köstlich steht ihr dieser Stolz; wie kann ein Mädchen mit diesem Gesicht, diesen Augen, diesem Haar anders als stolz sein. Es ist die Atmosphäre, in die sie so nothwendig gehört, wie ein Adler in die höchsten Lüfte. Der Adler ist auch stolz und kein Mensch nimmt es ihm übel. . . . Wie schön das Mädchen ist! eine prächtige Schönheit, die das helle Sonnenlicht nicht zu scheuen braucht, die nur noch schöner zu werden scheint, je köstlicher der Rahmen ist, der sie umgiebt. Eine unheimliche Schönheit, die uns fesselt und er¬ starren macht, wie die der tödtlich schönen Meduse. Dies Mädchen eine Blume? wo waren meine Augen gestern? sie ist kein lyrisches Gedicht voll Vogelsang und Sonnenschein, sie ist eine schwermüthige Ballade, in der Schwerter klirren und Herzen verbluten, wäh¬ rend oben aus dem Thurme ein weißes Tüchlein weht. -- Und halt! jetzt weiß ich's: es ist das leib¬ haftige Gottseibeiunsgesicht der Grenwitzer, wie Albert vortrefflich sagt -- Zug für Zug! es ist das Gesicht Harald's in's Weibliche übersetzt, dieselben dämonischen Augen, derselbe berauschend sinnliche Zug in den vollen, fast zu vollen Lippen, dieselbe Kraft in dem üppig dichten blauschwarzen Haar, das sich über der breiten, festen Stirn aufträufelt! -- Vortreffliche Frau Mama! Sie irren sich sehr, wenn Sie glauben, daß diese
köſtlich ſteht ihr dieſer Stolz; wie kann ein Mädchen mit dieſem Geſicht, dieſen Augen, dieſem Haar anders als ſtolz ſein. Es iſt die Atmoſphäre, in die ſie ſo nothwendig gehört, wie ein Adler in die höchſten Lüfte. Der Adler iſt auch ſtolz und kein Menſch nimmt es ihm übel. . . . Wie ſchön das Mädchen iſt! eine prächtige Schönheit, die das helle Sonnenlicht nicht zu ſcheuen braucht, die nur noch ſchöner zu werden ſcheint, je köſtlicher der Rahmen iſt, der ſie umgiebt. Eine unheimliche Schönheit, die uns feſſelt und er¬ ſtarren macht, wie die der tödtlich ſchönen Meduſe. Dies Mädchen eine Blume? wo waren meine Augen geſtern? ſie iſt kein lyriſches Gedicht voll Vogelſang und Sonnenſchein, ſie iſt eine ſchwermüthige Ballade, in der Schwerter klirren und Herzen verbluten, wäh¬ rend oben aus dem Thurme ein weißes Tüchlein weht. — Und halt! jetzt weiß ich's: es iſt das leib¬ haftige Gottſeibeiunsgeſicht der Grenwitzer, wie Albert vortrefflich ſagt — Zug für Zug! es iſt das Geſicht Harald's in's Weibliche überſetzt, dieſelben dämoniſchen Augen, derſelbe berauſchend ſinnliche Zug in den vollen, faſt zu vollen Lippen, dieſelbe Kraft in dem üppig dichten blauſchwarzen Haar, das ſich über der breiten, feſten Stirn aufträufelt! — Vortreffliche Frau Mama! Sie irren ſich ſehr, wenn Sie glauben, daß dieſe
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köſtlich ſteht ihr dieſer Stolz; wie kann ein Mädchen
mit dieſem Geſicht, dieſen Augen, dieſem Haar anders
als ſtolz ſein. Es iſt die Atmoſphäre, in die ſie ſo
nothwendig gehört, wie ein Adler in die höchſten Lüfte.
Der Adler iſt auch ſtolz und kein Menſch nimmt es
ihm übel. . . . Wie ſchön das Mädchen iſt! eine
prächtige Schönheit, die das helle Sonnenlicht nicht
zu ſcheuen braucht, die nur noch ſchöner zu werden
ſcheint, je köſtlicher der Rahmen iſt, der ſie umgiebt.
Eine unheimliche Schönheit, die uns feſſelt und er¬
ſtarren macht, wie die der tödtlich ſchönen Meduſe.
Dies Mädchen eine Blume? wo waren meine Augen
geſtern? ſie iſt kein lyriſches Gedicht voll Vogelſang
und Sonnenſchein, ſie iſt eine ſchwermüthige Ballade,
in der Schwerter klirren und Herzen verbluten, wäh¬
rend oben aus dem Thurme ein weißes Tüchlein
weht. — Und halt! jetzt weiß ich's: es iſt das leib¬
haftige Gottſeibeiunsgeſicht der Grenwitzer, wie Albert
vortrefflich ſagt — Zug für Zug! es iſt das Geſicht
Harald's in's Weibliche überſetzt, dieſelben dämoniſchen
Augen, derſelbe berauſchend ſinnliche Zug in den vollen,
faſt zu vollen Lippen, dieſelbe Kraft in dem üppig
dichten blauſchwarzen Haar, das ſich über der breiten,
feſten Stirn aufträufelt! — Vortreffliche Frau Mama!
Sie irren ſich ſehr, wenn Sie glauben, daß dieſe
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/153>, abgerufen am 21.07.2024.
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