel hielt, Mutter und Tochter wieder zuſammen zu brin¬ gen, wenn ſich die Leidenſcheft nur erſt auf beiden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/229
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/229>, abgerufen am 24.05.2024.