schlendern und Grimassen zu schneiden. Für den Baron that er gar nichts, im Gegentheil, seitdem Ha¬ rald ihm einmal einen Fußtritt gegeben, daß er noch vierzehn Tage nachher hinkte, ging er ihm überall aus dem Wege. Kein Mensch konnte begreifen, wes¬ halb ihn der Baron nicht wieder fortjagte. -- Wäh¬ rend dieser ganzen Zeit war keiner von den Herren, die sonst bei uns aus- und eingingen, zum Besuch auf dem Schlosse gewesen. Ich hatte immer gehofft, es sollten welche kommen, damit ich Gelegenheit be¬ käme, mit Fräulein Marie zu sprechen, der Harald jetzt gar nicht mehr von der Seite ging. Wenn sie vorher schön mit einander gethan hatten, so war das jetzt noch viel schlimmer geworden. So wie sie sich unbeobachtet glaubten, lagen sie einander in den Ar¬ men, und das war ein Herzen und Küssen! -- Du lieber Himmel, das ist unter Liebesleuten so der Brauch, und ich hatte es nicht besser gemacht, als ich ein so junges Ding war, wie die, und ich wußte am besten, wie die Grenwitzer Barone einem armen hüb¬ schen Mädchen schön thun und schmeicheln können; aber ich wußte auch, daß man jeden ihrer Küsse mit hunderttausend Thränen bezahlen muß. -- Und eines schönen Morgens, als ich Fräulein Marie wieder ein¬ mal begegnete, und fragte: wie gehts Fräulein Marie?
F. Spielhagen, Problemalische Naturen. II. 16
ſchlendern und Grimaſſen zu ſchneiden. Für den Baron that er gar nichts, im Gegentheil, ſeitdem Ha¬ rald ihm einmal einen Fußtritt gegeben, daß er noch vierzehn Tage nachher hinkte, ging er ihm überall aus dem Wege. Kein Menſch konnte begreifen, wes¬ halb ihn der Baron nicht wieder fortjagte. — Wäh¬ rend dieſer ganzen Zeit war keiner von den Herren, die ſonſt bei uns aus- und eingingen, zum Beſuch auf dem Schloſſe geweſen. Ich hatte immer gehofft, es ſollten welche kommen, damit ich Gelegenheit be¬ käme, mit Fräulein Marie zu ſprechen, der Harald jetzt gar nicht mehr von der Seite ging. Wenn ſie vorher ſchön mit einander gethan hatten, ſo war das jetzt noch viel ſchlimmer geworden. So wie ſie ſich unbeobachtet glaubten, lagen ſie einander in den Ar¬ men, und das war ein Herzen und Küſſen! — Du lieber Himmel, das iſt unter Liebesleuten ſo der Brauch, und ich hatte es nicht beſſer gemacht, als ich ein ſo junges Ding war, wie die, und ich wußte am beſten, wie die Grenwitzer Barone einem armen hüb¬ ſchen Mädchen ſchön thun und ſchmeicheln können; aber ich wußte auch, daß man jeden ihrer Küſſe mit hunderttauſend Thränen bezahlen muß. — Und eines ſchönen Morgens, als ich Fräulein Marie wieder ein¬ mal begegnete, und fragte: wie gehts Fräulein Marie?
F. Spielhagen, Problemalische Naturen. II. 16
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ſchlendern und Grimaſſen zu ſchneiden. Für den
Baron that er gar nichts, im Gegentheil, ſeitdem Ha¬
rald ihm einmal einen Fußtritt gegeben, daß er noch
vierzehn Tage nachher hinkte, ging er ihm überall
aus dem Wege. Kein Menſch konnte begreifen, wes¬
halb ihn der Baron nicht wieder fortjagte. — Wäh¬
rend dieſer ganzen Zeit war keiner von den Herren,
die ſonſt bei uns aus- und eingingen, zum Beſuch
auf dem Schloſſe geweſen. Ich hatte immer gehofft,
es ſollten welche kommen, damit ich Gelegenheit be¬
käme, mit Fräulein Marie zu ſprechen, der Harald
jetzt gar nicht mehr von der Seite ging. Wenn ſie
vorher ſchön mit einander gethan hatten, ſo war das
jetzt noch viel ſchlimmer geworden. So wie ſie ſich
unbeobachtet glaubten, lagen ſie einander in den Ar¬
men, und das war ein Herzen und Küſſen! — Du
lieber Himmel, das iſt unter Liebesleuten ſo der
Brauch, und ich hatte es nicht beſſer gemacht, als ich
ein ſo junges Ding war, wie die, und ich wußte am
beſten, wie die Grenwitzer Barone einem armen hüb¬
ſchen Mädchen ſchön thun und ſchmeicheln können;
aber ich wußte auch, daß man jeden ihrer Küſſe mit
hunderttauſend Thränen bezahlen muß. — Und eines
ſchönen Morgens, als ich Fräulein Marie wieder ein¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/251>, abgerufen am 16.02.2025.
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