Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.mich: "Wie geht's, liebe Frau Clausen?" oder: "kann Eines Nachmittags begegnete sie mir im Garten. mich: „Wie geht's, liebe Frau Clauſen?“ oder: „kann Eines Nachmittags begegnete ſie mir im Garten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0245" n="235"/> mich: „Wie geht's, liebe Frau Clauſen?“ oder: „kann<lb/> ich Ihnen nicht helfen, liebe Frau Clauſen? Sie<lb/> laſſen es ſich gar ſo ſauer werden. Ich ſchäme mich,<lb/> daß ich hier ſo müßig gehe.“</p><lb/> <p>Eines Nachmittags begegnete ſie mir im Garten.<lb/> Es war ein ſonniger heißer Tag; ſie hatte ein weißes<lb/> Kleid an und ein Strohhut mit breitem Rande hing<lb/> an ihrem ſchönen runden Arm. Der Baron war aus¬<lb/> geritten, ſeit langer Zeit zum erſten Male, die Tante<lb/> war noch nicht aufgeſtanden. Ich hatte mir ſchon<lb/> lange vorgenommen, wenn es die Gelegenheit erlaubte,<lb/> ein Wort mit dem Mädchen zu ſprechen und ihr die<lb/> Augen zu öffnen. So faßte ich mir denn ein Herz,<lb/> als ſie mit einem: Guten Tag, Mutter Clauſen, wie<lb/> geht's? an mir vorüber wollte, und ſagte: „Schön<lb/> Dank, Fräulein Marie; haben Sie einen Augenblick<lb/> Zeit? ich möchte gern ein paar Worte mit Ihnen<lb/> ſprechen?“ — „Was giebt's?“ ſagte ſie, und als ſie<lb/> in mein Geſicht ſah, das wol recht ernſt und traurig<lb/> ſein mochte, rief ſie: „Um Gotteswillen, es iſt doch<lb/> kein Unglück paſſirt?“ — „Nein, Fräulein Marie,“<lb/> ſagte ich, „aber es könnte leicht eins paſſiren, wenn<lb/> Sie ſich nicht beſſer vorſehen; und das ſollte mir<lb/> herzlich leid thun, denn Sie ſind ſo jung und ſehen<lb/> ſo engelsgut und rein und unſchuldig aus.“ — „Was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0245]
mich: „Wie geht's, liebe Frau Clauſen?“ oder: „kann
ich Ihnen nicht helfen, liebe Frau Clauſen? Sie
laſſen es ſich gar ſo ſauer werden. Ich ſchäme mich,
daß ich hier ſo müßig gehe.“
Eines Nachmittags begegnete ſie mir im Garten.
Es war ein ſonniger heißer Tag; ſie hatte ein weißes
Kleid an und ein Strohhut mit breitem Rande hing
an ihrem ſchönen runden Arm. Der Baron war aus¬
geritten, ſeit langer Zeit zum erſten Male, die Tante
war noch nicht aufgeſtanden. Ich hatte mir ſchon
lange vorgenommen, wenn es die Gelegenheit erlaubte,
ein Wort mit dem Mädchen zu ſprechen und ihr die
Augen zu öffnen. So faßte ich mir denn ein Herz,
als ſie mit einem: Guten Tag, Mutter Clauſen, wie
geht's? an mir vorüber wollte, und ſagte: „Schön
Dank, Fräulein Marie; haben Sie einen Augenblick
Zeit? ich möchte gern ein paar Worte mit Ihnen
ſprechen?“ — „Was giebt's?“ ſagte ſie, und als ſie
in mein Geſicht ſah, das wol recht ernſt und traurig
ſein mochte, rief ſie: „Um Gotteswillen, es iſt doch
kein Unglück paſſirt?“ — „Nein, Fräulein Marie,“
ſagte ich, „aber es könnte leicht eins paſſiren, wenn
Sie ſich nicht beſſer vorſehen; und das ſollte mir
herzlich leid thun, denn Sie ſind ſo jung und ſehen
ſo engelsgut und rein und unſchuldig aus.“ — „Was
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |