mit seinen Schwestern und mehre Herren und Da¬ men aus der Nachbarschaft. Sie können sich die nun folgende Scene denken. Ich wurde sofort umringt und mit Fragen überschüttet: Wo ich gewesen wäre? wie ich hierher gekommen wäre? -- Ich dachte, die Wölfe hätten Sie zerrissen! rief der Eine: oder Sie hätten sich aus unglücklicher Liebe erschossen, ein Anderer. -- Ich habe des Räthsels Lösung! schrie ein Dritter: Liebe freilich ist im Spiel, aber bei Leibe keine unglückliche. Sehen Sie dort! und er deutete mit dem Stiel seiner Reitpeitsche auf meine arme Xenobi, die sich bei der Annäherung der Kaval¬ kade scheu hinter dem dicken Stamm der Buche ver¬ steckt hatte. -- Ein allgemeines Gelächter belohnte den Witzbold. Nur ein Gesicht blickte finster drein. Es war die jüngste und hübscheste der Schwestern, der ich noch zuguterletzt den Hof gemacht hatte und die, glaube ich, in ihrer Weise -- was freilich nicht viel sagen will -- mich mit ihrer Neigung beehrte, mir wenigstens schon einige nicht mißzuverstehende Zeichen ihrer Gunst gegeben hatte. Ich schämte mich plötzlich meiner armen Xenobi ganz entsetzlich und hatte nur den einen Wunsch, mich aus der Affaire zu ziehen, ohne die stolze Georgina zu beleidigen. Ich spielte den Entrüsteten, ich behauptete tagelang im
mit ſeinen Schweſtern und mehre Herren und Da¬ men aus der Nachbarſchaft. Sie können ſich die nun folgende Scene denken. Ich wurde ſofort umringt und mit Fragen überſchüttet: Wo ich geweſen wäre? wie ich hierher gekommen wäre? — Ich dachte, die Wölfe hätten Sie zerriſſen! rief der Eine: oder Sie hätten ſich aus unglücklicher Liebe erſchoſſen, ein Anderer. — Ich habe des Räthſels Löſung! ſchrie ein Dritter: Liebe freilich iſt im Spiel, aber bei Leibe keine unglückliche. Sehen Sie dort! und er deutete mit dem Stiel ſeiner Reitpeitſche auf meine arme Xenobi, die ſich bei der Annäherung der Kaval¬ kade ſcheu hinter dem dicken Stamm der Buche ver¬ ſteckt hatte. — Ein allgemeines Gelächter belohnte den Witzbold. Nur ein Geſicht blickte finſter drein. Es war die jüngſte und hübſcheſte der Schweſtern, der ich noch zuguterletzt den Hof gemacht hatte und die, glaube ich, in ihrer Weiſe — was freilich nicht viel ſagen will — mich mit ihrer Neigung beehrte, mir wenigſtens ſchon einige nicht mißzuverſtehende Zeichen ihrer Gunſt gegeben hatte. Ich ſchämte mich plötzlich meiner armen Xenobi ganz entſetzlich und hatte nur den einen Wunſch, mich aus der Affaire zu ziehen, ohne die ſtolze Georgina zu beleidigen. Ich ſpielte den Entrüſteten, ich behauptete tagelang im
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0102"n="92"/>
mit ſeinen Schweſtern und mehre Herren und Da¬<lb/>
men aus der Nachbarſchaft. Sie können ſich die nun<lb/>
folgende Scene denken. Ich wurde ſofort umringt<lb/>
und mit Fragen überſchüttet: Wo ich geweſen wäre?<lb/>
wie ich hierher gekommen wäre? — Ich dachte,<lb/>
die Wölfe hätten Sie zerriſſen! rief der Eine: oder<lb/>
Sie hätten ſich aus unglücklicher Liebe erſchoſſen, ein<lb/>
Anderer. — Ich habe des Räthſels Löſung! ſchrie<lb/>
ein Dritter: Liebe freilich iſt im Spiel, aber bei<lb/>
Leibe keine unglückliche. Sehen Sie dort! und er<lb/>
deutete mit dem Stiel ſeiner Reitpeitſche auf meine<lb/>
arme Xenobi, die ſich bei der Annäherung der Kaval¬<lb/>
kade ſcheu hinter dem dicken Stamm der Buche ver¬<lb/>ſteckt hatte. — Ein allgemeines Gelächter belohnte<lb/>
den Witzbold. Nur ein Geſicht blickte finſter drein.<lb/>
Es war die jüngſte und hübſcheſte der Schweſtern,<lb/>
der ich noch zuguterletzt den Hof gemacht hatte und<lb/>
die, glaube ich, in ihrer Weiſe — was freilich nicht<lb/>
viel ſagen will — mich mit ihrer Neigung beehrte,<lb/>
mir wenigſtens ſchon einige nicht mißzuverſtehende<lb/>
Zeichen ihrer Gunſt gegeben hatte. Ich ſchämte mich<lb/>
plötzlich meiner armen Xenobi ganz entſetzlich und<lb/>
hatte nur den einen Wunſch, mich aus der Affaire zu<lb/>
ziehen, ohne die ſtolze Georgina zu beleidigen. Ich<lb/>ſpielte den Entrüſteten, ich behauptete tagelang im<lb/></p></div></body></text></TEI>
[92/0102]
mit ſeinen Schweſtern und mehre Herren und Da¬
men aus der Nachbarſchaft. Sie können ſich die nun
folgende Scene denken. Ich wurde ſofort umringt
und mit Fragen überſchüttet: Wo ich geweſen wäre?
wie ich hierher gekommen wäre? — Ich dachte,
die Wölfe hätten Sie zerriſſen! rief der Eine: oder
Sie hätten ſich aus unglücklicher Liebe erſchoſſen, ein
Anderer. — Ich habe des Räthſels Löſung! ſchrie
ein Dritter: Liebe freilich iſt im Spiel, aber bei
Leibe keine unglückliche. Sehen Sie dort! und er
deutete mit dem Stiel ſeiner Reitpeitſche auf meine
arme Xenobi, die ſich bei der Annäherung der Kaval¬
kade ſcheu hinter dem dicken Stamm der Buche ver¬
ſteckt hatte. — Ein allgemeines Gelächter belohnte
den Witzbold. Nur ein Geſicht blickte finſter drein.
Es war die jüngſte und hübſcheſte der Schweſtern,
der ich noch zuguterletzt den Hof gemacht hatte und
die, glaube ich, in ihrer Weiſe — was freilich nicht
viel ſagen will — mich mit ihrer Neigung beehrte,
mir wenigſtens ſchon einige nicht mißzuverſtehende
Zeichen ihrer Gunſt gegeben hatte. Ich ſchämte mich
plötzlich meiner armen Xenobi ganz entſetzlich und
hatte nur den einen Wunſch, mich aus der Affaire zu
ziehen, ohne die ſtolze Georgina zu beleidigen. Ich
ſpielte den Entrüſteten, ich behauptete tagelang im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/102>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.