Nr. 1. Mein Herr! Ich kenne Sie nicht und wenn Sie derselbe sind, der sich vor einigen Wochen im Thiergarten so unaufgefordert in die Unterhaltung mischte, die ich mit meinem Begleiter führte und sich von dem letzteren eine so derbe Zurechtweisung zuzog; derselbe, der mich jetzt allabendlich, wenn ich aus dem Geschäft nach Hause gehe, verfolgt -- so werden Sie es begreiflich finden, daß ich sehr wenig Lust verspüre, Sie kennen zu lernen. Ich bitte, verschonen Sie mich mit Ihren Zudringlichkeiten, zu welchen ich vor allem auch Ihre Briefe rechne. Ich würde diesen, wie die andern, unbeantwortet gelassen haben, wenn ich nicht fürchtete, durch fortgesetztes Schweigen Ihre Kühnheit zu begünstigen. Sollte es wirklich Männer geben, welche der directen Bitte einer Frau, und noch dazu einer unbeschützten und schutzlosen Frau, wider¬ stehen können?
Marie Montbert.
Nr. 2. Mein Herr! Sie scheinen allerdings die Wege zu kennen, durch die man sich die Verzeihung einer Frau, die man beleidigt hat, gewinnt. -- Welches auch die Motive waren, von denen sie bei Ihrer Handlung geleitet wurden, -- Sie haben viel Thrä¬ nen getrocknet. Sie haben eine ganze Familie von der Verzweiflung gerettet. Ich selbst konnte nichts mehr
Nr. 1. Mein Herr! Ich kenne Sie nicht und wenn Sie derſelbe ſind, der ſich vor einigen Wochen im Thiergarten ſo unaufgefordert in die Unterhaltung miſchte, die ich mit meinem Begleiter führte und ſich von dem letzteren eine ſo derbe Zurechtweiſung zuzog; derſelbe, der mich jetzt allabendlich, wenn ich aus dem Geſchäft nach Hauſe gehe, verfolgt — ſo werden Sie es begreiflich finden, daß ich ſehr wenig Luſt verſpüre, Sie kennen zu lernen. Ich bitte, verſchonen Sie mich mit Ihren Zudringlichkeiten, zu welchen ich vor allem auch Ihre Briefe rechne. Ich würde dieſen, wie die andern, unbeantwortet gelaſſen haben, wenn ich nicht fürchtete, durch fortgeſetztes Schweigen Ihre Kühnheit zu begünſtigen. Sollte es wirklich Männer geben, welche der directen Bitte einer Frau, und noch dazu einer unbeſchützten und ſchutzloſen Frau, wider¬ ſtehen können?
Marie Montbert.
Nr. 2. Mein Herr! Sie ſcheinen allerdings die Wege zu kennen, durch die man ſich die Verzeihung einer Frau, die man beleidigt hat, gewinnt. — Welches auch die Motive waren, von denen ſie bei Ihrer Handlung geleitet wurden, — Sie haben viel Thrä¬ nen getrocknet. Sie haben eine ganze Familie von der Verzweiflung gerettet. Ich ſelbſt konnte nichts mehr
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Nr. 1. Mein Herr! Ich kenne Sie nicht und
wenn Sie derſelbe ſind, der ſich vor einigen Wochen
im Thiergarten ſo unaufgefordert in die Unterhaltung
miſchte, die ich mit meinem Begleiter führte und ſich
von dem letzteren eine ſo derbe Zurechtweiſung zuzog;
derſelbe, der mich jetzt allabendlich, wenn ich aus dem
Geſchäft nach Hauſe gehe, verfolgt — ſo werden Sie
es begreiflich finden, daß ich ſehr wenig Luſt verſpüre,
Sie kennen zu lernen. Ich bitte, verſchonen Sie
mich mit Ihren Zudringlichkeiten, zu welchen ich vor
allem auch Ihre Briefe rechne. Ich würde dieſen,
wie die andern, unbeantwortet gelaſſen haben, wenn
ich nicht fürchtete, durch fortgeſetztes Schweigen Ihre
Kühnheit zu begünſtigen. Sollte es wirklich Männer
geben, welche der directen Bitte einer Frau, und noch
dazu einer unbeſchützten und ſchutzloſen Frau, wider¬
ſtehen können?
Marie Montbert.
Nr. 2. Mein Herr! Sie ſcheinen allerdings die
Wege zu kennen, durch die man ſich die Verzeihung
einer Frau, die man beleidigt hat, gewinnt. — Welches
auch die Motive waren, von denen ſie bei Ihrer
Handlung geleitet wurden, — Sie haben viel Thrä¬
nen getrocknet. Sie haben eine ganze Familie von der
Verzweiflung gerettet. Ich ſelbſt konnte nichts mehr
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/231>, abgerufen am 16.02.2025.
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