Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

dige, in diesem Augenblick bedaure ich es zum ersten
Male in meinem Leben, daß mich mein Tanzlehrer
nie dahin bringen konnte, die erste Position von der
zweiten, und mein Musiklehrer ebenso wenig, einen
Walzer von einem Choral zu unterscheiden." So
trieb er sich denn bald zwischen den Spieltischen um¬
her, und weckte den leicht erreglichen Zorn des Grafen
von Grieben dadurch, daß er in alle Karten der
Reihe nach sah, und Jedem guten oder vielmehr
möglichst schlechten Rath ertheilte; bald war er im
Tanzsaal und schaute mit den Augen eines gutge¬
launten Katers, der weiße und schwarze Mäuschen
auf der Scheundiele munter spielen sieht, auf die tan¬
zenden Paare. In dieser angenehmen Beschäftigung
störte ihn Herr von Barnewitz, der eilfertig zur Thür
des Tanzsaales hereinkam.

"Oldenburg, da Du ja doch hier nichts zu thun
hast --"

"Nein, guter Freund, ich habe in der That hier
nichts zu thun."

"So komm mit hinauf in den Speisesaal und hilf
mir beim Arrangiren der Plätze. Willst Du?"

"Das Vertrauen, welches Du zu meinen organi¬
satorischen Talent hast, ehrt mich hoch, mon ami;"
sagte Oldenburg und folgte dem Voraneilenden über

dige, in dieſem Augenblick bedaure ich es zum erſten
Male in meinem Leben, daß mich mein Tanzlehrer
nie dahin bringen konnte, die erſte Poſition von der
zweiten, und mein Muſiklehrer ebenſo wenig, einen
Walzer von einem Choral zu unterſcheiden.“ So
trieb er ſich denn bald zwiſchen den Spieltiſchen um¬
her, und weckte den leicht erreglichen Zorn des Grafen
von Grieben dadurch, daß er in alle Karten der
Reihe nach ſah, und Jedem guten oder vielmehr
möglichſt ſchlechten Rath ertheilte; bald war er im
Tanzſaal und ſchaute mit den Augen eines gutge¬
launten Katers, der weiße und ſchwarze Mäuschen
auf der Scheundiele munter ſpielen ſieht, auf die tan¬
zenden Paare. In dieſer angenehmen Beſchäftigung
ſtörte ihn Herr von Barnewitz, der eilfertig zur Thür
des Tanzſaales hereinkam.

„Oldenburg, da Du ja doch hier nichts zu thun
haſt —“

„Nein, guter Freund, ich habe in der That hier
nichts zu thun.“

„So komm mit hinauf in den Speiſeſaal und hilf
mir beim Arrangiren der Plätze. Willſt Du?“

„Das Vertrauen, welches Du zu meinen organi¬
ſatoriſchen Talent haſt, ehrt mich hoch, mon ami;
ſagte Oldenburg und folgte dem Voraneilenden über

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="63"/>
dige, in die&#x017F;em Augenblick bedaure ich es zum er&#x017F;ten<lb/>
Male in meinem Leben, daß mich mein Tanzlehrer<lb/>
nie dahin bringen konnte, die er&#x017F;te Po&#x017F;ition von der<lb/>
zweiten, und mein Mu&#x017F;iklehrer eben&#x017F;o wenig, einen<lb/>
Walzer von einem Choral zu unter&#x017F;cheiden.&#x201C; So<lb/>
trieb er &#x017F;ich denn bald zwi&#x017F;chen den Spielti&#x017F;chen um¬<lb/>
her, und weckte den leicht erreglichen Zorn des Grafen<lb/>
von Grieben dadurch, daß er in alle Karten der<lb/>
Reihe nach &#x017F;ah, und Jedem guten oder vielmehr<lb/>
möglich&#x017F;t &#x017F;chlechten Rath ertheilte; bald war er im<lb/>
Tanz&#x017F;aal und &#x017F;chaute mit den Augen eines gutge¬<lb/>
launten Katers, der weiße und &#x017F;chwarze Mäuschen<lb/>
auf der Scheundiele munter &#x017F;pielen &#x017F;ieht, auf die tan¬<lb/>
zenden Paare. In die&#x017F;er angenehmen Be&#x017F;chäftigung<lb/>
&#x017F;törte ihn Herr von Barnewitz, der eilfertig zur Thür<lb/>
des Tanz&#x017F;aales hereinkam.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oldenburg, da Du ja doch hier nichts zu thun<lb/>
ha&#x017F;t &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, guter Freund, ich habe in der That hier<lb/>
nichts zu thun.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So komm mit hinauf in den Spei&#x017F;e&#x017F;aal und hilf<lb/>
mir beim Arrangiren der Plätze. Will&#x017F;t Du?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Vertrauen, welches Du zu meinen organi¬<lb/>
&#x017F;atori&#x017F;chen Talent ha&#x017F;t, ehrt mich hoch, <hi rendition="#aq">mon ami;</hi>&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Oldenburg und folgte dem Voraneilenden über<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0073] dige, in dieſem Augenblick bedaure ich es zum erſten Male in meinem Leben, daß mich mein Tanzlehrer nie dahin bringen konnte, die erſte Poſition von der zweiten, und mein Muſiklehrer ebenſo wenig, einen Walzer von einem Choral zu unterſcheiden.“ So trieb er ſich denn bald zwiſchen den Spieltiſchen um¬ her, und weckte den leicht erreglichen Zorn des Grafen von Grieben dadurch, daß er in alle Karten der Reihe nach ſah, und Jedem guten oder vielmehr möglichſt ſchlechten Rath ertheilte; bald war er im Tanzſaal und ſchaute mit den Augen eines gutge¬ launten Katers, der weiße und ſchwarze Mäuschen auf der Scheundiele munter ſpielen ſieht, auf die tan¬ zenden Paare. In dieſer angenehmen Beſchäftigung ſtörte ihn Herr von Barnewitz, der eilfertig zur Thür des Tanzſaales hereinkam. „Oldenburg, da Du ja doch hier nichts zu thun haſt —“ „Nein, guter Freund, ich habe in der That hier nichts zu thun.“ „So komm mit hinauf in den Speiſeſaal und hilf mir beim Arrangiren der Plätze. Willſt Du?“ „Das Vertrauen, welches Du zu meinen organi¬ ſatoriſchen Talent haſt, ehrt mich hoch, mon ami;“ ſagte Oldenburg und folgte dem Voraneilenden über

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/73
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/73>, abgerufen am 27.04.2024.