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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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Doch da! da schimmerte ihr Kleid zwischen den
Bäumen des Walles herüber. Das mußte sie sein.
Sie schritt rascher vorwärts, sobald sie ihn bemerkt
hatte -- es schien ihr selbst daran gelegen, ihn zu
sprechen.

"Gott sei Dank, daß Sie kommen," rief sie ihm
schon von weitem entgegen; "ich habe fast die ganze
Nacht vor Sorge und Angst nicht geschlafen. Es
geht gut -- nicht wahr? Sie würden ihn ja auch
sonst nicht verlassen haben?"

"Es geht besser, wenigstens sagt Bruno so; aber
ich fürchte, nichts weniger als gut. Sie wissen, er
ist ein Held, auch im Ertragen von Schmerzen."

"Ja, das ist er!" sagte Helene; "ich liebe ihn wie
meinen Bruder; nein! viel, viel mehr, wie meinen
Bruder. Der Gedanke, ihn zu verlieren, ist für mich
entsetzlich. Sie glauben nicht, wie ich mich seinet¬
halben quäle."

"Gewiß nicht mehr, als er sich Ihrethalben;"
sagte Oswald.

"Wie das?" fragte Helene, ihre großen Augen
forschend auf Oswald's Gesicht heftend.

"Ich will nicht durch eine lange Einleitung die
kostbaren Augenblicke, in denen ich ungestört mit Ihnen
sprechen kann, verlieren;" sagte Oswald. Diesen Brief

Doch da! da ſchimmerte ihr Kleid zwiſchen den
Bäumen des Walles herüber. Das mußte ſie ſein.
Sie ſchritt raſcher vorwärts, ſobald ſie ihn bemerkt
hatte — es ſchien ihr ſelbſt daran gelegen, ihn zu
ſprechen.

„Gott ſei Dank, daß Sie kommen,“ rief ſie ihm
ſchon von weitem entgegen; „ich habe faſt die ganze
Nacht vor Sorge und Angſt nicht geſchlafen. Es
geht gut — nicht wahr? Sie würden ihn ja auch
ſonſt nicht verlaſſen haben?“

„Es geht beſſer, wenigſtens ſagt Bruno ſo; aber
ich fürchte, nichts weniger als gut. Sie wiſſen, er
iſt ein Held, auch im Ertragen von Schmerzen.“

„Ja, das iſt er!“ ſagte Helene; „ich liebe ihn wie
meinen Bruder; nein! viel, viel mehr, wie meinen
Bruder. Der Gedanke, ihn zu verlieren, iſt für mich
entſetzlich. Sie glauben nicht, wie ich mich ſeinet¬
halben quäle.“

„Gewiß nicht mehr, als er ſich Ihrethalben;“
ſagte Oswald.

„Wie das?“ fragte Helene, ihre großen Augen
forſchend auf Oswald's Geſicht heftend.

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[198/0208] Doch da! da ſchimmerte ihr Kleid zwiſchen den Bäumen des Walles herüber. Das mußte ſie ſein. Sie ſchritt raſcher vorwärts, ſobald ſie ihn bemerkt hatte — es ſchien ihr ſelbſt daran gelegen, ihn zu ſprechen. „Gott ſei Dank, daß Sie kommen,“ rief ſie ihm ſchon von weitem entgegen; „ich habe faſt die ganze Nacht vor Sorge und Angſt nicht geſchlafen. Es geht gut — nicht wahr? Sie würden ihn ja auch ſonſt nicht verlaſſen haben?“ „Es geht beſſer, wenigſtens ſagt Bruno ſo; aber ich fürchte, nichts weniger als gut. Sie wiſſen, er iſt ein Held, auch im Ertragen von Schmerzen.“ „Ja, das iſt er!“ ſagte Helene; „ich liebe ihn wie meinen Bruder; nein! viel, viel mehr, wie meinen Bruder. Der Gedanke, ihn zu verlieren, iſt für mich entſetzlich. Sie glauben nicht, wie ich mich ſeinet¬ halben quäle.“ „Gewiß nicht mehr, als er ſich Ihrethalben;“ ſagte Oswald. „Wie das?“ fragte Helene, ihre großen Augen forſchend auf Oswald's Geſicht heftend. „Ich will nicht durch eine lange Einleitung die koſtbaren Augenblicke, in denen ich ungeſtört mit Ihnen ſprechen kann, verlieren;“ ſagte Oswald. Dieſen Brief

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/208>, abgerufen am 22.12.2024.