"Wissen Sie, daß ich fürchte, oder vielmehr hoffe, Sie werden nicht im Stande sein, diesem Rath Ihres wunderlichen Freundes bis zum Ende zu folgen?"
"Weshalb?"
"Weil -- Sie erlauben, daß ich ganz offen bin -- weil Sie sich hier in einer schiefen Stellung befinden, die über kurz oder lang unleidlich für Sie werden muß. Eine solche Stellung ist nur gut für Je¬ mand, der, weil er nicht auf eignen Füßen stehen kann, gezwungen ist, sich an Andere anzulehnen; der von Jugend auf gewohnt ist, seinen Willen, seine Meinung dem Willen und der Meinung Anderer unterzuordnen, oder besser noch, der überhaupt gar keinen eigenen Willen und keine eigene Meinung hat. Von dem Allen ist bei Ihnen das Gegentheil der Fall. Sie sind viel zu bedeutend für diese unbedeutenden Menschen. Sie ärgern sich über diese Menschen, und vice versa. Das ist einmal nicht anders, wo so heterogene Ele¬ mente eine Verbindung eingehen sollen. Sie halten die Baronin für das, was sie ist, für eine dünkel¬ hafte, adelsstolze, trotz ihrer Belesenheit bornirte, eng¬ herzige, geizige Person, die Baronin hält Sie für das, was Sie nicht sind: für einen unendlich in sich ver¬ liebten, hochmüthigen Narren. Sie leben in einem Hause, Sie essen an einem Tisch, und haben doch so
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„Wiſſen Sie, daß ich fürchte, oder vielmehr hoffe, Sie werden nicht im Stande ſein, dieſem Rath Ihres wunderlichen Freundes bis zum Ende zu folgen?“
„Weshalb?“
„Weil — Sie erlauben, daß ich ganz offen bin — weil Sie ſich hier in einer ſchiefen Stellung befinden, die über kurz oder lang unleidlich für Sie werden muß. Eine ſolche Stellung iſt nur gut für Je¬ mand, der, weil er nicht auf eignen Füßen ſtehen kann, gezwungen iſt, ſich an Andere anzulehnen; der von Jugend auf gewohnt iſt, ſeinen Willen, ſeine Meinung dem Willen und der Meinung Anderer unterzuordnen, oder beſſer noch, der überhaupt gar keinen eigenen Willen und keine eigene Meinung hat. Von dem Allen iſt bei Ihnen das Gegentheil der Fall. Sie ſind viel zu bedeutend für dieſe unbedeutenden Menſchen. Sie ärgern ſich über dieſe Menſchen, und vice versa. Das iſt einmal nicht anders, wo ſo heterogene Ele¬ mente eine Verbindung eingehen ſollen. Sie halten die Baronin für das, was ſie iſt, für eine dünkel¬ hafte, adelsſtolze, trotz ihrer Beleſenheit bornirte, eng¬ herzige, geizige Perſon, die Baronin hält Sie für das, was Sie nicht ſind: für einen unendlich in ſich ver¬ liebten, hochmüthigen Narren. Sie leben in einem Hauſe, Sie eſſen an einem Tiſch, und haben doch ſo
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„Wiſſen Sie, daß ich fürchte, oder vielmehr hoffe,
Sie werden nicht im Stande ſein, dieſem Rath Ihres
wunderlichen Freundes bis zum Ende zu folgen?“
„Weshalb?“
„Weil — Sie erlauben, daß ich ganz offen bin —
weil Sie ſich hier in einer ſchiefen Stellung befinden,
die über kurz oder lang unleidlich für Sie werden
muß. Eine ſolche Stellung iſt nur gut für Je¬
mand, der, weil er nicht auf eignen Füßen ſtehen kann,
gezwungen iſt, ſich an Andere anzulehnen; der von
Jugend auf gewohnt iſt, ſeinen Willen, ſeine Meinung
dem Willen und der Meinung Anderer unterzuordnen,
oder beſſer noch, der überhaupt gar keinen eigenen
Willen und keine eigene Meinung hat. Von dem
Allen iſt bei Ihnen das Gegentheil der Fall. Sie
ſind viel zu bedeutend für dieſe unbedeutenden Menſchen.
Sie ärgern ſich über dieſe Menſchen, und vice versa.
Das iſt einmal nicht anders, wo ſo heterogene Ele¬
mente eine Verbindung eingehen ſollen. Sie halten
die Baronin für das, was ſie iſt, für eine dünkel¬
hafte, adelsſtolze, trotz ihrer Beleſenheit bornirte, eng¬
herzige, geizige Perſon, die Baronin hält Sie für das,
was Sie nicht ſind: für einen unendlich in ſich ver¬
liebten, hochmüthigen Narren. Sie leben in einem
Hauſe, Sie eſſen an einem Tiſch, und haben doch ſo
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/125>, abgerufen am 18.07.2024.
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