Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

zu viel getrunken, oft zu mir gesagt hat: hätte ich ge¬
wußt, Baumann, daß ich noch solch Glück im Pharao
haben würde, da hätte der -- es war ein häßliches
Wort und ein ordentlicher Mensch bringt es nicht
gern über die Lippen, -- da hätte ich Herrn von
Berkow auch was anders gegeben, als meine Tochter.
Mein einziger Trost ist nur, daß ers nicht lange
mehr treibt, und dann kann sie ja noch immer einen
andern heiraten. Nun, der gnädige Herr trieb es
selbst nicht lange mehr, aber doch noch lange genug,
daß er das Unglück, welches er angerichtet hatte, mit
seinen leiblichen Augen sehen konnte. Da hätte er
gern sein Leben drum gegeben, um ungeschehen zu
machen, was geschehen war; aber wer sich mit dem
Teufel einläßt, darf sich nicht wundern, wenn der liebe
Gott nichts von ihm wissen will. So war die schöne
junge Frau eine Witwe und war es doch auch wieder
nicht. Reichthum hatte sie nun, die Hülle und Fülle;
aber mir däucht, sie wäre doch glücklicher gewesen,
wenn sie unter einem Strohdach mit einem braven
Mann gelebt hatte, als so mutterseelenallein in dem
großen, öden Hause. Nun war freilich der Julius
da, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer,
und ein Kind ist noch immer keine Familie. Sehen
Sie, junger Herr, das hat mein altes Herz oft bluten

zu viel getrunken, oft zu mir geſagt hat: hätte ich ge¬
wußt, Baumann, daß ich noch ſolch Glück im Pharao
haben würde, da hätte der — es war ein häßliches
Wort und ein ordentlicher Menſch bringt es nicht
gern über die Lippen, — da hätte ich Herrn von
Berkow auch was anders gegeben, als meine Tochter.
Mein einziger Troſt iſt nur, daß ers nicht lange
mehr treibt, und dann kann ſie ja noch immer einen
andern heiraten. Nun, der gnädige Herr trieb es
ſelbſt nicht lange mehr, aber doch noch lange genug,
daß er das Unglück, welches er angerichtet hatte, mit
ſeinen leiblichen Augen ſehen konnte. Da hätte er
gern ſein Leben drum gegeben, um ungeſchehen zu
machen, was geſchehen war; aber wer ſich mit dem
Teufel einläßt, darf ſich nicht wundern, wenn der liebe
Gott nichts von ihm wiſſen will. So war die ſchöne
junge Frau eine Witwe und war es doch auch wieder
nicht. Reichthum hatte ſie nun, die Hülle und Fülle;
aber mir däucht, ſie wäre doch glücklicher geweſen,
wenn ſie unter einem Strohdach mit einem braven
Mann gelebt hatte, als ſo mutterſeelenallein in dem
großen, öden Hauſe. Nun war freilich der Julius
da, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer,
und ein Kind iſt noch immer keine Familie. Sehen
Sie, junger Herr, das hat mein altes Herz oft bluten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="156"/>
zu viel getrunken, oft zu mir ge&#x017F;agt hat: hätte ich ge¬<lb/>
wußt, Baumann, daß ich noch &#x017F;olch Glück im Pharao<lb/>
haben würde, da hätte der &#x2014; es war ein häßliches<lb/>
Wort und ein ordentlicher Men&#x017F;ch bringt es nicht<lb/>
gern über die Lippen, &#x2014; da hätte ich Herrn von<lb/>
Berkow auch was anders gegeben, als meine Tochter.<lb/>
Mein einziger Tro&#x017F;t i&#x017F;t nur, daß ers nicht lange<lb/>
mehr treibt, und dann kann &#x017F;ie ja noch immer einen<lb/>
andern heiraten. Nun, der gnädige Herr trieb es<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht lange mehr, aber doch noch lange genug,<lb/>
daß er das Unglück, welches er angerichtet hatte, mit<lb/>
&#x017F;einen leiblichen Augen &#x017F;ehen konnte. Da hätte er<lb/>
gern &#x017F;ein Leben drum gegeben, um unge&#x017F;chehen zu<lb/>
machen, was ge&#x017F;chehen war; aber wer &#x017F;ich mit dem<lb/>
Teufel einläßt, darf &#x017F;ich nicht wundern, wenn der liebe<lb/>
Gott nichts von ihm wi&#x017F;&#x017F;en will. So war die &#x017F;chöne<lb/>
junge Frau eine Witwe und war es doch auch wieder<lb/>
nicht. Reichthum hatte &#x017F;ie nun, die Hülle und Fülle;<lb/>
aber mir däucht, &#x017F;ie wäre doch glücklicher gewe&#x017F;en,<lb/>
wenn &#x017F;ie unter einem Strohdach mit einem braven<lb/>
Mann gelebt hatte, als &#x017F;o mutter&#x017F;eelenallein in dem<lb/>
großen, öden Hau&#x017F;e. Nun war freilich der Julius<lb/>
da, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer,<lb/>
und ein Kind i&#x017F;t noch immer keine Familie. Sehen<lb/>
Sie, junger Herr, das hat mein altes Herz oft bluten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0166] zu viel getrunken, oft zu mir geſagt hat: hätte ich ge¬ wußt, Baumann, daß ich noch ſolch Glück im Pharao haben würde, da hätte der — es war ein häßliches Wort und ein ordentlicher Menſch bringt es nicht gern über die Lippen, — da hätte ich Herrn von Berkow auch was anders gegeben, als meine Tochter. Mein einziger Troſt iſt nur, daß ers nicht lange mehr treibt, und dann kann ſie ja noch immer einen andern heiraten. Nun, der gnädige Herr trieb es ſelbſt nicht lange mehr, aber doch noch lange genug, daß er das Unglück, welches er angerichtet hatte, mit ſeinen leiblichen Augen ſehen konnte. Da hätte er gern ſein Leben drum gegeben, um ungeſchehen zu machen, was geſchehen war; aber wer ſich mit dem Teufel einläßt, darf ſich nicht wundern, wenn der liebe Gott nichts von ihm wiſſen will. So war die ſchöne junge Frau eine Witwe und war es doch auch wieder nicht. Reichthum hatte ſie nun, die Hülle und Fülle; aber mir däucht, ſie wäre doch glücklicher geweſen, wenn ſie unter einem Strohdach mit einem braven Mann gelebt hatte, als ſo mutterſeelenallein in dem großen, öden Hauſe. Nun war freilich der Julius da, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und ein Kind iſt noch immer keine Familie. Sehen Sie, junger Herr, das hat mein altes Herz oft bluten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/166
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/166>, abgerufen am 22.11.2024.