wie dieser Wildfang bei mir," sagte Melitta, leicht erröthend. "Wie lange sind Sie schon auf Grenwitz, Herr Doctor?"
"Seit vierzehn Tagen etwa, gnädige Frau."
"Sagte mir die Baronin nicht, daß Sie aus der Residenz kämen?" log Melitta, die neugierig war, zu erfahren, ob sich ihre Vermuthung wegen Oswalds Anzug bestätigte.
"Nicht direct, gnädige Frau; ich lebte zuletzt in Grünwald."
"In Grünwald? das interessirt mich. Da könnten Sie mir ja gleich die beste Auskunft geben. Die Sache ist nämlich die -- aber ich langweile Sie gewiß mit meinen indiscreten Fragen!"
"Bitte, gnädige Frau; ich würde mich glücklich schätzen, Ihnen irgendwie dienen zu können."
"Sehr gütig. Die Sache ist die. Ich will meinen Sohn -- er ist ungefähr in Bruno's Alter" --
"Oho, Tante, drei Jahre jüuger!" rief Bruno, der sich jetzt in einiger Entfernung auf einer Schaukel¬ bank wiegte.
"Welch' scharfes Ohr der Junge hat," sagte Me¬ litta, ihre Stimme senkend. "Also, ich will meinen Julius nach Grünwald auf's Gymnasium schicken. Oder viel¬ mehr, ich muß, denn sein Lehrer, ein Herr Bemper¬
wie dieſer Wildfang bei mir,“ ſagte Melitta, leicht erröthend. „Wie lange ſind Sie ſchon auf Grenwitz, Herr Doctor?“
„Seit vierzehn Tagen etwa, gnädige Frau.“
„Sagte mir die Baronin nicht, daß Sie aus der Reſidenz kämen?“ log Melitta, die neugierig war, zu erfahren, ob ſich ihre Vermuthung wegen Oswalds Anzug beſtätigte.
„Nicht direct, gnädige Frau; ich lebte zuletzt in Grünwald.“
„In Grünwald? das intereſſirt mich. Da könnten Sie mir ja gleich die beſte Auskunft geben. Die Sache iſt nämlich die — aber ich langweile Sie gewiß mit meinen indiscreten Fragen!“
„Bitte, gnädige Frau; ich würde mich glücklich ſchätzen, Ihnen irgendwie dienen zu können.“
„Sehr gütig. Die Sache iſt die. Ich will meinen Sohn — er iſt ungefähr in Bruno's Alter“ —
„Oho, Tante, drei Jahre jüuger!“ rief Bruno, der ſich jetzt in einiger Entfernung auf einer Schaukel¬ bank wiegte.
„Welch' ſcharfes Ohr der Junge hat,“ ſagte Me¬ litta, ihre Stimme ſenkend. „Alſo, ich will meinen Julius nach Grünwald auf's Gymnaſium ſchicken. Oder viel¬ mehr, ich muß, denn ſein Lehrer, ein Herr Bemper¬
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wie dieſer Wildfang bei mir,“ ſagte Melitta, leicht
erröthend. „Wie lange ſind Sie ſchon auf Grenwitz,
Herr Doctor?“
„Seit vierzehn Tagen etwa, gnädige Frau.“
„Sagte mir die Baronin nicht, daß Sie aus der
Reſidenz kämen?“ log Melitta, die neugierig war, zu
erfahren, ob ſich ihre Vermuthung wegen Oswalds
Anzug beſtätigte.
„Nicht direct, gnädige Frau; ich lebte zuletzt in
Grünwald.“
„In Grünwald? das intereſſirt mich. Da könnten
Sie mir ja gleich die beſte Auskunft geben. Die
Sache iſt nämlich die — aber ich langweile Sie gewiß
mit meinen indiscreten Fragen!“
„Bitte, gnädige Frau; ich würde mich glücklich
ſchätzen, Ihnen irgendwie dienen zu können.“
„Sehr gütig. Die Sache iſt die. Ich will meinen
Sohn — er iſt ungefähr in Bruno's Alter“ —
„Oho, Tante, drei Jahre jüuger!“ rief Bruno,
der ſich jetzt in einiger Entfernung auf einer Schaukel¬
bank wiegte.
„Welch' ſcharfes Ohr der Junge hat,“ ſagte Me¬
litta, ihre Stimme ſenkend. „Alſo, ich will meinen Julius
nach Grünwald auf's Gymnaſium ſchicken. Oder viel¬
mehr, ich muß, denn ſein Lehrer, ein Herr Bemper¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/85>, abgerufen am 22.07.2024.
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