Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Höhlung und schaute herunter, um sofort,
nachdem es die Beiden erblickt hatte, wieder zu ver¬
schwinden.

"Daß Sie doch noch immer zum Scherz aufgelegt
sind, lieber Felix!" sagte die Baronin.

"Noch immer?" erwiederte Felix, "was ist denn
geschehen, weshalb ich weinen sollte? Sie können wol
nicht vergessen, was ich Ihnen neulich Abends sagte?
Pah! ich habe mich lange von dem Schreck erholt; es
war ein blinder Schuß, glauben Sie mir!"

"Ich wollte, ich könnte ihre Zuversicht theilen,
lieber Felix; aber ich habe meine guten Gründe an¬
derer Meinung zu sein. Ich habe Helene seitdem ge¬
nauer beobachtet; ich kann mich von dem Gedanken
nicht losmachen, daß doch etwas an der Sache ist."

"Aber, verzeihen Sie mir, Tante; Sie haben ein
bewunderungswürdiges Talent, Alles schwarz zu sehen.
Es war ein kindischer Einfall von der kleinen Bree¬
sen; sie wollte mich ärgern -- voila tout! Ich kann
Helenen nicht zutrauen, daß sie mir einen Schul¬
meister vorzieht. Es wäre ja lächerlich, horriblement
lächerlich," sagte der Ex-Lieutenant und betrachtete
wohlgefällig seine lackirten Stiefel.

"Und gesetzt auch, Helene könnte sich nicht so weit
vergessen -- daß es nur die thörichte Laune eines

in der Höhlung und ſchaute herunter, um ſofort,
nachdem es die Beiden erblickt hatte, wieder zu ver¬
ſchwinden.

„Daß Sie doch noch immer zum Scherz aufgelegt
ſind, lieber Felix!“ ſagte die Baronin.

„Noch immer?“ erwiederte Felix, „was iſt denn
geſchehen, weshalb ich weinen ſollte? Sie können wol
nicht vergeſſen, was ich Ihnen neulich Abends ſagte?
Pah! ich habe mich lange von dem Schreck erholt; es
war ein blinder Schuß, glauben Sie mir!“

„Ich wollte, ich könnte ihre Zuverſicht theilen,
lieber Felix; aber ich habe meine guten Gründe an¬
derer Meinung zu ſein. Ich habe Helene ſeitdem ge¬
nauer beobachtet; ich kann mich von dem Gedanken
nicht losmachen, daß doch etwas an der Sache iſt.“

„Aber, verzeihen Sie mir, Tante; Sie haben ein
bewunderungswürdiges Talent, Alles ſchwarz zu ſehen.
Es war ein kindiſcher Einfall von der kleinen Bree¬
ſen; ſie wollte mich ärgern — voilà tout! Ich kann
Helenen nicht zutrauen, daß ſie mir einen Schul¬
meiſter vorzieht. Es wäre ja lächerlich, horriblement
lächerlich,“ ſagte der Ex-Lieutenant und betrachtete
wohlgefällig ſeine lackirten Stiefel.

„Und geſetzt auch, Helene könnte ſich nicht ſo weit
vergeſſen — daß es nur die thörichte Laune eines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0149" n="139"/>
in der Höhlung und &#x017F;chaute herunter, um &#x017F;ofort,<lb/>
nachdem es die Beiden erblickt hatte, wieder zu ver¬<lb/>
&#x017F;chwinden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Daß Sie doch noch immer zum Scherz aufgelegt<lb/>
&#x017F;ind, lieber Felix!&#x201C; &#x017F;agte die Baronin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Noch immer?&#x201C; erwiederte Felix, &#x201E;was i&#x017F;t denn<lb/>
ge&#x017F;chehen, weshalb ich weinen &#x017F;ollte? Sie können wol<lb/>
nicht verge&#x017F;&#x017F;en, was ich Ihnen neulich Abends &#x017F;agte?<lb/>
Pah! ich habe mich lange von dem Schreck erholt; es<lb/>
war ein blinder Schuß, glauben Sie mir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich wollte, ich könnte ihre Zuver&#x017F;icht theilen,<lb/>
lieber Felix; aber ich habe meine guten Gründe an¬<lb/>
derer Meinung zu &#x017F;ein. Ich habe Helene &#x017F;eitdem ge¬<lb/>
nauer beobachtet; ich kann mich von dem Gedanken<lb/>
nicht losmachen, daß doch etwas an der Sache i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, verzeihen Sie mir, Tante; Sie haben ein<lb/>
bewunderungswürdiges Talent, Alles &#x017F;chwarz zu &#x017F;ehen.<lb/>
Es war ein kindi&#x017F;cher Einfall von der kleinen Bree¬<lb/>
&#x017F;en; &#x017F;ie wollte mich ärgern &#x2014; <hi rendition="#aq">voilà tout</hi>! Ich kann<lb/>
Helenen nicht zutrauen, daß &#x017F;ie mir einen Schul¬<lb/>
mei&#x017F;ter vorzieht. Es wäre ja lächerlich, <hi rendition="#aq">horriblement</hi><lb/>
lächerlich,&#x201C; &#x017F;agte der Ex-Lieutenant und betrachtete<lb/>
wohlgefällig &#x017F;eine lackirten Stiefel.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und ge&#x017F;etzt auch, Helene könnte &#x017F;ich nicht &#x017F;o weit<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en &#x2014; daß es nur die thörichte Laune eines<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0149] in der Höhlung und ſchaute herunter, um ſofort, nachdem es die Beiden erblickt hatte, wieder zu ver¬ ſchwinden. „Daß Sie doch noch immer zum Scherz aufgelegt ſind, lieber Felix!“ ſagte die Baronin. „Noch immer?“ erwiederte Felix, „was iſt denn geſchehen, weshalb ich weinen ſollte? Sie können wol nicht vergeſſen, was ich Ihnen neulich Abends ſagte? Pah! ich habe mich lange von dem Schreck erholt; es war ein blinder Schuß, glauben Sie mir!“ „Ich wollte, ich könnte ihre Zuverſicht theilen, lieber Felix; aber ich habe meine guten Gründe an¬ derer Meinung zu ſein. Ich habe Helene ſeitdem ge¬ nauer beobachtet; ich kann mich von dem Gedanken nicht losmachen, daß doch etwas an der Sache iſt.“ „Aber, verzeihen Sie mir, Tante; Sie haben ein bewunderungswürdiges Talent, Alles ſchwarz zu ſehen. Es war ein kindiſcher Einfall von der kleinen Bree¬ ſen; ſie wollte mich ärgern — voilà tout! Ich kann Helenen nicht zutrauen, daß ſie mir einen Schul¬ meiſter vorzieht. Es wäre ja lächerlich, horriblement lächerlich,“ ſagte der Ex-Lieutenant und betrachtete wohlgefällig ſeine lackirten Stiefel. „Und geſetzt auch, Helene könnte ſich nicht ſo weit vergeſſen — daß es nur die thörichte Laune eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/149
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/149>, abgerufen am 22.12.2024.