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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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plötzlich der duftende, lächelnde Frühlingsmorgen her¬
vorblüht, so wechselten Sonnenschein und Sturm
in seinem Gemüthe -- übermüthige Lust und an
Schwermuth grenzende Niedergeschlagenheit, herzliches,
fast kindliches Sichhingeben und düstrer, mehr als
knabenhafter Trotz -- schnell und unvermittelt, wie
Lichter und Schatten auf den Hängen eines Gebirges
an einem Tage, wo der Wind die Wolken pfeilschnell
an der Sonne vorüberjagt. So fand Oswald den
Knaben, einen Fremdling im Hause seiner Verwandten,
von den Einen gehaßt, von den Andern gefürchtet, ein
unergründliches Räthsel für Alle, selbst für den alten
guten Baron, der dem Knaben, oft mehr aus ange¬
borner Großmuth, als aus Ueberzeugung, stets das
Wort redete. Aber für Oswald hatte ein Blick in
das traumumflorte dunkle Auge des Knaben genügt,
den verwandten Dämon zu erkennen, und der mystische
Bund, den sie in jenem Augenblick geschlossen, hatte
jede Stunde ihres Zusammenlebens nur gefestigt.
Bruno hatte ihm an dem ersten Tage den düstern
Trotz entgegengebracht, den er gegen Alle zu zeigen
gewohnt war. Er hatte ihn mit scheuem, durchdrin¬
gendem Blick zwei, drei weitere Tage beobachtet, und
dann war vor Oswalds liebevollem, freundlichem Wesen
der Argwohn von ihm gewichen, wie die Nebel vor

plötzlich der duftende, lächelnde Frühlingsmorgen her¬
vorblüht, ſo wechſelten Sonnenſchein und Sturm
in ſeinem Gemüthe — übermüthige Luſt und an
Schwermuth grenzende Niedergeſchlagenheit, herzliches,
faſt kindliches Sichhingeben und düſtrer, mehr als
knabenhafter Trotz — ſchnell und unvermittelt, wie
Lichter und Schatten auf den Hängen eines Gebirges
an einem Tage, wo der Wind die Wolken pfeilſchnell
an der Sonne vorüberjagt. So fand Oswald den
Knaben, einen Fremdling im Hauſe ſeiner Verwandten,
von den Einen gehaßt, von den Andern gefürchtet, ein
unergründliches Räthſel für Alle, ſelbſt für den alten
guten Baron, der dem Knaben, oft mehr aus ange¬
borner Großmuth, als aus Ueberzeugung, ſtets das
Wort redete. Aber für Oswald hatte ein Blick in
das traumumflorte dunkle Auge des Knaben genügt,
den verwandten Dämon zu erkennen, und der myſtiſche
Bund, den ſie in jenem Augenblick geſchloſſen, hatte
jede Stunde ihres Zuſammenlebens nur gefeſtigt.
Bruno hatte ihm an dem erſten Tage den düſtern
Trotz entgegengebracht, den er gegen Alle zu zeigen
gewohnt war. Er hatte ihn mit ſcheuem, durchdrin¬
gendem Blick zwei, drei weitere Tage beobachtet, und
dann war vor Oswalds liebevollem, freundlichem Weſen
der Argwohn von ihm gewichen, wie die Nebel vor

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[41/0051] plötzlich der duftende, lächelnde Frühlingsmorgen her¬ vorblüht, ſo wechſelten Sonnenſchein und Sturm in ſeinem Gemüthe — übermüthige Luſt und an Schwermuth grenzende Niedergeſchlagenheit, herzliches, faſt kindliches Sichhingeben und düſtrer, mehr als knabenhafter Trotz — ſchnell und unvermittelt, wie Lichter und Schatten auf den Hängen eines Gebirges an einem Tage, wo der Wind die Wolken pfeilſchnell an der Sonne vorüberjagt. So fand Oswald den Knaben, einen Fremdling im Hauſe ſeiner Verwandten, von den Einen gehaßt, von den Andern gefürchtet, ein unergründliches Räthſel für Alle, ſelbſt für den alten guten Baron, der dem Knaben, oft mehr aus ange¬ borner Großmuth, als aus Ueberzeugung, ſtets das Wort redete. Aber für Oswald hatte ein Blick in das traumumflorte dunkle Auge des Knaben genügt, den verwandten Dämon zu erkennen, und der myſtiſche Bund, den ſie in jenem Augenblick geſchloſſen, hatte jede Stunde ihres Zuſammenlebens nur gefeſtigt. Bruno hatte ihm an dem erſten Tage den düſtern Trotz entgegengebracht, den er gegen Alle zu zeigen gewohnt war. Er hatte ihn mit ſcheuem, durchdrin¬ gendem Blick zwei, drei weitere Tage beobachtet, und dann war vor Oswalds liebevollem, freundlichem Weſen der Argwohn von ihm gewichen, wie die Nebel vor

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/51>, abgerufen am 24.11.2024.