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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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"Das alte Leiden?"

"Nun wenigstens eine neue Auflage."

"Vermehrt und verbessert?"

"Es ging noch; aber damit ist es jetzt vorbei.
Wir sind solid geworden; wir werden uns zur Ruhe
setzen -- wie finden Sie diese Beinkleider? ist es nicht
eine geistreiche Combination des militairischen und des
Civilschnitts? ganz meine Erfindung! -- wir werden
heirathen --"

"Das sollten Sie bleiben lassen, Baron!"

"Weshalb?"

"Wenigstens sollten Sie eine ältere, verständige
Dame heirathen."

"Weshalb?"

"Weil Sie, fürchte ich, über kurz oder lang doch
einer mütterlichen Freundin bedürftiger sein werden,
als einer anspruchsvollen jungen Gemahlin."

"Pah, mon cher, ich habe die Ehre, aus einer
Familie zu stammen, in der man ungestraft liederlich
sein darf. Ein bischen Rheumatismus -- das ist das
Aeußerste. Was sagen Sie zu diesem Rock?"

"Gar nichts; Sie wissen, ich war nie ein Kenner
in diesen Dingen."

"Freilich, Sie waren stets das unsaubere Gefäß,
in welches sich die Schale des Zorns unseres guten

„Das alte Leiden?“

„Nun wenigſtens eine neue Auflage.“

„Vermehrt und verbeſſert?“

„Es ging noch; aber damit iſt es jetzt vorbei.
Wir ſind ſolid geworden; wir werden uns zur Ruhe
ſetzen — wie finden Sie dieſe Beinkleider? iſt es nicht
eine geiſtreiche Combination des militairiſchen und des
Civilſchnitts? ganz meine Erfindung! — wir werden
heirathen —“

„Das ſollten Sie bleiben laſſen, Baron!“

„Weshalb?“

„Wenigſtens ſollten Sie eine ältere, verſtändige
Dame heirathen.“

„Weshalb?“

„Weil Sie, fürchte ich, über kurz oder lang doch
einer mütterlichen Freundin bedürftiger ſein werden,
als einer anſpruchsvollen jungen Gemahlin.“

„Pah, mon cher, ich habe die Ehre, aus einer
Familie zu ſtammen, in der man ungeſtraft liederlich
ſein darf. Ein bischen Rheumatismus — das iſt das
Aeußerſte. Was ſagen Sie zu dieſem Rock?“

„Gar nichts; Sie wiſſen, ich war nie ein Kenner
in dieſen Dingen.“

„Freilich, Sie waren ſtets das unſaubere Gefäß,
in welches ſich die Schale des Zorns unſeres guten

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[6/0016] „Das alte Leiden?“ „Nun wenigſtens eine neue Auflage.“ „Vermehrt und verbeſſert?“ „Es ging noch; aber damit iſt es jetzt vorbei. Wir ſind ſolid geworden; wir werden uns zur Ruhe ſetzen — wie finden Sie dieſe Beinkleider? iſt es nicht eine geiſtreiche Combination des militairiſchen und des Civilſchnitts? ganz meine Erfindung! — wir werden heirathen —“ „Das ſollten Sie bleiben laſſen, Baron!“ „Weshalb?“ „Wenigſtens ſollten Sie eine ältere, verſtändige Dame heirathen.“ „Weshalb?“ „Weil Sie, fürchte ich, über kurz oder lang doch einer mütterlichen Freundin bedürftiger ſein werden, als einer anſpruchsvollen jungen Gemahlin.“ „Pah, mon cher, ich habe die Ehre, aus einer Familie zu ſtammen, in der man ungeſtraft liederlich ſein darf. Ein bischen Rheumatismus — das iſt das Aeußerſte. Was ſagen Sie zu dieſem Rock?“ „Gar nichts; Sie wiſſen, ich war nie ein Kenner in dieſen Dingen.“ „Freilich, Sie waren ſtets das unſaubere Gefäß, in welches ſich die Schale des Zorns unſeres guten

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/16>, abgerufen am 18.04.2024.