Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

brach ein Schrei aus seiner Kehle, dumpf und rö¬
chelnd -- ein mächtiger Sprung, wie eines Leoparden,
der sich auf seine Beute stürzt -- und im nächsten
Moment lag Felix am Boden und die starken Hände
Bruno's schlossen sich wie eiserne Klammern um seine
Kehle. Felix rang wie ein Verzweifelter, den Knaben
von sich abzuschütteln und wieder in die Höhe zu
kommen, aber vergebens. So oft er sich auch mit
dem Körper emporbäumte, so oft er Bruno mit den
Armen von sich fortzudrücken versuchte, jedes Mal
fühlte er seine Anstrengungen von einer unwidersteh¬
lichen Kraft paralysirt, und fester und fester schlossen
sich die schlanken Finger um seinen Hals.

"Laß mich los, Bruno," stöhnte er.

"Befiehl Deine Seele Gott, denn Du mußt ster¬
ben," knirschte Bruno.

Felix fühlte, wie seine Kräfte ihn verließen, wäh¬
rend die seines Gegners mit jedem Augenblick zu
wachsen schienen. Todesangst ergriff ihn. Er wollte
um Hülfe rufen, aber kein Laut entrang sich seinen
bebenden Lippen; er fühlte ein dumpfes Sausen in
seinen Ohren, das immer lauter und lauter wurde;
vor seinen Augen wurde es Nacht, durch die Millionen
kleine Sterne schossen -- wüste Gedanken jagten wie
vor dem Sturmwind treibende Wolken durch sein Ge¬

brach ein Schrei aus ſeiner Kehle, dumpf und rö¬
chelnd — ein mächtiger Sprung, wie eines Leoparden,
der ſich auf ſeine Beute ſtürzt — und im nächſten
Moment lag Felix am Boden und die ſtarken Hände
Bruno's ſchloſſen ſich wie eiſerne Klammern um ſeine
Kehle. Felix rang wie ein Verzweifelter, den Knaben
von ſich abzuſchütteln und wieder in die Höhe zu
kommen, aber vergebens. So oft er ſich auch mit
dem Körper emporbäumte, ſo oft er Bruno mit den
Armen von ſich fortzudrücken verſuchte, jedes Mal
fühlte er ſeine Anſtrengungen von einer unwiderſteh¬
lichen Kraft paralyſirt, und feſter und feſter ſchloſſen
ſich die ſchlanken Finger um ſeinen Hals.

„Laß mich los, Bruno,“ ſtöhnte er.

„Befiehl Deine Seele Gott, denn Du mußt ſter¬
ben,“ knirſchte Bruno.

Felix fühlte, wie ſeine Kräfte ihn verließen, wäh¬
rend die ſeines Gegners mit jedem Augenblick zu
wachſen ſchienen. Todesangſt ergriff ihn. Er wollte
um Hülfe rufen, aber kein Laut entrang ſich ſeinen
bebenden Lippen; er fühlte ein dumpfes Sauſen in
ſeinen Ohren, das immer lauter und lauter wurde;
vor ſeinen Augen wurde es Nacht, durch die Millionen
kleine Sterne ſchoſſen — wüſte Gedanken jagten wie
vor dem Sturmwind treibende Wolken durch ſein Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0164" n="154"/>
brach ein Schrei aus &#x017F;einer Kehle, dumpf und rö¬<lb/>
chelnd &#x2014; ein mächtiger Sprung, wie eines Leoparden,<lb/>
der &#x017F;ich auf &#x017F;eine Beute &#x017F;türzt &#x2014; und im näch&#x017F;ten<lb/>
Moment lag Felix am Boden und die &#x017F;tarken Hände<lb/>
Bruno's &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich wie ei&#x017F;erne Klammern um &#x017F;eine<lb/>
Kehle. Felix rang wie ein Verzweifelter, den Knaben<lb/>
von &#x017F;ich abzu&#x017F;chütteln und wieder in die Höhe zu<lb/>
kommen, aber vergebens. So oft er &#x017F;ich auch mit<lb/>
dem Körper emporbäumte, &#x017F;o oft er Bruno mit den<lb/>
Armen von &#x017F;ich fortzudrücken ver&#x017F;uchte, jedes Mal<lb/>
fühlte er &#x017F;eine An&#x017F;trengungen von einer unwider&#x017F;teh¬<lb/>
lichen Kraft paraly&#x017F;irt, und fe&#x017F;ter und fe&#x017F;ter &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich die &#x017F;chlanken Finger um &#x017F;einen Hals.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Laß mich los, Bruno,&#x201C; &#x017F;töhnte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Befiehl Deine Seele Gott, denn Du mußt &#x017F;ter¬<lb/>
ben,&#x201C; knir&#x017F;chte Bruno.</p><lb/>
        <p>Felix fühlte, wie &#x017F;eine Kräfte ihn verließen, wäh¬<lb/>
rend die &#x017F;eines Gegners mit jedem Augenblick zu<lb/>
wach&#x017F;en &#x017F;chienen. Todesang&#x017F;t ergriff ihn. Er wollte<lb/>
um Hülfe rufen, aber kein Laut entrang &#x017F;ich &#x017F;einen<lb/>
bebenden Lippen; er fühlte ein dumpfes Sau&#x017F;en in<lb/>
&#x017F;einen Ohren, das immer lauter und lauter wurde;<lb/>
vor &#x017F;einen Augen wurde es Nacht, durch die Millionen<lb/>
kleine Sterne &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en &#x2014;&#x017F;te Gedanken jagten wie<lb/>
vor dem Sturmwind treibende Wolken durch &#x017F;ein Ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0164] brach ein Schrei aus ſeiner Kehle, dumpf und rö¬ chelnd — ein mächtiger Sprung, wie eines Leoparden, der ſich auf ſeine Beute ſtürzt — und im nächſten Moment lag Felix am Boden und die ſtarken Hände Bruno's ſchloſſen ſich wie eiſerne Klammern um ſeine Kehle. Felix rang wie ein Verzweifelter, den Knaben von ſich abzuſchütteln und wieder in die Höhe zu kommen, aber vergebens. So oft er ſich auch mit dem Körper emporbäumte, ſo oft er Bruno mit den Armen von ſich fortzudrücken verſuchte, jedes Mal fühlte er ſeine Anſtrengungen von einer unwiderſteh¬ lichen Kraft paralyſirt, und feſter und feſter ſchloſſen ſich die ſchlanken Finger um ſeinen Hals. „Laß mich los, Bruno,“ ſtöhnte er. „Befiehl Deine Seele Gott, denn Du mußt ſter¬ ben,“ knirſchte Bruno. Felix fühlte, wie ſeine Kräfte ihn verließen, wäh¬ rend die ſeines Gegners mit jedem Augenblick zu wachſen ſchienen. Todesangſt ergriff ihn. Er wollte um Hülfe rufen, aber kein Laut entrang ſich ſeinen bebenden Lippen; er fühlte ein dumpfes Sauſen in ſeinen Ohren, das immer lauter und lauter wurde; vor ſeinen Augen wurde es Nacht, durch die Millionen kleine Sterne ſchoſſen — wüſte Gedanken jagten wie vor dem Sturmwind treibende Wolken durch ſein Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/164
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/164>, abgerufen am 16.07.2024.