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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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war es so stumm um den Tisch her, wie bei einem
egyptischen Todtenmahl.

Die Baronin und Felix blieben nach Tische allein,
da der Baron sich ausnahmsweise auf sein Zimmer
zurückgezogen hatte. Felix hatte während der Mahl¬
zeit überlegt, ob er nicht doch besser thäte, das Er¬
eigniß von gestern Abend -- natürlich nach seiner
Auffassung -- zu erzählen, bevor Bruno Gelegenheit
habe, sich gegen irgend Jemand, Oswald ausgenom¬
men, darüber zu äußern. So benutzte er denn das
tete-a-tete mit der Baronin, ihr mitzutheilen --
versteht sich, lachend und mit der Bitte, die curiose
Geschichte nicht weiter gelangen zu lassen -- wie er
gestern Abend durch den hellen Mondschein verlockt
worden sei, noch etwas im Garten zu promeniren,
wie er Bruno in einer höchst eigenthümlichen Weise
um die Fenster Helenen's habe schleichen sehen, wie
er den Jungen zu Bett geschickt habe, darüber mit
ihm in Streit gerathen, mit dem Fuße ausgeglitten,
hingefallen und für einen Augenblick der Besiegte ge¬
wesen sei. Natürlich nur für einen Augenblick, dann
habe Bruno die verdienten Schläge erhalten, und
die würden auch wol der Grund seiner heutigen Krank¬
heit sein.

Die Baronin fühlte sich durch diese humoristische

F. Spielhagen, Problematische Naturen IV. 11

war es ſo ſtumm um den Tiſch her, wie bei einem
egyptiſchen Todtenmahl.

Die Baronin und Felix blieben nach Tiſche allein,
da der Baron ſich ausnahmsweiſe auf ſein Zimmer
zurückgezogen hatte. Felix hatte während der Mahl¬
zeit überlegt, ob er nicht doch beſſer thäte, das Er¬
eigniß von geſtern Abend — natürlich nach ſeiner
Auffaſſung — zu erzählen, bevor Bruno Gelegenheit
habe, ſich gegen irgend Jemand, Oswald ausgenom¬
men, darüber zu äußern. So benutzte er denn das
tête-à-tête mit der Baronin, ihr mitzutheilen —
verſteht ſich, lachend und mit der Bitte, die curioſe
Geſchichte nicht weiter gelangen zu laſſen — wie er
geſtern Abend durch den hellen Mondſchein verlockt
worden ſei, noch etwas im Garten zu promeniren,
wie er Bruno in einer höchſt eigenthümlichen Weiſe
um die Fenſter Helenen's habe ſchleichen ſehen, wie
er den Jungen zu Bett geſchickt habe, darüber mit
ihm in Streit gerathen, mit dem Fuße ausgeglitten,
hingefallen und für einen Augenblick der Beſiegte ge¬
weſen ſei. Natürlich nur für einen Augenblick, dann
habe Bruno die verdienten Schläge erhalten, und
die würden auch wol der Grund ſeiner heutigen Krank¬
heit ſein.

Die Baronin fühlte ſich durch dieſe humoriſtiſche

F. Spielhagen, Problematiſche Naturen IV. 11
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[161/0171] war es ſo ſtumm um den Tiſch her, wie bei einem egyptiſchen Todtenmahl. Die Baronin und Felix blieben nach Tiſche allein, da der Baron ſich ausnahmsweiſe auf ſein Zimmer zurückgezogen hatte. Felix hatte während der Mahl¬ zeit überlegt, ob er nicht doch beſſer thäte, das Er¬ eigniß von geſtern Abend — natürlich nach ſeiner Auffaſſung — zu erzählen, bevor Bruno Gelegenheit habe, ſich gegen irgend Jemand, Oswald ausgenom¬ men, darüber zu äußern. So benutzte er denn das tête-à-tête mit der Baronin, ihr mitzutheilen — verſteht ſich, lachend und mit der Bitte, die curioſe Geſchichte nicht weiter gelangen zu laſſen — wie er geſtern Abend durch den hellen Mondſchein verlockt worden ſei, noch etwas im Garten zu promeniren, wie er Bruno in einer höchſt eigenthümlichen Weiſe um die Fenſter Helenen's habe ſchleichen ſehen, wie er den Jungen zu Bett geſchickt habe, darüber mit ihm in Streit gerathen, mit dem Fuße ausgeglitten, hingefallen und für einen Augenblick der Beſiegte ge¬ weſen ſei. Natürlich nur für einen Augenblick, dann habe Bruno die verdienten Schläge erhalten, und die würden auch wol der Grund ſeiner heutigen Krank¬ heit ſein. Die Baronin fühlte ſich durch dieſe humoriſtiſche F. Spielhagen, Problematiſche Naturen IV. 11

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/171>, abgerufen am 04.12.2024.