Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht zu begreifen vermochte, wie es irgend einem
Sterblichen gelingen könnte, sich zu dieser Höhe zu
erheben, und auf der andern Seite war er seit vielen
Jahren so daran gewöhnt, Alles, was sie that, für
gut und recht und unverbesserlich zu halten, daß er
von dieser Regel selbst jetzt eine Ausnahme zu machen
nicht den Muth hatte.

"Wir sehen uns auf eine gar seltsame Weise wie¬
der, Herr Bemperlein," sagte Oswald endlich.

"Ja wohl, ja wohl!" sagte Herr Bemper¬
lein. "Mein Kommen war weder erwartet, noch er¬
wünscht, ich begreife das vollkommen -- die arme
gnädige Frau! aber welchen Muth sie hat, welche
Schnelligkeit des Entschlusses! ich habe es ja immer
gesagt: sie ist aus besserem Stoffe, als wir an¬
deren Menschenkinder. Ein wahres Glück, daß Dr.
Birkenhain den gescheidten Einfall hatte, nicht direct
an sie zu schreiben. So kann ich, wenn auch nicht
viel, doch etwas wenigstens zu ihrer Unterstützung
thun."

"Sie Glücklicher!" sagte Oswald. "Sie dürfen
für sie wirken und schaffen; und ich kann nichts thun,
nichts als ihr eine glückliche Reise wünschen und so¬
dann die Hände müßig in den Schooß legen."

"Ich bedaure Sie von ganzem Herzen, wahr¬

nicht zu begreifen vermochte, wie es irgend einem
Sterblichen gelingen könnte, ſich zu dieſer Höhe zu
erheben, und auf der andern Seite war er ſeit vielen
Jahren ſo daran gewöhnt, Alles, was ſie that, für
gut und recht und unverbeſſerlich zu halten, daß er
von dieſer Regel ſelbſt jetzt eine Ausnahme zu machen
nicht den Muth hatte.

„Wir ſehen uns auf eine gar ſeltſame Weiſe wie¬
der, Herr Bemperlein,“ ſagte Oswald endlich.

„Ja wohl, ja wohl!“ ſagte Herr Bemper¬
lein. „Mein Kommen war weder erwartet, noch er¬
wünſcht, ich begreife das vollkommen — die arme
gnädige Frau! aber welchen Muth ſie hat, welche
Schnelligkeit des Entſchluſſes! ich habe es ja immer
geſagt: ſie iſt aus beſſerem Stoffe, als wir an¬
deren Menſchenkinder. Ein wahres Glück, daß Dr.
Birkenhain den geſcheidten Einfall hatte, nicht direct
an ſie zu ſchreiben. So kann ich, wenn auch nicht
viel, doch etwas wenigſtens zu ihrer Unterſtützung
thun.“

„Sie Glücklicher!“ ſagte Oswald. „Sie dürfen
für ſie wirken und ſchaffen; und ich kann nichts thun,
nichts als ihr eine glückliche Reiſe wünſchen und ſo¬
dann die Hände müßig in den Schooß legen.“

„Ich bedaure Sie von ganzem Herzen, wahr¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="79"/>
nicht zu begreifen vermochte, wie es irgend einem<lb/>
Sterblichen gelingen könnte, &#x017F;ich zu die&#x017F;er Höhe zu<lb/>
erheben, und auf der andern Seite war er &#x017F;eit vielen<lb/>
Jahren &#x017F;o daran gewöhnt, Alles, was &#x017F;ie that, für<lb/>
gut und recht und unverbe&#x017F;&#x017F;erlich zu halten, daß er<lb/>
von die&#x017F;er Regel &#x017F;elb&#x017F;t jetzt eine Ausnahme zu machen<lb/>
nicht den Muth hatte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir &#x017F;ehen uns auf eine gar &#x017F;elt&#x017F;ame Wei&#x017F;e wie¬<lb/>
der, Herr Bemperlein,&#x201C; &#x017F;agte Oswald endlich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja wohl, ja wohl!&#x201C; &#x017F;agte Herr Bemper¬<lb/>
lein. &#x201E;Mein Kommen war weder erwartet, noch er¬<lb/>
wün&#x017F;cht, ich begreife das vollkommen &#x2014; die arme<lb/>
gnädige Frau! aber welchen Muth &#x017F;ie hat, welche<lb/>
Schnelligkeit des Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es! ich habe es ja immer<lb/>
ge&#x017F;agt: &#x017F;ie i&#x017F;t aus be&#x017F;&#x017F;erem Stoffe, als wir an¬<lb/>
deren Men&#x017F;chenkinder. Ein wahres Glück, daß <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/>
Birkenhain den ge&#x017F;cheidten Einfall hatte, nicht direct<lb/>
an &#x017F;ie zu &#x017F;chreiben. So kann ich, wenn auch nicht<lb/>
viel, doch etwas wenig&#x017F;tens zu ihrer Unter&#x017F;tützung<lb/>
thun.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie Glücklicher!&#x201C; &#x017F;agte Oswald. &#x201E;Sie dürfen<lb/>
für &#x017F;ie wirken und &#x017F;chaffen; und ich kann nichts thun,<lb/>
nichts als ihr eine glückliche Rei&#x017F;e wün&#x017F;chen und &#x017F;<lb/>
dann die Hände müßig in den Schooß legen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bedaure Sie von ganzem Herzen, wahr¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0089] nicht zu begreifen vermochte, wie es irgend einem Sterblichen gelingen könnte, ſich zu dieſer Höhe zu erheben, und auf der andern Seite war er ſeit vielen Jahren ſo daran gewöhnt, Alles, was ſie that, für gut und recht und unverbeſſerlich zu halten, daß er von dieſer Regel ſelbſt jetzt eine Ausnahme zu machen nicht den Muth hatte. „Wir ſehen uns auf eine gar ſeltſame Weiſe wie¬ der, Herr Bemperlein,“ ſagte Oswald endlich. „Ja wohl, ja wohl!“ ſagte Herr Bemper¬ lein. „Mein Kommen war weder erwartet, noch er¬ wünſcht, ich begreife das vollkommen — die arme gnädige Frau! aber welchen Muth ſie hat, welche Schnelligkeit des Entſchluſſes! ich habe es ja immer geſagt: ſie iſt aus beſſerem Stoffe, als wir an¬ deren Menſchenkinder. Ein wahres Glück, daß Dr. Birkenhain den geſcheidten Einfall hatte, nicht direct an ſie zu ſchreiben. So kann ich, wenn auch nicht viel, doch etwas wenigſtens zu ihrer Unterſtützung thun.“ „Sie Glücklicher!“ ſagte Oswald. „Sie dürfen für ſie wirken und ſchaffen; und ich kann nichts thun, nichts als ihr eine glückliche Reiſe wünſchen und ſo¬ dann die Hände müßig in den Schooß legen.“ „Ich bedaure Sie von ganzem Herzen, wahr¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/89
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/89>, abgerufen am 24.11.2024.