eine schwere Last vom Herzen. Er wünschte den Zu¬ rückbleibenden, Herrn Timm und Mademoiselle, flüch¬ tig Lebewohl und wanderte, einen leichten Ränzel, der noch aus seiner Studentenzeit stammte, auf dem Rücken, zum andern Thore hinaus, wie der Held eines Mär¬ chens, ohne eine Ahnung davon zu haben, wohin er seine Schritte lenken sollte, und wo er heute Nacht sein Haupt zur Ruhe legen würde.
Die Sonne brannte heiß; Oswald fiel es ein, daß es im Walde frisch und kühl sein müsse. So bog er denn rechts vom Wege ab und bald rauschten über ihm die Tannen des Forstes, der halb zu Gren¬ witz und halb zu Berkow gehörte. Das Rauschen der hohen Bäume lullte ihn in süße Träume. Träumend wanderte er weiter, bis er plötzlich auf die Lichtung heraustrat, wo in dem Schutze der vielhundertjährigen, breitastigen Buche Melitta's Kapelle lag.
Die Thür des Häuschens war verschlossen, die grünen Jalousien vor den Fenstern warm herunter¬ gelassen, die Treppe und die Veranda waren sorgsam gefegt, wie es die strenge Ordnungsliebe des alten Baumann, der jetzt das Regiment in Berkow führte, erheischte. Oswald setzte sich auf die Stufen der Treppe und stützte den Kopf in die Hand. So saß er in Nachdenken versunken, während in den Zweigen
eine ſchwere Laſt vom Herzen. Er wünſchte den Zu¬ rückbleibenden, Herrn Timm und Mademoiſelle, flüch¬ tig Lebewohl und wanderte, einen leichten Ränzel, der noch aus ſeiner Studentenzeit ſtammte, auf dem Rücken, zum andern Thore hinaus, wie der Held eines Mär¬ chens, ohne eine Ahnung davon zu haben, wohin er ſeine Schritte lenken ſollte, und wo er heute Nacht ſein Haupt zur Ruhe legen würde.
Die Sonne brannte heiß; Oswald fiel es ein, daß es im Walde friſch und kühl ſein müſſe. So bog er denn rechts vom Wege ab und bald rauſchten über ihm die Tannen des Forſtes, der halb zu Gren¬ witz und halb zu Berkow gehörte. Das Rauſchen der hohen Bäume lullte ihn in ſüße Träume. Träumend wanderte er weiter, bis er plötzlich auf die Lichtung heraustrat, wo in dem Schutze der vielhundertjährigen, breitaſtigen Buche Melitta's Kapelle lag.
Die Thür des Häuschens war verſchloſſen, die grünen Jalouſien vor den Fenſtern warm herunter¬ gelaſſen, die Treppe und die Veranda waren ſorgſam gefegt, wie es die ſtrenge Ordnungsliebe des alten Baumann, der jetzt das Regiment in Berkow führte, erheiſchte. Oswald ſetzte ſich auf die Stufen der Treppe und ſtützte den Kopf in die Hand. So ſaß er in Nachdenken verſunken, während in den Zweigen
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eine ſchwere Laſt vom Herzen. Er wünſchte den Zu¬
rückbleibenden, Herrn Timm und Mademoiſelle, flüch¬
tig Lebewohl und wanderte, einen leichten Ränzel, der
noch aus ſeiner Studentenzeit ſtammte, auf dem Rücken,
zum andern Thore hinaus, wie der Held eines Mär¬
chens, ohne eine Ahnung davon zu haben, wohin er
ſeine Schritte lenken ſollte, und wo er heute Nacht
ſein Haupt zur Ruhe legen würde.
Die Sonne brannte heiß; Oswald fiel es ein,
daß es im Walde friſch und kühl ſein müſſe. So
bog er denn rechts vom Wege ab und bald rauſchten
über ihm die Tannen des Forſtes, der halb zu Gren¬
witz und halb zu Berkow gehörte. Das Rauſchen der
hohen Bäume lullte ihn in ſüße Träume. Träumend
wanderte er weiter, bis er plötzlich auf die Lichtung
heraustrat, wo in dem Schutze der vielhundertjährigen,
breitaſtigen Buche Melitta's Kapelle lag.
Die Thür des Häuschens war verſchloſſen, die
grünen Jalouſien vor den Fenſtern warm herunter¬
gelaſſen, die Treppe und die Veranda waren ſorgſam
gefegt, wie es die ſtrenge Ordnungsliebe des alten
Baumann, der jetzt das Regiment in Berkow führte,
erheiſchte. Oswald ſetzte ſich auf die Stufen der
Treppe und ſtützte den Kopf in die Hand. So ſaß
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/104>, abgerufen am 18.12.2024.
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