Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Leib geschunden und geprügelt wurde für die Wallun¬
gen seines guten Herzens! -- Und dann: wissen Sie
denn, ob die Andromeda, deren Perseus Sie werden
wollen, überhaupt befreit sein will? Ich kenne den
Baron Felix nicht -- vielleicht ist er besser, als sein
Ruf; ich habe nicht drei Worte mit Fräulein Helene
gesprochen -- vielleicht ist sie keineswegs so lieb und
gut, wie sie schön ist."

"Sie ist es, sie ist es, verlassen Sie sich darauf;"
rief Oswald eifrig.

"Gut, daß Sie noch nicht dreißig Jahre alt sind;"
sagte der Doctor lachend.

"Weshalb?"

"Sie wissen, was den Schwärmern, nach Goethe's
Ausspruch, in dem bezeichneten Lebensalter zukommt?
der Tod -- an demselben Kreuze, welches sie bis
dahin keuchend durch das Leben schleppten. -- Aber
da sind wir schon nahe am Thor. Wollen Sie mir
erlauben, daß ich Sie hier absetze? Ich habe noch
einen Besuch im Dorfe zu machen und dieser Weg
führt direct hin, während ich über den Schloßhof
einen langen Umweg machen muß. Uebermorgen
komme ich wieder nach Grenwitz. Hoffentlich geht Ihr
Puls dann ruhiger. Ich sagte Ihnen ja gleich: Die Ein¬
samkeit ist reines Gift für Ihre Natur. Adieu!"


Leib geſchunden und geprügelt wurde für die Wallun¬
gen ſeines guten Herzens! — Und dann: wiſſen Sie
denn, ob die Andromeda, deren Perſeus Sie werden
wollen, überhaupt befreit ſein will? Ich kenne den
Baron Felix nicht — vielleicht iſt er beſſer, als ſein
Ruf; ich habe nicht drei Worte mit Fräulein Helene
geſprochen — vielleicht iſt ſie keineswegs ſo lieb und
gut, wie ſie ſchön iſt.“

„Sie iſt es, ſie iſt es, verlaſſen Sie ſich darauf;“
rief Oswald eifrig.

„Gut, daß Sie noch nicht dreißig Jahre alt ſind;“
ſagte der Doctor lachend.

„Weshalb?“

„Sie wiſſen, was den Schwärmern, nach Goethe's
Ausſpruch, in dem bezeichneten Lebensalter zukommt?
der Tod — an demſelben Kreuze, welches ſie bis
dahin keuchend durch das Leben ſchleppten. — Aber
da ſind wir ſchon nahe am Thor. Wollen Sie mir
erlauben, daß ich Sie hier abſetze? Ich habe noch
einen Beſuch im Dorfe zu machen und dieſer Weg
führt direct hin, während ich über den Schloßhof
einen langen Umweg machen muß. Uebermorgen
komme ich wieder nach Grenwitz. Hoffentlich geht Ihr
Puls dann ruhiger. Ich ſagte Ihnen ja gleich: Die Ein¬
ſamkeit iſt reines Gift für Ihre Natur. Adieu!“


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="119"/>
Leib ge&#x017F;chunden und geprügelt wurde für die Wallun¬<lb/>
gen &#x017F;eines guten Herzens! &#x2014; Und dann: wi&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
denn, ob die Andromeda, deren Per&#x017F;eus Sie werden<lb/>
wollen, überhaupt befreit &#x017F;ein will? Ich kenne den<lb/>
Baron Felix nicht &#x2014; vielleicht i&#x017F;t er be&#x017F;&#x017F;er, als &#x017F;ein<lb/>
Ruf; ich habe nicht drei Worte mit Fräulein Helene<lb/>
ge&#x017F;prochen &#x2014; vielleicht i&#x017F;t &#x017F;ie keineswegs &#x017F;o lieb und<lb/>
gut, wie &#x017F;ie &#x017F;chön i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie i&#x017F;t es, &#x017F;ie i&#x017F;t es, verla&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich darauf;&#x201C;<lb/>
rief Oswald eifrig.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gut, daß Sie noch nicht dreißig Jahre alt &#x017F;ind;&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte der Doctor lachend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weshalb?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie wi&#x017F;&#x017F;en, was den Schwärmern, nach Goethe's<lb/>
Aus&#x017F;pruch, in dem bezeichneten Lebensalter zukommt?<lb/>
der Tod &#x2014; an dem&#x017F;elben Kreuze, welches &#x017F;ie bis<lb/>
dahin keuchend durch das Leben &#x017F;chleppten. &#x2014; Aber<lb/>
da &#x017F;ind wir &#x017F;chon nahe am Thor. Wollen Sie mir<lb/>
erlauben, daß ich Sie hier ab&#x017F;etze? Ich habe noch<lb/>
einen Be&#x017F;uch im Dorfe zu machen und die&#x017F;er Weg<lb/>
führt direct hin, während ich über den Schloßhof<lb/>
einen langen Umweg machen muß. Uebermorgen<lb/>
komme ich wieder nach Grenwitz. Hoffentlich geht Ihr<lb/>
Puls dann ruhiger. Ich &#x017F;agte Ihnen ja gleich: Die Ein¬<lb/>
&#x017F;amkeit i&#x017F;t reines Gift für Ihre Natur. Adieu!&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0129] Leib geſchunden und geprügelt wurde für die Wallun¬ gen ſeines guten Herzens! — Und dann: wiſſen Sie denn, ob die Andromeda, deren Perſeus Sie werden wollen, überhaupt befreit ſein will? Ich kenne den Baron Felix nicht — vielleicht iſt er beſſer, als ſein Ruf; ich habe nicht drei Worte mit Fräulein Helene geſprochen — vielleicht iſt ſie keineswegs ſo lieb und gut, wie ſie ſchön iſt.“ „Sie iſt es, ſie iſt es, verlaſſen Sie ſich darauf;“ rief Oswald eifrig. „Gut, daß Sie noch nicht dreißig Jahre alt ſind;“ ſagte der Doctor lachend. „Weshalb?“ „Sie wiſſen, was den Schwärmern, nach Goethe's Ausſpruch, in dem bezeichneten Lebensalter zukommt? der Tod — an demſelben Kreuze, welches ſie bis dahin keuchend durch das Leben ſchleppten. — Aber da ſind wir ſchon nahe am Thor. Wollen Sie mir erlauben, daß ich Sie hier abſetze? Ich habe noch einen Beſuch im Dorfe zu machen und dieſer Weg führt direct hin, während ich über den Schloßhof einen langen Umweg machen muß. Uebermorgen komme ich wieder nach Grenwitz. Hoffentlich geht Ihr Puls dann ruhiger. Ich ſagte Ihnen ja gleich: Die Ein¬ ſamkeit iſt reines Gift für Ihre Natur. Adieu!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/129
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/129>, abgerufen am 24.11.2024.