doch nur zu wohl, daß die guten Herzen nicht brechen würden! Es waren Conta meta Geschäfte, bei denen Jeder seine Rechnung gefunden hatte, oder die, schlimmsten Falls, den einen oder den andern und meistens beide Partner so bettelarm ließen, wie sie vorher gewesen waren. Nur einmal -- ich war da¬ mals noch ziemlich jung und das gereicht mir einiger¬ maßen zur Entschuldigung -- nur einmal habe ich mich des Frevels schuldig gemacht, ein Wesen, von dem ich überzeugt sein konnte, daß es mich treu und aufrichtig liebte, mit schnödem Undank zu belohnen. Die Geschichte würde mir unvergeßlich sein, auch wenn sie nicht durch die Begegnung mit der braunen Gräfin auf eine wunderliche Weise mir wieder in die Erinnerung gerufen wäre. Habe ich Ihnen nicht er¬ zählt, wie ich einst vor vielen Jahren im fernen Un¬ garlande, als ich mich auf dem Gute eines Bekannten, den ich unterwegs aufgefischt hatte, zum Besuch auf¬ hielt, ganz zufällig ein Zigeunermädchen fand --"
"Ja;" sagte Oswald; "ich erinnere mich Ihrer Er¬ zählung, die durch das Hereintreten Herrn von Cloten's unterbrochen wurde, sehr wohl. Ich vergaß hernach, Sie um die Fortsetzung zu bitten. War es nicht so? Sie hatten das Mädchen, als Sie einst, fern von der Wohnung, durch den Wald schweiften, in einem Zi¬
doch nur zu wohl, daß die guten Herzen nicht brechen würden! Es waren Conta meta Geſchäfte, bei denen Jeder ſeine Rechnung gefunden hatte, oder die, ſchlimmſten Falls, den einen oder den andern und meiſtens beide Partner ſo bettelarm ließen, wie ſie vorher geweſen waren. Nur einmal — ich war da¬ mals noch ziemlich jung und das gereicht mir einiger¬ maßen zur Entſchuldigung — nur einmal habe ich mich des Frevels ſchuldig gemacht, ein Weſen, von dem ich überzeugt ſein konnte, daß es mich treu und aufrichtig liebte, mit ſchnödem Undank zu belohnen. Die Geſchichte würde mir unvergeßlich ſein, auch wenn ſie nicht durch die Begegnung mit der braunen Gräfin auf eine wunderliche Weiſe mir wieder in die Erinnerung gerufen wäre. Habe ich Ihnen nicht er¬ zählt, wie ich einſt vor vielen Jahren im fernen Un¬ garlande, als ich mich auf dem Gute eines Bekannten, den ich unterwegs aufgefiſcht hatte, zum Beſuch auf¬ hielt, ganz zufällig ein Zigeunermädchen fand —“
„Ja;“ ſagte Oswald; „ich erinnere mich Ihrer Er¬ zählung, die durch das Hereintreten Herrn von Cloten's unterbrochen wurde, ſehr wohl. Ich vergaß hernach, Sie um die Fortſetzung zu bitten. War es nicht ſo? Sie hatten das Mädchen, als Sie einſt, fern von der Wohnung, durch den Wald ſchweiften, in einem Zi¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="90"/>
doch nur zu wohl, daß die guten Herzen nicht brechen<lb/>
würden! Es waren <hirendition="#aq">Conta meta</hi> Geſchäfte, bei denen<lb/>
Jeder ſeine Rechnung gefunden hatte, oder die,<lb/>ſchlimmſten Falls, den einen oder den andern und<lb/>
meiſtens beide Partner ſo bettelarm ließen, wie ſie<lb/>
vorher geweſen waren. Nur einmal — ich war da¬<lb/>
mals noch ziemlich jung und das gereicht mir einiger¬<lb/>
maßen zur Entſchuldigung — nur einmal habe ich<lb/>
mich des Frevels ſchuldig gemacht, ein Weſen, von<lb/>
dem ich überzeugt ſein konnte, daß es mich treu und<lb/>
aufrichtig liebte, mit ſchnödem Undank zu belohnen.<lb/>
Die Geſchichte würde mir unvergeßlich ſein, auch<lb/>
wenn ſie nicht durch die Begegnung mit der braunen<lb/>
Gräfin auf eine wunderliche Weiſe mir wieder in die<lb/>
Erinnerung gerufen wäre. Habe ich Ihnen nicht er¬<lb/>
zählt, wie ich einſt vor vielen Jahren im fernen Un¬<lb/>
garlande, als ich mich auf dem Gute eines Bekannten,<lb/>
den ich unterwegs aufgefiſcht hatte, zum Beſuch auf¬<lb/>
hielt, ganz zufällig ein Zigeunermädchen fand —“</p><lb/><p>„Ja;“ſagte Oswald; „ich erinnere mich Ihrer Er¬<lb/>
zählung, die durch das Hereintreten Herrn von Cloten's<lb/>
unterbrochen wurde, ſehr wohl. Ich vergaß hernach,<lb/>
Sie um die Fortſetzung zu bitten. War es nicht ſo?<lb/>
Sie hatten das Mädchen, als Sie einſt, fern von der<lb/>
Wohnung, durch den Wald ſchweiften, in einem Zi¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[90/0100]
doch nur zu wohl, daß die guten Herzen nicht brechen
würden! Es waren Conta meta Geſchäfte, bei denen
Jeder ſeine Rechnung gefunden hatte, oder die,
ſchlimmſten Falls, den einen oder den andern und
meiſtens beide Partner ſo bettelarm ließen, wie ſie
vorher geweſen waren. Nur einmal — ich war da¬
mals noch ziemlich jung und das gereicht mir einiger¬
maßen zur Entſchuldigung — nur einmal habe ich
mich des Frevels ſchuldig gemacht, ein Weſen, von
dem ich überzeugt ſein konnte, daß es mich treu und
aufrichtig liebte, mit ſchnödem Undank zu belohnen.
Die Geſchichte würde mir unvergeßlich ſein, auch
wenn ſie nicht durch die Begegnung mit der braunen
Gräfin auf eine wunderliche Weiſe mir wieder in die
Erinnerung gerufen wäre. Habe ich Ihnen nicht er¬
zählt, wie ich einſt vor vielen Jahren im fernen Un¬
garlande, als ich mich auf dem Gute eines Bekannten,
den ich unterwegs aufgefiſcht hatte, zum Beſuch auf¬
hielt, ganz zufällig ein Zigeunermädchen fand —“
„Ja;“ ſagte Oswald; „ich erinnere mich Ihrer Er¬
zählung, die durch das Hereintreten Herrn von Cloten's
unterbrochen wurde, ſehr wohl. Ich vergaß hernach,
Sie um die Fortſetzung zu bitten. War es nicht ſo?
Sie hatten das Mädchen, als Sie einſt, fern von der
Wohnung, durch den Wald ſchweiften, in einem Zi¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/100>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.