Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

was ich für ihn empfand, aber es war doch auch
mehr als die kühle Freundschaft, welche ich ihm bis
jetzt entgegengebracht hatte. Aber seltsam, in dem¬
selben Maße, in welchem ich die geheime Antipathie,
die ich schon von meinen Kinderjahren her gegen ihn
hatte, einer beinahe herzlichen Zuneigung weichen fühlte,
wurde sein Benehmen gegen mich schroffer und kälter.
Er richtete seine Unterhaltung, wenn wir beisammen
waren, fast ausschließlich an meine Cousine und be¬
handelte mich wie ein verzogenes Kind, dem man den
Willen thut, nur damit es nicht anfängt zu weinen.
Das verletzte meine Eitelkeit und dieser verletzten Eitel¬
keit und der Eifersucht, die ich gegen meine Cousine
empfand, zu Liebe, legte ich es ernstlich darauf an,
mir Oldenburg's Zuneigung, die ich durch eine mir
unbekannte Ursache verloren zu haben glaubte, wieder
zu gewinnen. Das bewirkte alsbald eine völlige Um¬
wandlung in Oldenburg's Betragen. Er überschüttete
mich jetzt mit Aufmerksamkeiten, er schien Hortense
vollkommen vergessen zu haben, und sobald wir allein
waren, zeigte er eine Leidenschaft, die mich zuerst in
Verwunderung und dann in Schrecken setzte. Dabei
wußte er jeder eigentlichen Erklärung sorgfältig aus¬
zuweichen und mich stets in Zweifel zu erhalten, ob
dies nur eine seiner tollen Launen war, die er ge¬

was ich für ihn empfand, aber es war doch auch
mehr als die kühle Freundſchaft, welche ich ihm bis
jetzt entgegengebracht hatte. Aber ſeltſam, in dem¬
ſelben Maße, in welchem ich die geheime Antipathie,
die ich ſchon von meinen Kinderjahren her gegen ihn
hatte, einer beinahe herzlichen Zuneigung weichen fühlte,
wurde ſein Benehmen gegen mich ſchroffer und kälter.
Er richtete ſeine Unterhaltung, wenn wir beiſammen
waren, faſt ausſchließlich an meine Couſine und be¬
handelte mich wie ein verzogenes Kind, dem man den
Willen thut, nur damit es nicht anfängt zu weinen.
Das verletzte meine Eitelkeit und dieſer verletzten Eitel¬
keit und der Eiferſucht, die ich gegen meine Couſine
empfand, zu Liebe, legte ich es ernſtlich darauf an,
mir Oldenburg's Zuneigung, die ich durch eine mir
unbekannte Urſache verloren zu haben glaubte, wieder
zu gewinnen. Das bewirkte alsbald eine völlige Um¬
wandlung in Oldenburg's Betragen. Er überſchüttete
mich jetzt mit Aufmerkſamkeiten, er ſchien Hortenſe
vollkommen vergeſſen zu haben, und ſobald wir allein
waren, zeigte er eine Leidenſchaft, die mich zuerſt in
Verwunderung und dann in Schrecken ſetzte. Dabei
wußte er jeder eigentlichen Erklärung ſorgfältig aus¬
zuweichen und mich ſtets in Zweifel zu erhalten, ob
dies nur eine ſeiner tollen Launen war, die er ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="73"/>
was ich für ihn empfand, aber es war doch auch<lb/>
mehr als die kühle Freund&#x017F;chaft, welche ich ihm bis<lb/>
jetzt entgegengebracht hatte. Aber &#x017F;elt&#x017F;am, in dem¬<lb/>
&#x017F;elben Maße, in welchem ich die geheime Antipathie,<lb/>
die ich &#x017F;chon von meinen Kinderjahren her gegen ihn<lb/>
hatte, einer beinahe herzlichen Zuneigung weichen fühlte,<lb/>
wurde &#x017F;ein Benehmen gegen mich &#x017F;chroffer und kälter.<lb/>
Er richtete &#x017F;eine Unterhaltung, wenn wir bei&#x017F;ammen<lb/>
waren, fa&#x017F;t aus&#x017F;chließlich an meine Cou&#x017F;ine und be¬<lb/>
handelte mich wie ein verzogenes Kind, dem man den<lb/>
Willen thut, nur damit es nicht anfängt zu weinen.<lb/>
Das verletzte meine Eitelkeit und die&#x017F;er verletzten Eitel¬<lb/>
keit und der Eifer&#x017F;ucht, die ich gegen meine Cou&#x017F;ine<lb/>
empfand, zu Liebe, legte ich es ern&#x017F;tlich darauf an,<lb/>
mir Oldenburg's Zuneigung, die ich durch eine mir<lb/>
unbekannte Ur&#x017F;ache verloren zu haben glaubte, wieder<lb/>
zu gewinnen. Das bewirkte alsbald eine völlige Um¬<lb/>
wandlung in Oldenburg's Betragen. Er über&#x017F;chüttete<lb/>
mich jetzt mit Aufmerk&#x017F;amkeiten, er &#x017F;chien Horten&#x017F;e<lb/>
vollkommen verge&#x017F;&#x017F;en zu haben, und &#x017F;obald wir allein<lb/>
waren, zeigte er eine Leiden&#x017F;chaft, die mich zuer&#x017F;t in<lb/>
Verwunderung und dann in Schrecken &#x017F;etzte. Dabei<lb/>
wußte er jeder eigentlichen Erklärung &#x017F;orgfältig aus¬<lb/>
zuweichen und mich &#x017F;tets in Zweifel zu erhalten, ob<lb/>
dies nur eine &#x017F;einer tollen Launen war, die er ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0083] was ich für ihn empfand, aber es war doch auch mehr als die kühle Freundſchaft, welche ich ihm bis jetzt entgegengebracht hatte. Aber ſeltſam, in dem¬ ſelben Maße, in welchem ich die geheime Antipathie, die ich ſchon von meinen Kinderjahren her gegen ihn hatte, einer beinahe herzlichen Zuneigung weichen fühlte, wurde ſein Benehmen gegen mich ſchroffer und kälter. Er richtete ſeine Unterhaltung, wenn wir beiſammen waren, faſt ausſchließlich an meine Couſine und be¬ handelte mich wie ein verzogenes Kind, dem man den Willen thut, nur damit es nicht anfängt zu weinen. Das verletzte meine Eitelkeit und dieſer verletzten Eitel¬ keit und der Eiferſucht, die ich gegen meine Couſine empfand, zu Liebe, legte ich es ernſtlich darauf an, mir Oldenburg's Zuneigung, die ich durch eine mir unbekannte Urſache verloren zu haben glaubte, wieder zu gewinnen. Das bewirkte alsbald eine völlige Um¬ wandlung in Oldenburg's Betragen. Er überſchüttete mich jetzt mit Aufmerkſamkeiten, er ſchien Hortenſe vollkommen vergeſſen zu haben, und ſobald wir allein waren, zeigte er eine Leidenſchaft, die mich zuerſt in Verwunderung und dann in Schrecken ſetzte. Dabei wußte er jeder eigentlichen Erklärung ſorgfältig aus¬ zuweichen und mich ſtets in Zweifel zu erhalten, ob dies nur eine ſeiner tollen Launen war, die er ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/83
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/83>, abgerufen am 24.11.2024.